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Soziale Motivationstheorie zur Erklärung von Selbstmord- und Selbstmordversuchshandlungen

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Soziologie des Selbstmords
  • 138 Accesses

Zusammenfassung

Zur Erklärung von Selbstmord- und Selbstmordversuchshandlungen auf individueller und gesamtgesellschaftlicher Ebene wurde die Motivationstheorie von Atkinson ausgewählt. Sie hat gegenüber anderen theoretischen Ansätzen1 eine Reihe von Vorteilen, die insbesondere bei der Erklärung eines sozialen Phänomens, das zwar massenhaft in einer Gesellschaft auftritt, aber gleichzeitig ein relativ seltenes Ereignis ist und deswegen Minderheiten betrifft, bedeutsam werden. Die Tatsache, daß Individuen auf gleichartige Situationen — wie Kriegsereignisse — oder auch auf ähnliche Lebensumstände, die durch das Alter und das Geschlecht vorgegeben sind, ganz unterschiedlich und in der Regel nicht mit Selbstmord reagieren, setzt zur Erklärung dieses Phänomens voraus, daß subjektive Wahrnehmungen der Situation in der Theorie berücksichtigt werden.

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Literatur

  1. Atkinson 1964; vgl. auch Braun 1971, S. 142f.; die relative Überlegenheit dieser Theorie wurde hier bereits demonstriert im Zusammenhang mit alternativen Selbstmordtheorien, insbesondere der soziologischen Theorie von Durkheim, und ökologisch-deskriptiven Ansätzen, den psychologischen Theorien, insbesondere den psychoanalytischen Theorien von Menninger und Hendin sowie dem sozialpsychologischen Ansatz von Henry und Short. Die wichtigsten Bedingungen dieser und vor allem neuerer Selbstmordtheorien — z.B. der kognitiven Selbstmordtheorien, die im Bereich der Depressionsforschung entwickelt wurden, und der sozialen Lerntheorie — werden innerhalb des hier zu entwickelnden Ansatzes im Hinblick auf ihren empirischen und theoretischen Stellenwert geprüft.

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  2. Zu einem Vergleich der sozialen Lerntheorie von Rotter und der Motivationstheorie von Atkinson vgl. Lindner-Braun 1976, S. 279ff., 316f.

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  3. Die Lemtheorie vom Hull in ihrer Anwendung auf Persuasionsprozesse durch R.F. Weiss (1968) wird im Unterschied zur Motivationstheorie von Atkinson und deren Anwendung auf Persuasionsprozesse in Lindner-Braun ( 1976, S. 121ff.) dargestellt und diskutiert.

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  4. Vgl. Becker (1968), Ehrlich (1973) zu ökonometrischen Kriminalitätstheorien und Hamermesh und Soss (1974) zu einer ökonomischen Selbstmordtheorie (vgl. Abschnitt 2.2.1.2, S. 233 ).

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  5. Dazu gehört z.B. die Unabhängigkeit der zu erklärenden Einzelhandlungen, die zum Zeitpunkt der Suizidhandlung als erfüllt anzusehen ist. Der sog.,Werther-Effekt`, wie er im Abschnitt über die Wirkung von Massenmedien auf Selbstmord untersucht wird, berührt die Annahme der Unabhängigkeit einzelner Suizidhandlungen nicht. Zum reduktionistischen Problem der Struktureffekte mit Systemkonsequenzen, die nicht als Werte von einzelnen Individuen aufgefaßt werden könnten, sondern allenfalls als Werte von Mengen von Individuen in Form konstanter Randbedingungen vgl. Hummell 1973, S. 123ff., 149 und zur Problematik der Struktureffekte mit Systemkonsequenzen, die sich aus der Anwendung theoretischer Modelle ergeben, vgl. Boudon 1974. Eine Diskussion dieser Probleme kann an dieser Stelle nicht geführt werden, zumal sie für die Erklärung und Vorhersage aggregierter Selbstmordhandlungen, die das unterschiedlich häufige Auftreten von Selbstmord in verschiedenen Gesellschaften charakterisieren, irrelevant ist. Auch wenn Selbstmord als abweichendes Verhalten aufgefaßt wird, benötigt man nach der hier vorgenommenen Definition von abweichendem Verhalten, d.h. die subjektive Kenntnis gesellschaftlicher Ablehnung von Suizid, keine soziologische Randbedingung. Die gesellschaftliche Bewertung des Suizids schlägt sich vielmehr in der subjektiven Wert-Erwartungs-Bilanz nieder. Ebenso werden die aus den Anschlußtheorien entwickelten strukturellen Bedingungen des Handlungsspielraums und der Informationsstruktur nur dann handlungsrelevant, wenn sie die individuellen Kausal-und Moralprinzipien tangieren.

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  6. Diese Bedingung wird zum Beispiel in Theorien zur Normeneinhaltung expliziert (vgl. Opp 1975 ). Es gibt aber wenig Anhaltspunkte dafür, daß sozial relevante Normen, die ein Verhalten wie Selbstmord betreffen, nicht allgemein bekannt wären. Ob Suizidgefährdete die Norm kennen und mit ihr übereinstimmen, z.B. Selbstmord selbst für verwerflich halten, ist mit dieser Bedingung noch nicht festgelegt (vgl. Abschnitt 3.1.3.1.3 über die moralischen Kosten suizidaler Handlungen). Selbstverständlich müßte aber in einer empirischen Prüfung des Ansatzes diese individualistisch definierte Randbedingung erhoben werden.

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  7. Vroom postuliert folgende Funktionsgleichung: Handlungserfolg = f (Fähigkeit x Kraft); wobei die Kraft das Produkt aus Wertintensität bzw. Valenz eines Handlungsergebnisses und dessen Erwartung ist (E x V). Hinsichtlich der von Vroom untersuchten Explananda unterscheidet Heckhausen drei Modelle bei Vroom (1) Instrumentalitätsmodell, das die erwarteten Handlungsfolgen eines Handlungsergebnisses bewertet (Instrumentalitäten von Handlungsfolgen, die Valenzen besitzen) und (2) das Handlungsmodell (Valenzen eines erwarteten Handlungsergebnisses (E x V)), und (3) das Ausführungsmodell (Erklärung eines Handlungsergebnisses als Produkt aus Fähigkeit und erwarteter Valenz einer Handlung (vgl. Heckhausen 1980, S. 231)).

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  8. Über die Möglichkeit einer kriminaltechnischen Unterscheidung berichtet Amelunxen (1962).

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  9. Nach Ritson (1968) begingen 2,7% der untersuchten 300 Alkoholiker Selbstmord. In der UdSSR, einem Land mit einer hohen Alkoholikerrate, waren 19% der Selbstmörder Alkoholiker. Miles (1977) schätzt aufgrund einer Längsschnittstudie, daß 15% der Selbstmörder Alkoholiker und 10% Drogenabhängige sind. Goodwin (1973) faßt eine Literaturstudie, die auf Untersuchungen beruht, die bis zum Jahre 1825 zurückreichen, dahingehend zusammen, daß Alkoholiker häufiger nicht-fatale Selbstmordversuche als vollendete Suizidhandlungen begehen und ältere Alkoholiker weniger suizidgefährdet sind als jüngere Alkoholiker. Diese sozio-demographische Charakterisierung von Alkoholikern stimmt mit der altersspezifischen Gefährdung von Suizidversuchen nicht, aber mit der von Selbstmördern überein. Unter den Suizidversuchen finden sich im Gegensatz zu den älteren Selbstmördern vornehmlich junge Personen. Auch in der jüngsten Untersuchung von Maris (1981) sind die Suizidversucher stärker alkohol-und drogengefährdet als die Selbstmörder (vgl. Maris 1981, S. 328). Im Vergleich zu der Kontrollgruppe Verstorbener hauen die Selbstmörder sogar weniger Alkohol-und Drogenprobleme (vgl. S. 324). Die Tatsache, daß Alkohol und Drogen unmittelbar vor der Tatausführung eines tödlich endenden Suizids eingenommen werden, ist ein gut bestätigter Befund (Lester und Lester 1971, Ringel und Rotter 1957 ). Er spricht aber nicht dafür, daß Alkoholiker und Suizidenten derselben Population entstammen. Vielmehr kann dieser Umstand die These erhärten, daß dem vollendeten Suizid eine dominierend negative Handlungstendenz zugrunde liegt, d.h., daß der Suizid nicht die attraktivere Alternative, sondern allenfalls im Vergleich zu den verbleibenden Handlungsaltemativen die weniger abstoßende Handlung darstellt, die vor allem Todesfurcht und Ungewißheit erwarten läßt. Das sind erwartete negative Konsequenzen, die durch die Einnahme vonDrogen oder Alkohol reduzierbar sind (vgl. Abschnitt 3.1. 3. 1 ).

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  10. Auch die Tatsache, daß Corey et al. (1977) eine signifikante Korrelation bei der Veränderung von Alkohol-und Suizidraten in Kalifornien festgestellt haben, spricht nicht für identische, sondern eher für teilweise gemeinsame Erklärungsfaktoren.

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  11. Ein direkter Nachweis für unterschiedliche Korrelate bei Drogenabhängigkeit und Suizidversuch liefert die Untersuchung von Harris et al. (1979). Sie stellten fest, daß 26% der untersuchten Drogensüchtigen einen nicht-fatalen Suizidversuch unternommen hauen, diese Suizidversucher unter den Drogensüchtigen sich von den nicht-suizidalen Drogenabhängigen jedoch signifikant im Hinblick auf eine Reihe von Merkmalen unterschieden: Die drogenabhängigen Suizidversucher waren depressiver, ängstlicher, unsicherer und verwendeten andere Drogen als die nicht-suizidalen Drogenabhängigen. Diese Befunde ließen sich z.B. dahingehend interpretieren, daß die drogenabhängigen Suizidgefährdeten,schlechte` und untypische Drogenkonsumenten waren, die nicht wegen euphorischer Effekte Drogen nahmen, sondern um damit anderen unangenehmem Situationen zu entgehen. (Vgl. hierzu die Untersuchung von McAuliffe und Gordon 1974, die im Widerspruch zur klassischen These von Lindesmith (1968) steht, der ausschließlich die Vermeidung negativer Erlebnisse beim Beginn physiologischer Abhängigkeit postuliert.) Insofern wäre die Anreizkonstellation dieser Personen der Anreizkonstellation von Suizidversuchern vergleichbar: geringfügige positive Anreize bei der Drogeneinnahme und beim Suizidversuch, denen weitgehend negative Konsequenzen der alternativen Handlungen gegenüberstehen. Für typische Drogen-und Alkoholkonsumenten wäre hingegen eine schwächere negative Anreizkonstellation der alternativen Handlungen bei gleichzeitig erwarteten stärkeren positiven Anreizen durch den Alkohol-und Drogenkonsum zu erwarten (vgl. zu den Wert-Erwartungs-Bilanzen von Selbstmördern und Suizidversuchern Abschnitte 3.1 und 3. 2 ).

