Zusammenfassung
Dies verkündet Thomas Mann den Zuhörern seiner berühmten Rede Von Deutscher Republik, die er am 13. Oktober 1922 in Berlin hielt. Von einem Wort zum anderen nimmt »Eros« hier Gestalt an: Er wird zum Mann, zum Schöpfer. Zugleich erhält der Staat eine Genese, er wird aus dem (männlichen) Eros erschaffen. Mit der Gestaltwerdung des Eros wird ihm eine Geschichte, eine Tradition verliehen; Mann spricht von einer »seit alters her vertraute[n] Vorstellung« des »Eros als Staatsmann.« Dieses Konzept muß jedoch im Laufe der Geschichte in den Hintergrund gedrängt worden sein, es müßte nicht aufs neue propagiert werden, wenn der »Eros als Staatsmann« in den Tagen der Weimarer Republik im Amte stände. Wenn dafür Propaganda gemacht wird, dann nicht in der abfälligen Bedeutung des Wortes, sondern, wie uns Mann versichert, auf »geistreiche« Art und Weise, und die Vermutung liegt nahe, daß der Geistesreichtum nicht nur mit der Form der Propaganda zu tun hat, sondern auch mit dem, was da propagiert wird.
Eros als Staatsmann, als Staatsschöpfer sogar ist eine seit alters vertraute Vorstellung, die noch in unseren Tagen aufs neue geistreich propagiert worden [ist].1
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Anmerkungen zu Kapitel 1
Thomas Mann, Von deutscher Republik. Gerhart Hauptmann zum sechzigsten Geburtstag, Gesammelte Werke,Hg. Peter de Mendelssohn (Frankfurt: Fischer, 1984) Bd.15: 155.
Nach Fertigstellung dieses Manuskriptes erschien ein hervorragend ausgestatteter Katalog der Ausstellung Männerbande - Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich,die das Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde in Köln vom 23. März bis zum 17. Juni 1990 veranstaltet hat. Der Katalog enthält eine Fülle von Material zu verschiedenen Männerbünden, sowohl aus historischer als auch interkultureller Sicht.
Zur Organisation und Geschichte studentischer Verbände vgl. Konrad H. Jarausch, Deutsche Studenten 1800–1970 (Frankfurt: Suhrkamp, 1984), insbesondere 59–164.
Über den Verlauf dieses Prozesses wegen homosexueller Aktivitäten, der vor allem von Maximilian Harden gegen den Fürsten Philipp zu Eulenburg-Hertefelde und andere Angehörige des Freundeskreises von Wilhelm II geführt wurde, vgl. Isabel V. Hull, The Entourage of Kaiser Wilhelm II 1888–1918 ( Cambridge: Cambridge University Press, 1982 ) 130–145.
Aus der reichhaltigen Literatur sei als historische Einführung neben HansUlrich Wehler Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918 hingewiesen auf: Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik,Oldenbourg-Grundriß der Geschichte Band 16 (München: Oldenbourg Verlag, 1984) und George L. Mosse, The Nationalization of the Masses. Political Symbolism and Mass Movements in Germany from the Napoleonic Wars Through the Third Reich (New York: H. Fertig, 1975). Als kulturhistorische Einführungen: Klaus Vondung, Hg. Das wilhelminische Bildungsbürgertum. Zur Sozialgeschichte seiner Ideen (Göttingen: Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, 1976); Jost Hermand und Frank Trommler, Die Kultur der Weimarer Republik (München: Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, 1978).
Hans-Ulrich Wehler, Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918, 5. Aufl. ( Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1983 ) 14.
Hans-Ulrich Gumbrecht, »Modern, Modernität, Moderne,« in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Hg. Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Kosellek (Stuttgart: Klett, 1978) Bd. 4: 96.
Dieter Borchmeyer und Victor Zmegac, Hg. Moderne Literatur in Grundbegriffen ( Frankfurt: Athenäum, 1987 ) 250–257.
Hans Robert Jauß, Literaturgeschichte als Provokation ( Frankfurt: Suhrkamp, 1970 ) 11–66.
