Frauen als Akteurinnen in der politischen Kultur Griechenlands

Zusammenfassung

Die geringe Sichtbarkeit von Frauen in der Politik und ihre Unterrepräsentation insbesondere auf der politischen Führungsebene sind strukturelle Elemente der politischen Kultur Griechenlands und zugleich Ausdruck der geringeren sozialen Stellung der Frauen in unserer Gesellschaft¹. Erst 1952 haben griechische Frauen umfassende politische Rechte erhalten, und bis 1985 folgten sie einem „traditionellen“ Wahlverhalten, das die Konservativen begünstigte. Ansonsten war ihre formelle politische Partizipation sehr gering oder gar nicht vorhanden. Es war natürlich zu erwarten, daß die Entpolitisierung der Frauenfrage und das völlige Desinteresse des politischen Systems an der Realität einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung eine sehr geringe politische Aktivität² der Frauen zur Folge haben und ihr Ausschluß trotz formeller Rechte sich in dieser Weise ausdrücken würde. Bis vor kurzem waren Parteimitgliedschaft, öffentliche Ämter und das Vordringen in die politische Führungsschicht fast ausschließlich den Männern vorbehalten, und dieser Umstand war als solcher auch legitimiert. Trotzdem muß man betonen, daß die politischen Profile griechischer Frauen sehr deutlich variieren (vielleicht stärker als in anderen europäischen Ländern), entsprechend der großen Bandbreite weiblicher Lebensstile in der privaten Sphäre, die sich trotz starrer Geschlechtsrollen und familialer Arbeitsteilung herausgebildet hat: In eher traditionellen Lebenszusammenhängen (z.B. auf dem Land) ist die Ausbeutung und Unterdrückung der Frauen sehr viel ausgeprägter und weniger in Frage gestellt, und insbesondere ältere Frauen — in der Stadt wie auf dem Land — betrachten ihre geringere gesellschaftliche Stellung als normal. Jüngere Frauen widersetzen sich dagegen massiv der Legitimität ihrer gesellschaftlichen Benachteiligung (was die Verbreitung feministischer Ideen in den letzen Jahrzehnten beweist) und sehen diese als „ein Problem, das gelöst werden muß“³. Während jede dritte Frau über 60 Jahre der Meinung ist, daß „Politik Sache der Männer sein muß“, teilen weniger als 4% der jungen Frauen (im Alter von 18 bis 29 Jahren) diesen Standpunkt⁴. Offensichtlich beeinflussen (oder determinieren⁵) Lebensweise und Geschlechtsidentität der Frauen ihre Rolle als politische Akteurinnen, wobei letztere sehr stark mit Alter und Bildungsstand korreliert. Die Aktivistinnen der Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre, vor allem aus den autonomen, feministischen Gruppen, belegen diesen Zusammenhang⁶.