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  12. Zur Gewinnung reliabler Daten aus offiziellen Selbstmordstatistiken wäre die Identifizierung mißlungener suizidaler Handlungen mit ungewolltem nicht-tödlichen Ausgang oder tödlichem Ausgang hilfreich (vgl. zu den Mängeln offizieller Statistiken Opp 1974, Kap. IV; Braun 1971, S. 20–23; Resnik und Hathome 1974 ). Bradshaw (1973) vermutet, daß dies 25% der Selbstmordfälle betrifft. Nach Rudfeld (1962) läßt sich eine 10%ige Unterschätzung vermuten, wobei in diesen Daten die über 60jährigen mit ambivalenten Unfällen überproportional häufig der Unterschicht entstammen. Als Unfall kaschierte Suizide finden sich vor allem bei Verkehrsunfällen (vgl. Peterson 1975; Phillips 1979 ).

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  13. Eine der berühmtesten Einteilungen stammt von Menninger (1933, 1974). Nach ihm hat ein Selbstmörder entweder den Wunsch, zu töten, den Wunsch, getötet zu werden oder aber den Wunsch, zu sterben. Während hier die Klassifikationskriterien der psychoanalytischen Theorie entstammen und somit als theoretische Variablen zu bezeichnen sind, deren hypothetischer Zusammenhang allerdings kaum empirisch nachprüfbar ist (vgl. Braun 1971, S. 92ff.), sind andere Klassifikationsversuche außerordentlich verwirrend und wenig fruchtbar: Hirschfeld unterscheidet etwa den Selbstmord psychisch Labiler (Persönlichkeitsaspekt), den Selbstmord als vollüberlegte Tat (Planungsaspekt), den Selbstmord im Affekt (Gemütszustand bei der Tatausführung) und den Selbstmord von Geisteskranken und Alkoholikern. Ältere Autoren, unter ihnen Brockhaus, typisieren Selbstmord als Theater, als Kurzschluß oder als Flucht (vgl. Gruhle 1940). Aber auch gegenwärtig gehört die Klassifikation vom Selbstmordhandlungen — man muß sagen — als oft geübter Theorieersatz zum Alltag vieler Selbstmordforscher. Bächler unterscheidet z.B. den eskapistischen, den aggressiven, den Selbstmord mit Opfercharakter und den Selbstmord mit Spielcharakter (Bächler 1979). Obwohl der letztgenannte Autor einheitlich bestimmte Motive zur Charakterisierung verwendet, ist die Aufzählung und Zahl der so gewonnenen Arten von Selbstmord atheoretisch und willkürlich. Ähnlich zu bewerten sind empirisch-induktiv gewonnene Klassifikationsversuche, deren Gültigkeit von der Zahl und Art der ausgewählten Stichprobe und den erhobenen Daten abhängig ist. Bagley et al. (1976) identifizierten so z.B. drei statistisch unabhängige Selbstmordtypen, den depressiven, den soziopathischen und den medizinisch-kranken Selbstmörder.

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  14. Die Richtung der Tendenz ist aus der Bewertung der zu meidenden bzw. aufzusuchenden Ziele (G) erkenntlich, wobei r eine spezifische Handlung indiziert Tr,g als positive und Tf,_g als positive Handlungstendenz (vgl. Atkinson 1964, S. 275). Als Grundannahme dieser Handlungstheorie gilt außerdem die Vorstellung, daß Handlungstendenzen je nach Stärke spezifischer Handlungstendenzen und ihrer Handlungsalternativen beibehalten bzw. mit variierender Stärke fortgesetzt oder verändert werden, daß aber der lebende Organismus konstant aktiv ist, selbst im Zustand des Schlafs oder der nur augenscheinlichen Ruhe (vgl. Atkinson 1964, S. 300ff.). Obwohl Selbstmordhandlungen in dieser Arbeit als negativ motivierte Handlungen aufgefaßt werden, bleibt diese Grundannahme, daß Selbstmord eine aktive Handlung ist, erhalten, da sie lediglich aus der Summe abstoßender Kräfte resultiert, d.h. eine dominierend negative Handlungstendenz darstellt.

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  15. Zum Einstellungsbegriff vgl. Nelson 1939; Ryle 1949; Rosenberg 1960; De Fleur und Westie 1963; McGuire 1969; Krech und Crutchfield 1962, S. 140); zu einem Überblick über Einstellungstheorien: Insko 1967; Kiesler et al. 1969; McGuire 1969; zu einer Anwendung der Motivationstheorie von Atkinson auf die Entstehung von Einstellungen, vgl. Lindner-Braun 1976 und zur Kritik affektiver, kognitiver und konativer Einstellungskomponenten vgl. Lindner-Braun 1976, S. 2. In motivatinstheoretische Aussagen sind bislang einstellungstheoretische Befunde aus Theorie und Empirie nicht integriert worden, obwohl insbesondere die Einstellungstheorien von Rosenberg (1960); Peak (1955) oder Carlson (1953) bzw. das später darauf aufbauende Integrationsmodell von Fishbein (Ajzen und Fishbein 1973) einen Vergleich nahelegen. Rotter definiert das Handlungspotential, das der Handlungstendenz bei Atkinson vergleichbar ist, explizit als Einstellung (1954, S. 211ff.). Der Vergleich zeigt z.B., daß zwei verschiedene Dimensionen — die affektive und die konative — im Begriff der Handlungstendenz enthalten sind. Dies legt nicht nur verschiedene Messungen, wie sie in der Einstellungsforschung entwickelt wurden, nahe, sondern es ist auch eine analytische Trennung beider,Tendenzen` möglich, die sich in folgender zeitlich angeordneter Bewertung von Handlungen und Handlungsabsichten herausbilden könnten:

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  16. Im Hinblick auf die Stärkung oder Schwächung von Handlungsimpulsen, die durch antizipierte belohnende oder bestrafende erwartete Anreize ausgelöst werden, sind Entscheidungs-und Wert-Erwartungs-Theorien der Tolmanschen oder Lewinschen Tradition gleichzusetzen (vgl. Atkinson 1964, S. 212) und auch im Hinblick auf die selektive und gerichtete Wirkung dieser Anreize. Im Gegensatz zu ökonomischen Nutzentheorien sind aber die Rationalitätsannahmen im Hinblick auf kognitive und affektive Diskriminierungen weit weniger restriktiv. Es wird keine Nutzenmaximierung, keine unendliche Diskriminierung auf einem Nutzenkontinuum und keine vollständige Information bei Abwägung von Handlungsalternativen und ihrer Wahrscheinlichkeiten angenommen (vgl. Atkinson 1964, S. 205ff.).

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  17. Die Risikoskalen erfassen in der Regel diese vorwiegend demographischen Daten (vgl. z.B. Pöldinger 1968; Miskimins et al. 1967 ). Die LASP-Skala (Los Angeles suicide prevention scale) bestimmt das Selbstmordrisiko einer Person über das Alter, das Geschlecht, Streß, Planung eines Suizids, die wirtschaftlichen Verhältnisse, das vorangegangene suizidäre Verhalten, medizinische Aspekte, die Kommunikationssituation und Reaktionen auf den signifikanten anderen.

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  18. Vgl. Farberow und Shneidman 1955; Lendrum 1933; Stengel 1964, 1969; Beck et al. 1974; Maris 1969; Weiss et al. 1961; Dorpat und Bosswell 1963; Tuckman und Youngman 1963; für Frankreich: Raymondis et al. 1965; Oeconomo 1961; für die DDR: Panssgrau 1962; BRD: Bäcker 1972; Hilbert 1971.

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  19. Das Verhältnis der Selbstmorde zu Selbstmordversuchen schwankt in verschiedenen Untersuchungen zwischen einer im Vergleich zum Selbstmord zehn-bis hundertfach erhöhten Selbstmordversuchsgefahr: Farberow 1:8, Stengel 1:10, 7, Ruegsegger 1:10, Litman 1:30, Jakobziner 1:100, Weissman 1:25 (Decke 1974); vgl. A2.

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  20. Böhme (1971) berichtet über einen tragischen Fall, der deutlich macht, daß in extremen Situationen die Suizidhandlung an dieser fehlenden Bedingung scheitert: Eine alte und gebrechliche Frau wurde vollständig gelähmt und sagte:,Hätte ich mich nur früher umgebracht, jetzt kann ich es nicht mehr.’ Auch die Sterbehilfe, die der Arzt Hackethal einer krebskranken Frau leistete, demonstriert die Schwierigkeit, in bestimmten Situationen geeignete Mittel zu fmden und anzuwenden (vgl. Spiegel Nr. 18, 1984 ).

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  21. Die Planungsvorkehrungen der Handelnden ließen sich auch als Indikatoren für eine bestimmte Suizidintention heranziehen, wie dies bei manchen Untersuchungen und Risikoskalen geschieht (vgl. z.B. Linden 1969; LASP-Skala).

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  22. Multivariate Verfahren allein genügen hier nicht, solange wichtige Einflußgrößen außer acht gelassen werden. Low et al. (1981) stellten in einer Zeitreihenanalyse für einen Zeitraum von 100 Jahren fest, daß die zeitweilige Verfügbarkeit von Kohlegas als Tötungsmittel in England zwar die weibliche Selbstmordrate beeinflußte, beim männlichen Selbstmordverhalten aber der Anteil Arbeitsloser weitaus wichtiger war. Arbeitslosigkeit steht aber in keinem konsistenten Zusammenhang zum weiblichen Selbstmordverhalten (vgl. Sainsbury et al. 1980). Andere Faktoren hätten daher kontrolliert werden müssen.