Karl Marx, Friedrich Engels, Manifest der kommunistischen Partei, Werke (Berlin: Dietz Verlag, 1959) Bd. 4: 465. Die folgenden Gedanken stehen in Verbindung mit Marshall Berman, All That is Solid Melts Into Air. The Experience ofModernity (New York: Simon and Schuster, 1982), einem Buch, das nicht nur eine lesenswerte Interpretation des Kommunistischen Manifests enthält, sondern auch die oft vernachlässigten Beziehungen zwischen Moderne und Modernisierung darzustellen weiß.
Die Entweihung des Heiligen« wird später von Walter Benjamin aufgenommen und kehrt in seiner zentralen These vom Verlust der Aura des Kunstwerks in der Moderne wieder. Vgl. dazu: Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seinertechnischenReproduzierbarkeit ( Frankfurt: Suhrkamp, 1975 ) 7–64.
Der Versuch, traditionelles männliches Heldentum in eine Verbindung mit der modernen Technologie von Massenvernichtung zu bringen, kann im Werk Ernst Jüngers nachverfolgt werden, so z. B. in Der Kampf als Inneres Erlebnis.
Charles Baudelaire, Le peintre de la vie moderne. OEuvre Complètes de Charles Baudelaire notice de M. Jacques Crépet (Paris: Louis Conard, 1920) vol. 2: 61–62.
Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur. Freud-Studienausgabe,Hg. Alexander Mitscherlich, Angela Richards und James Strachey (Frankfurt: Fischer 1974) Bd.9: 200.
Eine kritische Stellungnahme, die moderne Massenerfahrung an die entstehende Warengesellschaft anbindet, in der die Ware als Konsumgut und die Ware Mensch als Arbeitskraft eine Art Spiegelverhältnis eingehen, das von der politisch nicht bewußten Masse nicht durchschaut wird, findet sich in Walter Benjamin, Charles Baudelaire. Ein Lyriker im Zeitalter des Hochkapitalismus. Gesammelte Schriften,Werkausgabe edition suhrkamp, Hg. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser (Frankfurt: Suhrkamp, 1980) Bd.2: 560–561.
Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie,2. Aufl. (Tübingen: J.C.B. Mohr, 1922) Bd.l: 203–204.
Otto Weininger, Geschlecht und Charakter. Eine prinzipielle Untersuchung, 3. Aufl. (Wien und Leipzig: Wilhelm Braumüller Verlag, 1904 ) 451–452.
Eine neuere Analyse speziell zur Repräsentation und dem Begriffsinhalt von Masse im Drama in der Weimarer Republik ist: Ann Clark Fehn, »Concepts of the Masses and German Drama in the Weimar Republic,« in: Seminar. A Journal of Germanic Studies 22.1 (1988): 31–57.
Johannes Papalekas, »Masse,« in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Hg. Erwin von Beckerath et. al. (Stuttgart: Gustav Fischer, Tübingen: J.C.B. Mohr, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1961 ) 220.
Klaus Theweleit, Männerphantasien,2 Bände (Reinbek: Rowohlt, 1980) Bd.2: 48.
vgl. dazu Andreas Huyssen, After the Great Divide. Modernism, Mass Culture, Postmodernism ( Bloomington: Indiana University Press, 1986 ).
vgl. dazu Nicolaus Sombart, »Männerbund und politische Kultur in Deutschland,« in: taz 23. Januar 1988: 18. Weiterhin: Nicolaus Sombart, Nachdenken über Deutschland. Vom Historismus zur Psychoanalyse ( München: Piper, 1987 ).
Nicolaus Sombart, Jugend in Berlin. 1933–1943. Ein Bericht ( Frankfurt: Fischer, 1986 ) 166–167.
Eve K. Sedgwick, Between Men: English Literature and Male Homosocial Desire ( New York: Columbia University Press, 1985 ) 1–2.
Gayle Rubin, »Traffic in Women. Notes on the »Political Economy« of Sex,« in: Towards an Anthropology of Women, Ed. Rayna Reiter ( New York, Monthly Review Press, 1975 ) 182–183.
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© 1992 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Widdig, B. (1992). Männerbünde und Massen als Phänomene der Moderne. In: Männerbünde und Massen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99691-6_1
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