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  23. Es gibt einige Hinweise aus der Todesforschung und auch aus der anthropologischen Forschung, daß der Mensch beim Sterben — der Zeit bis zum Eintritt des Todes — nicht allein sein will (vgl. Kübler-Ross 1971 ). Wenn einem Selbstmörder wegen zu erwartender sozialer Interventionen, die bei einer Suizidintention unerwünscht sind, dies verwehrt ist, kann die Vertrautheit mit der sozialen Umgebung ein Ersatz sein.

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  24. Peterson (1975) führt als „Vorteile“, die weitere Anreizklassen repräsentieren, bei einem vorgetäuschten Kraftfahrzeugunfall an, daß diese Methode leicht zugänglich und geeignet ist, die Selbstmordabsicht zu verdecken, sowie eine mögliche Affektentladung während der Ausführung der Tat gestattet.

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  25. Linden erhebt z.B. zwei Faktoren des Mittelpotentials, einmal die Latenzzeit der angewandten Selbstmordmethode und zum anderen die soziale Situation über die Präsenz anderer Personen während der Selbstmordhandlung (Linden 1969). Beide Fakten sind als Komponenten des objektiven Mittelpotentials aufzufassen. Bedrosian und Beck (1979) erfassen in ihrer,suicidal-intent`-Skala die objektiven Umstände des Versuchs, Vorbereitung des Versuchs, Art der Ausführung, Umstände der Ausführung, Hinweise des Patienten, Ausmaß der Vorüberlegungen, Vorstellung von der Gefährlichkeit der gewählten Methode oder Ziel des Versuchs, Erwartungen bezüglich einer möglichen Rettung. Nach faktorenanalytischen Auswertungen an 188 Fällen konnten 4 Faktoren extrahiert werden: Einstellung gegenüber dem Versuch, Planung, Vorsichtsmaßregeln gegenüber einer Entdeckung und Kommunikation mit anderen. Sie könnten dem subjektiven und objektiven Mittelpotential zugerechnet werden, aber das subjektive Wissen über die physiologische Wirkung der angewandten Methode in Verbindung mit erwarteten sozialen Interventionen blieb dabei außer acht.

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  26. Linden (1969) stellte z.B. fest, daß nur 7,5% der Überlebenden durch Zufall gerettet wurden, während die restlichen Überlebenden selbst Hilfe suchten oder durch andere Personen gerettet wurden, deren Intervention als sehr wahrscheinlich eingestuft wurde. Linden hatte die Latenzzeit der gewählten Selbstmordmethode ermittelt und geprüft, ob andere Personen während des Suizidversuchs präsent gewesen waren, beides Indikatoren des objektiven Mittelpotentials. Die subjektive Einschätzung dieser Mittel im Hinblick auf ihre Eignung der Selbsttötung oder Selbstverletzung wurde dabei nicht erfaßt, insofern auch nicht die hier analytisch unterscheidbare Diskrepanz. Die Daten zum subjektiven Mittelpotential sind aber relativ trivial, so daß vorausgesetzt werden kann, daß sie mit dem erfaßten objektiven Mittelpotential übereinstimmen. Dafür spricht aber auch der häufig ähnlich ermittelte geringe Anteil sogenannter ernsthafter Selbstmordversuche, die als mißlungene Selbstmorde eingestuft werden (vgl. Böhme 1971, S. 114; Torhorst et al. 1983; Maris 1981, S. 270 ).

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  27. Feldman (1968) aggregiert z.B. unterschiedlich neuartige Reize bei gleicher evaluativer Potenz nach der Osgoodschen Dimension.

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  28. Aus der Einstellungsforschung ist bekannt, daß zentrale Wertvorstellungen aufgrund unwahrscheinlicher diskrepanter und sehr wahrscheinlicher kongruenter Veränderungen zu extremeren Einstellungen führen (vgl. Krech und Crutchfield 1962, S. 220 ). Suizidäre Wert-Erwartungs-Bilanzen sind durch einen hohen Anteil zentraler Wertvorstellungen gekennzeichnet. Auch danach würde ein Summationsmodell die stärkeren Auswirkungen auf Einstellungen und Verhalten adäquater abbilden. Als Aggregierungsregel ließe sich daher eine Beziehung zwischen der Anreizdimension Zentralität und einer additiven Verknüpfung dieser Anreize postulieren.

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  29. Dies zeigt sich am Beispiel jüngster ökologischer Untersuchungen zur räumlichen Verteilung der Selbstmordversuche in Stadtbezirken (vgl. Welz et al. 1978 ). Hier änderte sich die Verteilung der Suizidversuche und auch einzelne Zusammenhänge zwischen Selbstmordhäufigkeit und sozio-demographischen Merkmalen bei jedem Wechsel der räumlichen Untersuchungseinheit, was einer fortlaufenden Falsifizierung des ökologischen Ansatzes gleichkommt. Sie läßt kaum den vom Autor propagierten Schluß zu, daB die kleinste und zuletzt untersuchte Einheit — es waren einzelne Straßenzüge — nun die,richtige` Struktur erkennen ließe und die Straße als,Ansteckungsmedium` fungieren würde. Möglicherweise wären auf der kleinsten,niedersten` Ebene, der individuellen Ebene, die der Autor nicht untersucht, wieder andere Verteilungen,zutage` getreten. Das Scheitern dieser ökologischen Untersuchung wäre allerdings unter Einbeziehung theoretisch relevanter Variablen — wie dies die ökologische Untersuchung auf der Grundlage des ökonomischen Ansatzes — allerdings mit kritikwürdigen Annahmen — versucht (vgl. Hamermesh und Soss 1974) bei gleichzeitiger statistischer Schätzung des möglichen ökologischen Fehlschlusses vermeidbar gewesen (vgl. Abschnitt 2.2. 1. 2 ).

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  30. Es handelt sich dabei um eine detaillierte Studie an einem relativ großen Sample von 458 Abschiedsbriefen, die Selbstmörder hinterlassen hatten. Ungeklärt sind dabei trotz der Größe des Samples die Probleme der Verzerrung bei der Auswahl von Personen (vgl. Braun 1971, S. 87ff.). Tuckman et al. stellten z.B. fest, daß nur in 24% der registrierten 742 Todesfälle Selbstmordnotizen aufgefunden wurden und die Ausfälle sich nicht im Hinblick auf eine Reihe von Variablen wie Alter, Geschlecht, Rasse, Beschäftigung, Zivilstand, medizinische Vorgeschichte von den Personen, die keinen Abschiedsbrief zurückließen, unterschieden hatten (vgl. Tuckman et al. 1960, dagegen Loosen 1969). Dies spricht jedoch nur dann für eine unverzerrte Auswahl, wenn die kontrollierten Variablen relevant sind, d.h. in einer bedeutsamen Beziehung zu kritischen Variablen der Untersuchung über Selbstmord stehen.

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  31. Trotz erhöhter Suizidgefahr unter dem Patientenkollektiv psychiatrischer Krankenhäuser — der Anteil von Geisteskranken unter Selbstmordversuchern wird auf 5–15% geschätzt (Linden 1969; Gibbs 1963), er variiert aber sehr stark von 5,8% bis 50% (Linden 1969) bzw. nach einer Statistik von Sainsbury von 6,6% bis 85% (Sainsbury 1955 ) — kann nach offensichtlich wenig reliablen Diagnostiken nicht davon ausgegangen werden, daß Geisteskrankheiten als biologische Anomalien eine notwendige Bedingung für das Auftreten von Suizidhandlungen darstellen. Das ergibt sich z.B. aus einem interkulturellen Vergleich der Selbstmordversuchshandlungen unter amerikanischen Minderheiten, den Navajo-Indianern und Negern. Während Selbstmordversuche unter Negern sehr selten vorkommen, grassieren Selbstmordversuche unter Navajo-Indianern, manisch-depressive Krankheiten scheinen aber unbekannt zu sein. Hingegen sind ein exzessiver Alkoholkonsum und auch reaktive Depressionen zu beobachten, beides Verhaltensweisen, die mit spezifischen Gebräuchen und Werthaltungen des Indianerstammes harmonieren (vgl. Shore 1974 ).

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  32. Auch Sterbehilfebefürworter der Gegenwart gehen von der Absurdität des menschlichen Lebens aus. Negative Einstellungen zum Weiterleben sind hier vorherrschend (vgl. Améry 1979, S. 171 ).

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  33. Die meisten Psychoanalytiker, auch Menninger, stehen dem Todestrieb kritisch gegenüber, ohne daß jedoch auf diese Vorstellung verzichtet würde: „Um die klinischen Fakten völlig zu erklären, sind wir gezwungen, einen undifferenzierten Anteil des ursprünglichen Stroms selbstzerstörerischer Energie (Todestrieb) zu postulieren, der sich von dem getrennt hat, der einerseits in nach außen gerichtete Aggression im Dienst der Selbsterhaltung, andererseits in Gewissensbildung umgewandelt wurde“ (Menninger 1974, S. 96). Der Wunsch zu sterben, ist nach Zilboorg besonders bei Selbstmorden unter den primitiven Völkern ausgeprägt und stelle eine Identifizierung mit toten Personen wie auch eine Erfüllung des Wunsches, unsterblich zu sein, dar (vgl. Zilboorg 1936, S. 1369). Ein ausgeprägter Narzißmus, also eine schwache Ich-Organisation, wäre dafür verantwortlich zu machen und zeige sich vor allem bei Jugendlichen, Alten und unter primitiven Völkern (vgl. Zilboorg 1937, S. 28/29). Die dritte präsuizidale Komponente bei Ringel (1953, 1969), die Flucht in die Irrealität, ist gleichfalls diesem,Motiv` zuzuordnen. Eine Rekonstruktion der logischen Struktur dieser Aussagen — übrigens auch der Aussagen über den Aggressionstrieb, dessen Beteiligung zur Aufrechterhaltung des menschlichen Systems über die Erfüllung einer notwendigen Bedingung — der Introjizierung eines verlorengegangenen Liebesobjektes — realisiert werde — deckt die Schwächen der funktionalistischen Aussagen auf, die eine empirische Überprüfung weitgehend nicht zulassen (vgl. Braun 1971, S. 92ff.).

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  34. Als Beispiel seien die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zum Thema Erben und Testamentsverfügung aus dem Jahre 1983 aufgeführt. Sie dokumentiert infolge der verwandten Verhaltensindikatoren eine non-reaktiv gemessene Einstellung zum Tode. Danach wußten nur 41% der Befragten in der BRD Bescheid über gesetzliche Erbvorschriften, obwohl eine Mehrheit von 62% unabhängig vom Alter es wichtig fand, ein Testament zu machen. Nur eine Minderheit hatte aber bereits ein Testament gemacht (22% insgesamt). 7% standen der Abfassung eines Testaments aus verschiedenen Gründen (z.B. bereits der Gedanke flößt Unbehagen ein) ablehnend gegenüber und 14% glaubten, daß die gesetzliche Regelung ausreichen würde, obwohl der hohe Anteil von Falsch-Informierten und von Befürwortern eines Testaments weniger auf Desinteresse als auf Tabuisierung und negative Einstellung gegenüber dem Tod schließen läßt (Kapital 1983, Nr. 10).

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  35. So wird eine Patientin zitiert: „Fragt mich nicht, warum ich sterben möchte, besäße ich mehr Kraft, würde ich euch auffordern, mir zu sagen, weshalb ich leben soll. Aber jetzt frage ich nur mich und selbst das ist schwer, wenn man von vornherein überzeugt ist, daß der Tod vorzuziehen ist“ (Menninger 1974, S. 93). Genausowenig sind die Daten von Farberow und Shneidman (1957, S. 41ff.) geeignet zu belegen, daß der Wunsch zu sterben als positiv antizipierte Konsequenz der Suizidhandlung aufzufassen wäre. Die Autoren fanden, daß der Wunsch zu sterben bei Männern und Frauen mit steigendem Alter zunehme, der Selbstmord aus Feindseligkeit und Aggressionstrieben hingegen auf allen Altersstufen gleichmäßig verteilt wäre. Das Sample bestand aus Patienten eines Krankenhauses, deren Äußerungen Hoffnungslosigkeit bzw. Tadel zum Ausdruck brachten, die als Indikatoren far den Wunsch zu sterben bzw. den Wunsch zu töten, verwendet wurden. Abgesehen von der fragwürdigen Vorgehensweise einer nachträglichen Kategorisierung ist Hoffnungslosigkeit kaum — es sei denn als Erklärung für das zu erklärende Ereignis — als Indikator für den als positives Energiepotential aufgefaßten Wunsch zu sterben anzusehen. Viel eher repräsentiert die Hoffnungslosigkeit, welche tatsächlich bei Suizidenten häufig beobachtet wird, negative Erwartungen bezüglich alternativer Handlungsmöglichkeiten.

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  36. Eine Darstellung und kurze methodische Kritik dieser neueren Untersuchung von Maris (1981) findet sich im Anhang, da im Laufe dieser Arbeit mehrfach darauf Bezug genommen wird. Obwohl diese methodische Kritik die Aussagekraft der Ergebnisse schwächt, ist es doch der erste umfassendere Versuch, Suizidenten mit Suizidversuchem auf der Grundlage einer allerdings wenig glücklich gewählter Kontrollgruppe — Personen, die eines natürlichen Todes starben — miteinander zu vergleichen.

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  37. Damit wird nicht behauptet, daß individuelle Erfahrungen mit neuen oder bekannten Situationen generell irrelevant wären. In einer Untersuchung über die Kommunikatorwirkung in neuen Situationen reagierten hoch neugiermotivierte Personen anders als Personen mit geringer ausgeprägtem Neugiermotiv. Neugierigere Personen ließen sich in ihrer Meinung über ein neues Einstellungsobjekt,Kabelfernsehen` weniger beeinflussen und standen den Kommunikatormeinungen kritischer gegenüber als weniger neugierige Personen (vgl. Lindner-Braun 1976, II, S. 251–315). Bei extremer Ausprägung der Anreizwertparameter Neuheitsgrad und Zentralität könnte man aber vermuten, daß individuell abweichende Wahrnehmungen zu vernachlässigen sind.

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  38. Heutige Diskussionen zur Sterbehilfe und Ethik des Selbstmordes erinnern an die Vorstellungen der Kyniker (vgl. z.B. Améry 1979).

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  39. So wurden in einem Dekret in Nürnberg aus dem Jahre 1702 Sonderanweisungen zum indirekten Selbstmord erlassen, die allerdings eine Zunahme des direkten oder indirekten Selbstmords nicht verhindern konnten ( Kleinschrod in: Dubitscher 1957, S. 11 ).

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  40. In den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt sind lediglich religiöse Sekten, die Selbstmord predigten oder in religiöser Ekstase Massenselbstmord begingen, bekannt geworden (vgl. Amelunxen 1962 ). Massenselbstmord oder Selbstmord in sozialen Gruppen ist dem altruistischen Selbstmord zuzuordnen, der den Werthaltungen der übrigen Gesellschaftsmitglieder entspricht (vgl. Abschniu 3.1. 3. 23 ).

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  41. Im Text steht Akyeame, richtig muß es wohl Okyeame heißen, der Stammessprecher oder Häuptling (S. 279).

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  42. Diese Zusatzannahmen — Übereinstimmung der Einstellungen, wie sie in den Glaubens-und Gesetzestexten zum Ausdruck kommen, mit den Adressaten dieser Aussagen (1) sowie Handlungen, die im Einklang mit diesen Werthaltungen stehen (2) und drittens muß man hinzufügen die Wahrnehmung dieser Einstellungen und korrespondierende Handlungen beim Suizidgefährdeten (3) — demonstrieren die Schwierigkeit, an Hand historischer Daten gültige empirische Aussagen zu machen.

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  43. -54 betrug die männliche Selbstmordrate für England und Wales 18,5%, in den Jahren nach der Abschaffung 1961–63 18,3% (WHO 1968, S. 69). Die weibliche Selbstmordrate erhöhte sich zwar geringfügig, dies ist aber typisch für viele westliche Industrienationen (z.B. USA, Australien, Finnland, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Neuseeland, Schweden, vgl. Al, Tab. 1, 2 ).

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  44. Frauen würden sich danach wegen befürchteter Sanktionen von einem tödlich endenden Selbstmord abhalten lassen, trotz befürchteter Sanktionen jedoch einen nicht-fatalen Selbstmordversuch vermehrt begehen. Es wäre auch der Umstand zu erklären, daß Frauen in zunehmendem Maße selbstmordgefährdet sind, wie eine regressionsanalytische Trendanalyse von Diggory (1976) nahelegt. Auch die in anderen Ländern beobachtete Zunahme des Selbstmords unter Frauen (vgl. Newman et al. 1973, ebenso Preiß 1968 für die DDR) kann als verändertes geschlechtsspezifisches Selbstmordverhalten kaum mit einer simultanen Abschwächung von Selbstmordverboten in Zusammenhang gebracht werden.

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  45. Vgl. zum Begriff Internalisierung von Normen Opp 1983, S. 218, Popitz 1980 und Abschnitt 4.3.2.1.1 zur moralischen Sozialisation.

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  46. Die differentielle Assoziationstheorie von Akers (1977) wird als erfolgversprechende Fortentwicklung der Theorie von Sutherland und Cressey (1974) angesehen (vgl. Cressey und Ward 1969; Opp 1974, S. 158), die Akers mit Hilfe lerntheoretischer Aussagen zu präzisieren versucht und vor allem nicht nur auf kriminelles Verhalten, sondern auf die bekanntesten Formen abweichenden Verhaltens — auch den Selbstmord — anzuwenden versucht. Im Bereich kriminellen Verhaltens hat die äußerst einflußreiche Theorie — Fox ( 1976, S. 102ff.) zählt im Jahr 1970 allein mehr als 70 Veröffentlichungen — zahlreiche empirische und theoretische Arbeiten hervorgebracht, die den paradigmatischen Charakter der Theorie dokumentieren. Trotz berechtigter Kritik an dem Ansatz — erwähnt sei vor allem die unzureichende Präzisierung der zentralen Konzepte und die Tatsache, daß Kontakte allein das Lernen relevanter Einstellungen und relevanten Wissens für abweichendes Verhalten nicht erklären können— besitzt die These, daß abweichendes Verhalten nicht zufällig entsteht, auch nicht angeboren ist, sondern in einem sozialen Lemprozeß allmählich verstärkt wird, die meiste empirische Evidenz. Matsueda (1982) weist z.B. einen direkten Effekt auf Rationalisierungen kriminellen Verhaltens auf Kriminalität und einen indirekten Effekt sozialer Kontrolle durch die Institutionen Schule und Familie in einer pfadanalytischen Sekundäranalyse mit simultanen Validitätsschätzungen nach, was einem,crucial experiment’ zugunsten der differentiellen Assoziationstheorie und zu Lasten der Kontrolltheorie von Hirschi nahekommt.

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  47. Die zweite Bedingung wird als stellvertretend erlernte Problemlösung bezeichnet. Sie folgt nicht logisch aus der allgemeinen Theorie über abweichendes Verhalten (vgl. Akers 1977, S. 42; Lindner-Braun 1980 ). Bei einer Präzisierung und sinnvollen Nutzung dieses Konzepts ist die Einführung mentaler Konzepte unumgänglich. Auch hier — wie bei der Präzisierung der Rationalisierungsdefinitionen — müssen die behavioristischen Grundannahmen aufgegeben werden.

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  48. Vgl. zur Kritik lerntheoretischer Einstellungstheorien von Staats und Staats (1967), aber auch der komplexeren Einstellungstheorie von Weiss, die auf der Hullschen Lerntheorie beruht, Lindner-Braun ( 1976, S. 107ff., S. 121–157 ).

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  49. Ball (1983) konzeptualisiert unter anderen Definitionen Rationalisierungen als MiBerfolgserwartungen bezüglich schulischer Leistungsergebnisse. Solche Erwartungen sind bei einer empirischen Untersuchung dann konfundiert mit evaluativen Komponenten, z.B. Wertvorstellungen, und können sich daher in ihrer Wirkung aufheben.

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  50. Im Gegensatz zur Sozialisationsdefizitthese (vgl. z.B. Glueck und Glueck 1940; Rosen 1968), aber auch zur Anomietheorie wird daher implizit von einer Internalisierung der Normen, die abweichendes Verhalten verbieten, ausgegangen, es sei denn, die Rationalisierungen würden nach Auffassung der differentiellen Assoziationstheorie lediglich geäußert, um befürchtete Sanktionen abzuwehren. Es wären dann Schutzbehauptungen, die nur unter Kontrolle äußerer Situationen — mit konträren Sanktionen oder variierenden Sanktionsreaktionen — von den intemalisierten Rationalisierungen zu unterscheiden wären. Theoretisch wäre eine Unterscheidung beider Rationalisierungen über die Art der minimierten negativen Konsequenzen möglich, nämlich solchen, die mit und solchen, die ohne negative Sanktionen anderer Personen verbunden wären. Definitionsgemäß handelt es sich im erstem Fall um extrinsische Rationalisierungen, die an antizipierte Reaktionen anderer Personen gebunden sind, und um intrinsische Rationalisierungen, wenn die Handlung einer Person unabhängig von der Handlung anderer Personen Konsequenzen, z.B. bei moralischen Zielen, für den Handelnden hat.

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  51. Vgl. zum Begriff und der Wirkungsweise von verdeckten oder vorgestellten Belohnungen Cautela (1970). Das Argument, daß der fehlende Realitätscharakter über die reduzierte subjektive Wahrscheinlichkeit moralischer Kosten die Suizidtendenz kaum beeinflussen wird, bleibt davon unberührt, d.h., beide Annahmen könnten gleichzeitig wirken.

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  52. Den normativ-ethischen Fragen kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Sie sind aber als politische Implikation auf der Grundlage explikativer Aussagen einer rationalen Überprüfung zugänglich, wenngleich wissenschaftlich nicht zu entscheiden (vgl. Albert 1975, S. 13ff.). Alle hier untersuchten alternativen Konsequenzen der suizidalen Handlungen und der Handlungsalternativen stellen priifenswerte Argumente dar, die für oder gegen Selbstmord sprechen und als Hypothesen objektiv überprüfbar sind.

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  53. Die Schilderungen der individualistischen Erscheinungsformen seiner Selbstmordtypen stehen im Widerspruch zu seinem methodologischen Programm, ausschließlich soziale und nicht-psychologische Ursachen nachzuweisen (vgl. Braun 1971, S. 41ff.). Interessant ist jedoch, daß sich nach dieser Interpretation in der individualistischen,Beschreibung` der Selbstmordfälle zusätzliche Bedingungen entdecken lassen. Wenn man den egoistischen Selbstmord wie auch den anomischen Selbstmord verkürzt auf der individualistischen Ebene als den Mangel an attraktiven Handlungsalternativen interpretiert (vgl. hierzu ausführlich Abschnitte 2.2.2.2 u. 4.2.1.1), d.h., soziale und auch materielle Anreize werden aus der Sicht einzelner in einer Gesellschaft unwahrscheinlich, läßt sich diesen Ausführungen der Hinweis auf positive Attraktivitäten der Selbstmordhandlung entnehmen.

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  54. Über die gesellschaftliche Verbreitung altruistischer Wertvorstellungen ist angesichts der erst in den letzten Jahren forcierten Forschung auf diesem Gebiet — z.B. über die prosoziale Wirkung der Massenmedien (vgl. McQuail 1983, S. 222 und zusammenfassend Berkowitz 1972) — wenig auszusagen.

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  55. Nach dem deutschen Versicherungsvertragsgesetz muß bei einem Selbstmord des Versicherten die Versicherungssumme ausbezahlt werden, wenn „die Tat in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist“ (vgl. VVG § 169). Das Selbstmordrisiko wird aber versicherungsmathematisch nicht berücksichtigt (vgl. Doll 1959, S. 24), obwohl die Selbstmordrate von Versicherungsnehmern höher ist als die der übrigen Bevölkerung (Doll und Gabler 1959, S. 363). Selbst wenn man annehmen würde, daß sich unter den Versicherungsnehmern mehr Suizidgefährdete — im Vergleich zur übrigen Bevölkerung — befinden, kann die Relevanz altruistischer Wertvorstellungen als notwendige Bedingung für die Herausbildung vor Suizidtendenzen damit nicht nachgewiesen werden. Dagegen spricht erstens die relative Seltenheit des Suizids unter Versicherungsnehmern und auch die Tatsache, daß nur eine Minderheit unter den Selbstmördern eine Lebensversicherung abschließt (vgl. Raestrup 1982 ). Zweitens könnte, selbst wenn Suizidgefährdete die Lebensversicherung unter dem Gesichtspunkt des Nutzens für die Hinterbliebenen abschließen würden, die hier vermutete beitragende Wirkung dieser Zielvorstellung insofern nicht widerlegt werden, als dieser Nutzen von den potentiellen Selbstmördern lediglich in Kauf genommen wurde, — angesichts einer wahrgenommenen Aussichtslosigkeit durch alternative Handlungen diese altruistischen Ziele zu befriedigen. Andererseits stellt die „Versorgung” von Angehörigen über Versicherungsprämien nur ein möglicher Nutzen dar, der beim Nutzenstifter altruistischer Ziele befriedigt. Den Angehörigen könnten durch den Suizid weitere Vorteile erwachsen, die der Selbstmörder mit seinem Suizid anstrebt, die aber natürlich durch das Beispiel der Lebensversicherungen nicht erfaßt sind, z.B. die Entlastung von Angehörigen bei Krankheit des Suizidgefährdeten.

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  56. Vgl. zur Darstellung der Durkheimschen Theorie, seiner empirischen Untersuchung und des Erkenntnisprogramms Braun ( 1971, S. 41–63). Eine erweiterte Interpretation insbesondere der Anomietheorie von Durkheim erfolgt im zweiten Teil der Arbeit, nachdem über die Formulierung von Anschlußtheorien insbesondere eine Verbindung von Integration und Anomie durch die Annahme sozialer Beeinflussung von Anspruchsniveausetzungen, die als Ursache von Anomie anzusehen sind, möglich wird (vgl. Abschnitte 2.22.2 und 4.2. 1. 1 ).

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  57. Damit ist jedoch keinesfalls die These von Akers (1977) bestätigt, wonach ein tödlich endender Selbstmordversuch, dem nicht-tödlich endenden Selbstmordversuche vorausgegangen waren, deswegen zum Tode führen würde, weil die Gefährlichkeit der angewandten Selbstmordmethode gesteigert worden wäre, mit dem Ziel, sich die soziale Aufmerksamkeit der Interaktionspartner zu erhalten. Diese Hypothese scheint vielmehr auf einer falschen Annahme über die Veränderung der sozialen Aufmerksamkeit bei wiederholten Selbstmordversuchen zu beruhen: Die soziale Aufmerksamkeit scheint bei wiederholten, auch gefährlicheren Selbstmordversuchen abzunehmen. Dann aber haben sich die Belohnungskontingenzen geändert. In kognitiven Termen ausgedrückt, bedeutet dies, daß die subjektive Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Erlangung sozialer Aufmerksamkeit durch suizidales Verhalten drastisch gesunken ist und die positive Suizidversuchstendenz sich nach motivationstheoretischen Überlegungen wegen dominierend negativer Tendenzen der Handlungstendenzen in eine schwächer ausgeprägte negative Tendenz zum Suizid wandelt. Das tödliche Ende einer suizidären Karriere wäre dann nicht zufallsbedingte Konsequenz einer gefährlicheren Suizidmethode, sondern ein intendierter Suizid aufgrund veränderter Wert-Erwartungs-Matrizen. Die oben geschilderten Untersuchungsergebnisse über die Abnahme selbstpunitiven Verhaltens bei verminderter sozialer Aufmerksamkeit der Interaktionspartner widerspricht dieser These solange nicht, solange die Handlungsaltemativen und deren Belohnungs-bzw. Bestrafungskontingenzen nicht konstant gehalten werden, und solange die subjektive Wahrscheinlichkeit hinsichtlich erhoffter sozialer Aufmerksamkeit als Folge des selbstpunitiven Verhaltens nicht erfaßt wird (vgl. Abschnitt 6).

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  58. In den Experimenten zum Meidungslernen wird u.a. ein artspezifisches Verhaltensrepertoire dafür verantwortlich gemacht; eine Variable, die sich auf den humanen Bereich übertragen läßt und individuelle Erfahrungsgeschichten oder Prädispositionen wie auch individuelle Fähigkeiten widerspiegeln könnte. Auch bei der Erklärung aggressiven Verhaltens kann auf die Einführung von,Persönlichkeitsvariablen` im weitesten Sinne, d.h. auf Bedingungen, die die Selektion und Wahrnehmung von situativen Reizen bestimmen, nicht verzichtet werden. Bandura und Walters gehen dabei z.B. von dominanten Reaktionshierarchien aus, die Persönlichkeitscharakteristika repräsentieren (vgl. Bandura und Walters 1963, S. 135ff.). Im vorliegenden Ansatz werden auf der Erklä-

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  59. Bunge spricht bereits den Thesen vom universellen Aggressionstrieb, der sich in aggressiven Handlungen, z.B. Selbstmord äußert, pseudowissenschaftlichen Charakter zu, weil das zu erklärende Ereignis,Aggressionshandlungen` mit einem unbekannten Namen, dem,Aggressionstrieb`, erklärt wird: „Why people often fight against each other? Because they have an aggression instinct“ (Bunge 1967, S. 10). Opp (1976, S. 298) bezeichnet diese Argumentation als reflexive.

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  60. Mit Zirkelschlußerklärungen eng assoziiert sind Immunisierungen gegenüber der Erfahrungswelt, die auch alternative theoretische Ansätze einschließen. Karpman (1947, S. 239; vgl. auch Zilboorg 1937, S. 21) behauptet, daß z.B. die Umgebung — das sind soziologische Faktoren — nur Latentes zum Vorschein bringen kann und latent sind eben die Triebe und emotionalen Kräfte, die die menschliche Aktion bewirken.

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  61. Vgl. dazu ausführlicher Braun 1971, S. 97f.

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  62. Ähnlich unbefriedigend in methodischer Hinsicht ist die Untersuchung, die Ringel (1961) im Jahre 1959 an 50 Angehörigen von Selbstmördern durchführte. Obwohl diese Verfahren — neben inhaltsanalytischen Methoden der letzten Mitteilungen von Selbstmördern — in einem geeigneten Design wertvolle Daten über Selbstmörder hätte liefern können, ist die Aussagekraft der ausgewerteten Daten mehr als fraglich, weil von 443 erfaßten Fällen nur 50, also 11%, in die Auswertung eingingen. Über die Ausfälle von 89% berichtet der Autor ebensowenig wie eine Beschreibung des Erhebungsinstruments vorliegt. Die Schlußfolgerungen von Ringel sind daher wenig überraschend: „In allen 50 Fällen der Untersuchungsserie war eine psychische Erkrankung als zugrunde liegende Ursache des Selbstmords zu erheben. Damit ist neuerlich der Beweis erbracht, daß es sich beim Selbstmord in der Regel um das Symptom einer psychischen Erkrankung handelt. Somit muß es_ als problematisch bezeichnet werden, vereinzelt gegebene Ausnahmen von dieser Regel zu überwerten“ (Ringel 1961, S. 139 ).

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  63. Im Einklang mit dieser vermuteten unterschiedlichen Reaktion der Interaktionspartner auf suizidales Verhalten und Alkohol-und Drogenkonsum stehen die bereits erwähnten empirischen Befunde, wonach Frauen und jüngere Personen nach Suizidversuchen erhöhte Aufmerksamkeit erfahren (vgl. Abschnitt 3.23.1.1), und nach denen Alkoholikerinnen meist in häuslicher Abgeschiedenheit und nicht in öffentlichen Lokalen trinken (vgl. Cahalan und Cisin 1976 ).

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  64. Vgl. hierzu ausführlicher Braun 1971, S. 142ff. und zur Diskussion der Ableitungen Vetter 1970a, b und Braun 1971a.

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  65. Eine Darstellung der Kontroverse in der Psychologie um die relative Bedeutung situativer Variablen und Persönlichkeit Emdet sich in Bowers 1973 und Heckhausen 1980, S. 4ff. Den Ergebnissen dieser Auseinandersetzung kommt angesichts der Dominanz situationistischer individueller Verhaltenstheorien in der Soziologie eine Modellfunktion zu. Ohne auf die einzelnen Argumente — vor allem hinsichtlich der Sample-Auswahl — an dieser Stelle eingehen zu können, ergaben sich aufgrund durchschnittlicher Varianzen 10% Varianzanteile für situative Variablen, 12% für Persönlichkeitsvariablen und 20% entfielen auf die Wechselwirkung beider Variablentypen.

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  66. Die multiplikative Verknüpfung von Motivstärken und erwarteten Anreizen impliziert eine Interaktionswirkung, nach der bei zunehmender Motivstärke einer Verstärkung negativer Anreize und negativer Erwartungen folgt: Bei Personen mit ausgeprägter MiBerfolgsmotivation wird die Wirkung induzierter negativer, also zu meidender Zielvorstellungen und deren Wahrscheinlichkeiten intensiviert. Die resultierende negative Handlungstendenz bei hoch Mißerfolgsmotivierten wird daher abhängig von der Stärke des negativen Leistungsmotivs und einer durch die Interaktion verstärkten Wirkung der erwarteten, aber zu meidenden Anreize erhöht. Diese Annahmen gestatten die Ableitung von Aussagen über die Verlaufsform der,Präferenzen` für Wahrscheinlichkeiten. Hoch Erfolgsmotivierte zeigen bei mittleren Wahrscheinlichkeiten, also einem mittleren Risiko für die erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe, maximale Aufsuchungstendenzen. Umgekehrt ist bei MiBerfolgsmotivierten die Meidungstendenz, die als Präferenz für ein Risiko bezeichnet werden kann, bei mittlerem Risiko am höchsten. Bei schwierigen oder leichten Aufgaben, d.h. hohen oder geringen MiBerfolgswahrscheinlichkeiten, ist die resultierende Meidungstendenz am kleinsten. Diese Theoreme werden in Nachfolgeuntersuchungen insoweit empirisch bestätigt, als positiv Leistungsmotivierte mittleres Risiko, das sind gleichzeitig auch realistische Zielsetzungen, am meisten schätzen und negativ Leistungsmotivierte dieses am meisten ablehnen (vgl. Heckhausen 1980, S. 387 ).

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  67. Personen mit einem stark ausgeprägten Affiliationsmotiv sind eher als Personen mit einem gering ausgeprägten Affiliationsmotiv auf die Etablierung und Aufrechterhaltung und Wiedergewinnung positiver Beziehungen zu anderen Personen bedacht (vgl. Atkinson 1964, S. 227). Zuerst in seiner negativen Form von Shipley und Veroff als,Furcht vor Zurückweisung` erfaßt, entdeckte Mehrabian auch das positive Gegenstück (vgl. Mehrabian und Ksionzky 1974, S. 143 ).

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  68. Das erst in den letzten Jahren ausführlicher erforschte Machtmotiv (vgl. McClelland 1975, S. 77) repräsentiert als vorherrschendes Gefühl in seiner positiven Form das Gefühl stark zu sein und beinhaltet das Bestreben, andere zu beeinflussen: nicht Leistungs-, sondern Status-und Positionsorientierung ist dominant (vgl. Veroff 1982, S. 108). Auch hier wurde zunächst eine negative Form untersucht als Furcht vor,Demütigung’, die jemand in einer Statusposition erfährt, die Scham wegen der Unfähigkeit, sich selbst zu behaupten oder dominant zu werden, oder das Bemühen, den Einfluß anderer abzuwehren (vgl. Veroff 1958, S. 109f.), während Winter (1973) das Machtmotiv als positives Motiv mit der,Hoffnung auf Macht’ erforschte.

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  69. In verschiedenen neueren Kritiken wird dieser Mangel thematisiert. Chester und Stewart (1982) stellen fest, daß bei der Messung von Macht-und Affiliationsmotiven diese Anregungsbedingungen ungenügend expliziert sind, ebenso wie hoch-leistungsmotivierte Frauen unter anderen Anregungsbedingungen identifizierbarer sind als Männer. Veroff (1982, S. 110) und auch Stewart und Chester verweisen auf die Bedeutung geschlechtsspezifischer Rollenmuster bei der Untersuchung von Motiven: „… sex-role values may indeed make a difference, not only in the arousal of the motive but in its expression in behavior. It may be that sex-role orientation, or education…, or other direct and indirect indicators of personal values are important moderators of the achievement — work behavior relationships for both sexes“ (Stewart und Chester 1982, S. 187). Geschlechtsspezifische Variationen in den Anregungsbedingungen, aber auch in den Verhaltenskorrelaten der Motive offenbaren diese mangelnde theoretische Ausarbeitung, auf die auch Atkinson verweist, indem er zur verstärkten Untersuchung der Verhaltenskonsequenzen unterschiedlicher Motivstärken auffordert (vgl. Atkinson 1982, S. 19 ).

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  70. Vgl. zur Ableitung der empirischen Generalisierungen aus allgemeinen Aussagen Braun 1971, S. 152ff.

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  71. Wenn negativ Machtmotivierte in stärkerem Maße suizidgefährdet sind als nicht negativ Machtmotivierte und unverheiratete und ältere Männer eine erhöhte Selbstmordrate aufweisen, dann müßten ältere Männer und auch unverheiratete Männer eine höhere negative Machtmotivation besitzen. Die Untersuchung von Veroff belegt eindrucksvoll diese anzunehmende Verteilung der Machtmotivation nach Geschlecht, Alter und Zivilstand: Unverheiratete Männer sind in stärkerem Maße negativ machtmotiviert. 1m vierzigsten Lebensjahrzehnt — dem ersten Höhepunkt der männlichen Selbstmordrate — steigt die negative Leistungsmotivation und die negative Machtmotivation von Männern bei gleichzeitigem Abbau der positiven Leistungsmotivation an. Der Anteil negativ Machtmotivierter ist unter den 65jährigen Männern an höchsten. So wird die Zunahme der Selbstmordrate von Männern mit fortschreitendem Alter begleitet von einer Zunahme negativer Motivstärken — der Furcht vor Schwachheit und der Furcht vor Mißerfolg (vgl. Veroff 1982, S. 106 ).

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  72. Personen, die Furcht vor Zurückweisung hatten, mieden nicht soziale Kontakte, sondern bevorzugten Personen, die einen geringeren Status als sie selbst hauen (vgl. Mehrabian 1971 ), bzw. sie gingen nur dann auf andere Personen zu, wenn gegenseitige Beliebtheit angenommen wurde (vgl. Fishman 1966 ). Diese Befunde lassen nicht nur vermuten, daß auch positive affiliative Anreize angestrebt wurden, wenn affiliative Motive angeregt wurden, sondern sie könnten auch die Annahme spezifischer Anspruchsniveaupräferenzen, wie sie für negativ Leistungsmotivierte festgestellt wurden, belegen. Solche affiliativen Kontakte würden danach angestrebt, die sicheren Erfolg versprechen und daher einer Präferenz für leichte Aufgabenstellungen vergleichbar sind.

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  73. Heckhausen regt eine,Aufspaltung des summarischen Motivkonstrukts` an, ohne allerdings den logischen Status dieser Aufspaltung zu klären (vgl. Heckhausen 1980, S. 564ff.).

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  74. Da Rotter nicht die vier Weinerschen Kausalfaktoren unterscheidet, kann auch nicht nach den beiden intemalen bzw. extemalen Faktoren differenziert werden. In der Konzeptionalisierung seines Konstruktes werden ohnehin dauerhafte internale und variable externale besonders herausgestellt (Roher 1966, S. 1). Hält man nur internale bzw. extemale und nicht stabile Kausalattribuierungen verantwortlich für nachfolgende Erwartungsänderungen, wie dies Rotter unterstellt, ergeben sich kontroverse Aussagen für die Attribuierungspaare Anstrengung (internal, aber variabel) und Aufgabenschwierigkeit (external, aber stabil). Bei einem Entscheidungsexperiment von Weiner et al. (1976) ist hinsichtlich der Rate der unterschiedlich prognostizierten Erwartungen keine der Theorien erfolgreich, es bestätigt sich aber eine höhere Anfangserwartung bei stabilen Attribuierungen (vgl. hierzu die modifizierte graphische Darstellung der Untersuchungsergebnisse nach der Höhe und der Veränderung der Erfolgserwartung in Abhängigkeit der Zahl der Erfolge und der Attribuierungsdimensionen Stabilität und Intemalität (Heckhausen 1980, S. 528, Abb. 11.8). Da Anstrengung auch als stabiler Faktor interpretierbar ist, bliebe die Aufgabenschwierigkeit als extemaler, aber stabiler, andauernder Kausalfaktor in seinem Einfluß auf Erwartungen von Interesse.

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  75. Vgl. Weiner und Kukla (1970) und zusammenfassende Literaturangaben für gleich-lautende Untersuchungsergebnisse in der Schweiz, USA, Indien, Persien in Heckhau-sen 1980, S. 541.

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  76. Begabung und nicht Anstrengung als affektwirksame Attribuierung fanden Meyer (1970 in: Weiner et al. (1972); Nicholls (1975) und Heckhausen (1978) bestätigt. Weiner und Kukla (1970) hingegen Anstrengung und nicht Begabung. Deren Versuchsteilnehmer hatten jedoch den Erfolg bzw. den Mißerfolg nicht selbst erlebt, sondern ihn sich lediglich vorgestellt.

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  77. Die untenstehende Tabelle demonstriert die Attributionsasymmetrie, die hier motivgebunden ist, deutlich: Zufallsbestimmt erleben Mißerfolgsmotivierte ein erfreuliches Ereignis, den Erfolg — die Zufallsattribuierung ist größer als die Begabungsattribuierung —, der Mißerfolg hingegen wird als Folge fehlender Begabung angesehen. Umgekehrt die hoch Leistungsmotivierten: sie werden auch bei einem unerwarteten Erfolg darin bestätigt, begabt zu sein, während der Mißerfolg auf externale Ursachen zurückgeführt wird. Der Anteil von Zufallsattribuierung (-3.40) ist hier am größten. Mittlere Differenz der Begabungs-und

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  78. Vgl. auch die Kontroverse zwischen Covington und Omelich (1979) und Brown und Weiner (1984) über die affektiven und kognitiven Folgen der Motive und Attributionen.

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  79. Vgl. zur Darstellung der wichtigsten lerntheoretischen Aussagen Hummell 1969; Tarpy 1975.

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  80. Vgl. zusammenfassend Heckhausen 1980, S. 464ff.

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  81. Vgl. auch die Untersuchungen von Kahneman und Tversky, z.B. Tversky und Kahneman 1973, die allerdings auf Gewinnspielsituationen beschränkt sind.

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  82. Vgl. Douglas 1966; Teicher und Jacobs 1966; vgl. zur Kritik des symbolischen Interaktionismus Lindner 1979.

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  83. Zu einer Darstellung der sozialen Lerntheorie von Rotter und ihrer Kritik vgl. Lindner-Braun 1976, S. 279ff. sowie Abschnitt 4.2.1.1 und Anm. 2, S. 21. Eine Gegenüberstellung der Attributionstheorie von Weiner und der sozialen Lerntheorie von Rotter befindet sich in Übersicht 7, S. 133.

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  84. Die Untersuchung von Boor (1976) ist aus methodischen Gründen wenig aufschlußreich. Erstens sind die Populationen, deren I-E-Wert erfaßt und deren Selbstmordrate ermittelt wurde, verschieden. Bei den Personen, deren I-C-Wert erfaßt wurde, handelte es sich um Studenten, eine im Hinblick auf das Selbstmordverhalten, die kritische Vanable der Korrelationsberechnung, sicher selektive Population. Zum zweiten lassen die geringen Variationsbreiten der I-E-C-Skala darauf schließen, daß die Verteilungsannahmen der Korrelationsstatistiken verletzt wurden. Des weiteren ist auch bei dieser Untersuchung die Gefahr eines ökologischen Fehlschlusses gegeben.

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  85. Vgl. Williams und Nickel 1969; Kaplan 1980, S. 162ff.; Rothbaum 1980; Abramowitz 1969 in: Joe 1971, S. 633. Lambley et al. 1973 fanden hingegen bei Personen, die an Suizid dachten und solchen, die sich nicht mit Suizid beschäftigten, keine unterschiedlichen Kontrollerwartungen.

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  86. Vgl. Seligman 1975 und zusammenfassend Tarpy 1975, S. 112.

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  87. Vgl. Maier und Seligman 1976 und Miller und Norman 1979.

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  88. Kerry et al. (1975) identifizierten als wichtigsten Faktor Motivationsverlust gefolgt von Hilflosigkeit und Schuldgefühlen. Blatt et al. (1976) bestätigten in ihrer Untersuchung die beiden Faktoren, Schuldgefühle bzw. Selbstkritik und Motivationsverlust,dependency`: als sich einsam fühlen, bei anderen nahe sein wollen, sich zurückgewiesen fühlen.

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  89. Vgl. zusammenfassend Tarpy (1975, S. 112). Danach scheint Intensität und Zeitpunkt der verabreichten Schocks das Syndrom nicht zu beeinflussen. Seligman (1975, S. 98) behauptet, daß Non-Kontingenz auch zwischen Verhalten und positivem Verhaltenserfolg ausreichen wurde, um Hilflosigkeit hervorzurufen. Nach empirischen Untersuchungen zu urteilen, ist jedoch diese Einfaktortheorie empirisch nicht haltbar. In einer Untersuchung von Benson et al. 1976 zeigten sich die stärksten Leistungsabfälle nach Non-Kontingenz bei aversiven Reizen, während Personen, die für ihre Leistung zufällige positive Erfolgsrückmeldung erhielten (Non-Kontingenz zwischen Verhalten und Verhaltenserfolg) zwar unterdurchschnittliche Leistungen erzielten, aber nicht schlechter waren als eine Kontrollgruppe, die keine non-kontingenten Erfahrungen hatte und in ihrer Leistung vor allem die erstgenannte Gruppe, die antwortunabhängige Mißerfolgsmeldungen erhielt, überflügelte. Ähnlich stellten Koller und Kaplan (1978) eine zusätzliche Entmotivierung bei negativen Verstärkern fest.

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  90. Ähnlich Menapace und Doby 1976.

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  91. Vgl. Abramson und Sackeim (1976) und Abramson et al. (1978) bzw. Miller und Nor- man (1979) zu einer attributionstheoretischen Revision der Hilflosigkeitstheorie.

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  92. Vgl. z.B. Rothbaum ( 1980, S. 226f.), wonach Extemale häufiger ein,inward-behavior’ zeigten, das durch Passivität, Rückzug, Ängstlichkeit gekennzeichnet ist. Der Zusammenhang mit Extemalität, gemessen mit Hilfe der I-A-C-Skala von Crandall, betrug r =.54; p =.01. Vgl. auch Abschnitt 4.2.2.3. 3. 1

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  93. Zu den Ergebnissen und zu der Kritik der Untersuchung von Selbstmördern mit Hilfe von Persönlichkeitstests wie MMPI, Hildreth-feelingscale, Rosenzweig Bildertest, Make-A-Picture-Test vgl. Braun 1971, S. 82ff. Wegen der Vielzahl der getesteten und induktiv gewonnenen Faktoren ist eine theoretische Einordnung und Beurteilung der Faktoren, die im wesentlichen keine stabile Trennung von Suizidgefährdeten und Kontrollgruppen gestatten, nicht möglich.

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  94. Die Tatsache, daß kognitive Fehlleistungen genereller und nicht pathologischer Natur sind, wird auch durch eine Untersuchung von Tuckman und Ziegler (1966) untermauert. Bei einem Vergleich von echten mit simulierten Selbstmordnotizen ergab sich, daß beide Gruppen die zentralen Wörter mit Bezug auf das Selbst und soziale Beziehungen gleich verwandten. Dies ist ein Befund, der mit den logischen Fehlertypen von Shneidman und Farberow, die sowohl das Selbst als auch den sozialen Bezug zum Gegenstand hatten, nicht übereinstimmt oder zumindest erklärungsbedürftig wäre.

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  95. Nach Tab. 6, A3 konnten die Suizidversucher weniger,wichtige Lebensziele verwirklichen als die Suizidenten. So lautete die Operationalisierung von Maris ( 1981, S. 346) für blockierte Aspirationen. Weil die Suizidversucher wesentlich jünger waren, könnte die starke Belastung der Suizidversucher auf diesen Umstand zurückzuführen sein; in jungen Jahren wird man schwerlich davon berichten können, die wichtigsten Lebensziele schon erreicht zu haben.

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  96. Selbstwertbeeinträchtigende Erfahrungen in der Familie: (r =.37), in der Schule (r =.41), weniger unter Gleichaltrigen (r =.25); Schutzlosigkeit und Verletzbarkeit korrelierte mit Suizidversuch hochsignifikant (r =.36) (vgl. Kaplan 1980, S. 162ff.).

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  97. Heckhausen (1980, S. 626f.) führt Selbstbewertungen als gesonderte Anreizklasse in sein Handlungsmodell ein. Sie kommen vor allem in leistungsthematischen Situationen vor und setzen sich als Valenzen für Selbstbewertungsfolgen aus den Anreizwerten für Erfolg und Mißerfolg und deren Instrumentalitäten bei der Ausführung von Handlungen zusammen. Damit werden zwar aus antizipierten Leistungserfolgen resultierende Selbstbewertungen erfaßt, ihre Beschränkung auf diese Situation — wie sie durch die Leistungsmotive definiert sind — ist jedoch nicht plausibel. Auch antizipierte Handlungserfolge bei der erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Realisierung affiliati-ver Ziele können zu Selbstbewertungen führen. Mangels weiterführender Definitionen ist auch zu fragen, ob nicht alle Affekte mit Selbstbewertungen unterschiedlicher Intensität verknüpft sind. Selbsttheorien (vgl. Wylie 1961), die in der Regel als Ein-Faktor-Theorie konstruiert sind, sind bislang wenig erfolgreich (vgl. Heckhausen 1980, S. 583ff.). Auch Kaplan’s Selbsttheorie zur Erklärung delinquenten Verhaltens — analog auf Suizidverhalten anwendbar — wird entgegen seiner Interpretation durch die Daten nicht bestätigt (vgl. Kaplan 1980, S. 162ff.). In einer jüngsten und methodisch überzeugenden Studie von McCarthy und Hoge (1984) bleibt das Selbstkonzept wiederum ohne empirisch nachweisbaren Bezug zum untersuchten delinquenten Verhalten. Diese Anwendung ist weniger wegen des fehlenden empirischen Erfolgs von Interesse, sondern sie demonstriert den fehlenden Informationsgehalt der zentralen Aussagen.

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  98. Eine weitere Erklärung der Unterschiede zu Lasten der Suizidversucher besteht darin, in den geäußerten Schuldeingeständnissen oder Selbstvorwürfen — und hierbei waren die größten Unterschiede feststellbar gewesen — den möglicherweise unbewußten Ver-such zu sehen, negative Sanktionen, die als Folge des Suizidversuchs auch zu erwarten sind, von der Umwelt abzuwehren, erfolgreich abzuwehren, wie auch Untersuchungen aus der Soziobiologie nahelegen. Demutsgebärden — zu denen beim Menschen Schuldeingeständnisse und Selbstvorwürfe zu rechnen wären — gehören zu aggressionshemmenden Unterwerfungsritualen (vgl. Barash 1980, S. 224). Des weiteren könnten die im Abschnitt über Rationalisierungen des suizidalen Verhaltens bereits diskutierten negativen Bewertungen des suizidalen Verhaltens durch moralische Abwertung — Selbsttadel — des,Täters`, d.h. desjenigen, der eine moralisch verwerfliche Handlung begeht, das eigene Gewissen entlasten und damit die moralischen Kosten senken.

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  99. Heckhausen gliedert die Voraussetzungen in verschiedene Teilprozesse: 1. Aktive Erzeugung von Effekten (Einwirkung auf Umwelt durch Veränderung von Objekten oder deren Beziehung untereinander), 2. Unterscheidung zwischen sich selbst (Ego) und Umwelt (Objekte oder andere Personen), 3. repräsentatives Kausalschema nach Piaget, um die Effekte a) nach intemaler oder extemaler Herkunft, b) lokalisieren zu können; 4. Identifizierung von einzelnen Handlungseffekten im Hinblick auf verschiedene Schwierigkeitsgrade auf einer Güteskala und 5. Kausalverbindung zwischen Handlungsergebnis und eigener Tüchtigkeit auf einer Güteskala (vgl. Heckhausen 1974, S. 133ff.). Die Entwicklung eines Leistungsmotivs beginnt bereits im dritten bis vierten

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  100. Vgl. zur Kritik Heckhausen ( 1980, S. 629ff.). Frauen mit ausgeprägter Furcht vor Erfolg verringerten bei der Lösung,männlicher` Aufgaben und in Anwesenheit männlicher Mitkonkurrenten nicht jedoch bei Aufgaben weiblichen Typs und bei weiblichem Mitkonkurrenten ihre Leistungen. Diese situationalen Bedingungen könnten jedoch nicht nur den Anreizkonflikt,hohe Leistungserwartungen beeinträchtigen wahrgenommene Attraktivität beim anderen Geschlecht’ auslösen, sondern ebenso MiBerfolgserwartungen induzieren.

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  101. Die Triftigkeit dieser Beobachtungen aus experimentellen Untersuchungen (vgl. Lewin et al. 1944) wurde in Feldstudien bestätigt. So entschieden sich Kinder, die überwiegend erfolgreich gewesen waren, für Aufgaben mit einem Schwierigkeitsgrad, der geringfügig ihre erfolgreich gelöste Aufgabe überstieg, während Kinder mit einer MiBerfolgsgeschichte zu größeren und auch instabilen Zieldiskrepanzen kamen (vgl. Atkinson 1964, S. 98 ).

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  102. Vgl. zu den Untersuchungen von Feather (1959); Karabenick (1972); Schneider (1973); Litwin (1966) zusammenfassend Heckhausen (1980, S. 388). Die Werttheorie korrespondiert insofern auch mit dem schon postulierten Schwierigkeitsgesetz der Motivation, wonach schwierigere Aufgaben mehr Anstrengungsbemühungen zur Folge haben (vgl. Heckhausen 1980, S. 62) und baut auf der Valenztheorie von Lewin und Festinger auf (vgl. zur Darstellung und Kritik Heckhausen 1980, S. 222f.).

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  103. Vgl. Mehrabian (1971); dieses Präferenzmuster entspräche dem von negativ Leistungsmotivierten und sowohl das Schwierigkeitsgesetz als auch die nicht-additive Verknüpfung von Erwartungen und Anreizen wäre damit vereinbar, sofern die auch für leistungsbezogene Handlungen negativ Motivierter nicht realistische Folgerung ausschließlicher Meidungstendenzen korrigiert würde.

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  104. Für die Vermutung des Risiko-Wahl-Modells und gegen die Verlaufsannahmen von Kahneman und Tversky sprechen auch die Untersuchungsergebnisse der Neugierforschung. Auch hier kann ein Präferenzverlauf in Form einer umgekehrten U-Funktion die geringe Beliebtheit sehr unbekannter Anreize, die bei zunehmendem Bekanntheitsgrad zunimmt, um bei sehr bekannten Reizen wieder abzunehmen, erklären (vgl. Lindner-Braun 1973, 1976, S. 335, Abb. 2 und Abb. 3 sowie S. 378ff.). Der Bekanntheitsgrad von Stimuli entspricht dabei den subjektiven Wahrscheinlichkeiten, die implizierten Anreize realisieren zu können.

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  105. Für die Kognizierung mittlerer Wahrscheinlichkeiten, wenn ein mittleres Anspruchsniveau angestrebt wurde, liegen empirische Belege vor (vgl. Heckhausen 1980, S. 392).

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  106. Kun und Weiner (1973) stellten fest, daß bei Mißerfolg nach einer leichten Aufgabe internale Kausalzuschreibungen dominierten. Die Tatsache, daß nach Erfolg bei schwierigen Aufgaben Erfolg und Anstrengung von den Erfolgreichen reklamiert wurde, widerspricht nicht der Vermutung, daß nach anhaltendem Mißerfolg, den Personen mit überhöhtem Anspruchsniveau zu vergegenwärtigen haben, die gewohnte asymmetrische Kausalattribution überwiegt und auch nicht gegen die Annahme, daß nach bewußter Wahl einer zu schwierigen Aufgabe der Erfolg nicht der eigenen Fähigkeit zugeschrieben werden könnte.

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  107. Henseler verwendet das freie Interview, die Exploration, projektive Tests als qualitative Methoden und einen Fragebogen zur Erhebung sozialer Lebensbedingungen. Dabei werden Konflikttypen untersucht, die aufgrund psychosexueller Entwicklungsstufen klassifiziert werden: die psychosexuelle Identität oder phallische Phase, Macht-und Wertkonflikte oder anal-sadistische Phase und Akzeptanzkonflikte (orale Phase) (Henseler 1980 ).

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  108. So beschreibt die Biographin Rosenstein die Lyrik von Sylvia Plath wie folgt: „Plath’s late poetry is full of mouths, open, demanding, of other women, of men, and of her speakers. One’s sense always is that the universe is insatiable because the speaker herself is insatiable. No amount of food, real or symbolic, can fill the emptiness within. And every demand from outside threatens to deplete her still further, provocations thus to error or rage. Her fate — her dissolution — has in this and many other poems the ring of inevitability“ (Ms, 1972; 99; in: Maris 1981, S. 131). Sie selbst schreibt: „I saw my life branching out before me like the green fig tree in the story. From the tip of every branch, like a fat purple fig, a wonderful future beckoned and winked. One fig was a husband and happy home and children, an another fig was a famous poet and another fig was a brilliant professor, and another fig was Europe and Africa and South America, and another fig was Constantine and Socrates and Attila and a pack of other lovers with queer names and offbeat professions and another fig was an Olympic lady crew champion, and beyond and above these figs were many figs I couldn’t quite make out” (Plath 1963, S. 62–63; in: Maris 1981, S. 130).

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  109. Der Schriftsteller Pavese, der sich 1950 umbrachte, schrieb bereits im Jahre 1936 von seinem,gegenwärtigen Selbstmordleben’, das er mit verfehlten moralischen Ansprüchen und der Meidung konkreter und damit realistischer Zielsetzungen in Verbindung brachte: „Und auch was die Arbeit anbelangt: war ich darin jemals etwas anderes als ein Hedonist? Ich gefiel mir in der sprunghaft fiebrigen Arbeit, im Schwung des Ehrgeizes, aber ich hatte Angst, Angst mich zu binden. Ich habe nie wirklich gearbeitet… Und auch ein anderer Makel ist klar zu sehen. Ich bin nie der einfache, nicht reflektierende Mensch gewesen, der seine Freuden genießt und auf alles übrige pfeift. Dazu bin ich zu feige. Ich habe mir immer mit der Illusion geschmeichelt, ich empfände das Moralische im Leben, wenn ich köstliche Augenblicke — das ist das richtige Wort — damit hinbrachte, mir Gewissensfragen zu stellen, ohne daB ich mich entschlossen hätte, sie in Tätigkeit umzuschmelzen. Um nicht die heimliche Lust ans Licht zu ziehen, die ich früher in der moralischen Erniedrigung zu ästhetischen Zwecken empfand, wobei ich auf eine Genie-Laufbahn hoffte“ (Pavese 1963, S. 29). Überhöhte Aspirationen und die Furcht davor, nicht oder nicht mehr arbeiten zu können, sind auch bei Hemingway überliefert, der sich 1961 erschoß, aber bereits im Jahre 1954, im Jahre seiner Nobel-Preis-Verleihung, erste Selbstmordgedanken äußerte (vgl. Maris 1981, S. 167).

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Lindner-Braun, C. (1990). Soziale Motivationstheorie zur Erklärung von Selbstmord- und Selbstmordversuchshandlungen. In: Soziologie des Selbstmords. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99822-4_2

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