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Goethe im Widerstreit des liberalen und des radikalen Denkens in der Weimarer Republik

Für Carsten Colpe

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Goethe-Jahrbuch
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Zusammenfassung

Als Friedrich Ebert vor achtzig Jahren die Delegierten der Nationalversammlung in Weimar empfing, waren ihm revolutionäre Triumphgefühle fremd. Er berichtet von der „üblen Herrschaft“, die er als „Konkursverwalter des alten Regimes“2 angetreten habe. Zu den verhängnisvollsten Hinterlassenschaften des Krieges zählt Ebert die Untergrabung nicht nur der öffentlichen und privaten Moral, sondern die damit verbundene Bedrohung einer Kultur der Rationalität durch eine aus dem Geiste des Desperadotums geborene radikale Politik. Ebert entwirft den düsteren Ausblick auf eine Epoche der Emotionalisierung in einem zerrütteten Deutschland, sobald die Entwurzelten und Hasardeure, die keine soziale und kulturelle Bindung mehr kennen, die politische Bühne als Akteure betreten. Diesem extremistischen Szenario setzt er seinen eigenen Politikentwurf entgegen. Ausgleich, Pragmatismus und Realismus lauten die Schlüsselworte seiner Position, die er in der spannungsgeladenen Atmosphäre seinen Zeitgenossen nahe bringen will. In zwei dezidiert ernüchternden Argumenten widerspricht Ebert der durch Niederlage und Revolution aufgeheizten Stimmung: Zum einen plädiert er für Pathosverzicht und wendet sich gegen die heroische Umdeutung des Krieges zum identitätsstiftenden Ereignis. Zum anderen soll das politische Geschehen von der Straße zurückgeholt werden in die parlamentarische Beratung, die die Affekte der revolutionären Situation beruhigt und rationalisiert.3 Wann immer die Verfassung der Weimarer Republik bekämpft wird, dann geschieht das, rechts wie links, nach ein und derselben Taktik, den parlamentarischen Ausgleichs- und Rationalisierungsprozeß der Politik umzukehren.

Der Verfasser hatte das Glück, während seines Studiums an der Freien Universität Berlin in den religionswissenschaftlichen Vorlesungen Carsten Colpes jenes der historischen Methode zugrundeliegende tolerante Humanitätsdenken kennenzulernen, das in der liberalen Tradition Adolf von Harnacks und Ernst Troeltschs steht. Der Argumentationsgang der vorliegenden Untersuchung beruht auf dieser Erfahrung, denn zuletzt ist es das Verhältnis zu den ursprünglich theologischen Phänomenen der „reinen Lehre“ und des „Synkretismus“, das liberale und radikale Positionen als solche kennzeichnet.

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Notizen

  1. Friedrich Ebert: Schriften, Aufzeichnungen, Reden. Hg. v. Friedrich Ebert jun. Mit einem Lebensbild von Paul Kampfimeyer. Dresden 1926. Bd. H. S. 154.

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  2. Über die Bürgerkriegssituation zu Beginn der Weimarer Republik und zu Eberts Strategie, den Bürgerkrieg zu vermeiden: Hagen Schulze: Weimar. Deutschland 1917–1933. Berlin 1994, S. 155–188;

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  3. Heinrich August Winkler: Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 1993, S. 13–108.

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  4. — Zu Eberts politischer Biographie und zu seinem Konzept des parlamentarischen Interessenausgleichs vgl. Peter Christian Witt: Friedrich Ebert. Parteiführer, Reichskanzler, Volksbeauftragter, Reichspräsident. Bonn 1992.

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  5. Ebert (Anm. 2), S. 156. Ebert zitiert — nicht ganz buchstabengetreu — aus dem 9. Gesang des Goetheschen Epos (vgl. HA 2, S. 514). Goethe entwirft die epische Handlung vor dem Hintergrund des in die Terreurs abstürzenden Revolutionsgeschehens in Frankreich (insbes. im VI. Gesang Klio. Das Zeitalter, ebd., S. 478–490), und Ebert skizziert 1919 im Blick auf die historisch-literarische Analogie sein politisches Programm, das den drohenden Absturz in die Schrecken des Bürgerkriegs verhindern soll. Mit großer Präzi- sion wählt Ebert aus der deutschen Literaturgeschichte das Textbeispiel aus, das sowohl das postrevolutionäre Chaos als auch seine Intention der Affektberuhigung illustriert. — Grundlegend für die Goethe-Rezeption im Kontext der Weimarer Republik: Karl Robert Mandelkow: Goethe in Deutschland. Rezeptionsgeschichte eines Klassikers. Bd. II. 1919–1982. München 1989, S. 9–77. Ders.: Zwischen Weimar und Potsdam. Aspekte der Goetherezeption in den zwanziger und dreißiger Jahren in Deutschland. In: Weimar 1930. Politik und Kultur im Vorfeld der NS-Diktatur. Hg. v. Lothar Ehrlich u. Jürgen John. Köln 1998, S. 123–138. Die beiden Editoren geben in ihrer Einleitung (S. VII-XXXVIII) einen Überblick über die vielfältigen, Literatur- und Zeitgeschichte verbindenden Forschungen zur Weimarer Republik.

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  6. — Weiterhin zur Goethe-Thematik von Mandelkow: Goethe und die deutsche Gegenwart. Die Rezeption Goethes und der Dichter der deutschen Klassik in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“. In: Wege nach Weimar. Auf der Suche nach der Einheit von Kunst und Politik. Hg. v. Hans Wilderotter u. Michael Dorrmann. Berlin 1999, S. 87–98.

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  7. Gustav Radbruch: Wilhelm Meisters sozial-politische Sendung. In: Logos VIII (1919/20), S. 152–162, hier S. 157.

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  8. Überarbeitet und erweitert erscheint 1944 der gleiche Aufsatz unter dem Titel Wilhelm Meisters sozialistische Sendung in dem Sammelband Radbruchs: Gestalten und Gedanken. Leipzig 1944, S. 93–127. — Der revolutionsvermeidende Bildungsbegriff Goethes ist dann auch als das geistesgeschichtliche Fundament der Kulturlehre Radbruchs anzusehen, die er in Auseinandersetzung mit der marxistischen Überbautheorie entwickelt.

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  9. Gustav Radbruch: Kulturlehre des Sozialismus. Leipzig 21922.

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  10. Max Weber: Wissenschaft als Beruf. In: Max Weber Gesamtausgabe. Hg. v. H. Baier, R. M. Lepsius u. a. Bd. 17. Tübingen 1922, S. 101.

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  11. — Zu Webers Kritik eines spezifisch modernen pseudoreligiösen Erlebniskultes vgl. Karl Löwith: Max Webers Stellung zur Wissenschaft. (1964.) In: Karl Löwith: Sämtliche Schriften. Bd. 5. Stuttgart 1988, S. 419–447.

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  12. Zu Webers Polemik gegen politische Ersatzreligionen vgl. auch Eric Voegelin: Die Größe Max Webers. Hg. v. P.J. Opitz. München 1995. Mit drei Aufsätzen Voegelins über Weber aus den Jahren 1925, 1930 und 1964.

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  13. Bereits in Webers religionssoziologischer Studie über die aus dem säkularisierten Geiste der protestantischen Askese hervorgehende kapitalistische Wirtschaftsform spielt Goethe eine prominente Rolle. Für Weber ist Goethe der Repräsentant eines epocheübergreifenden Säkularisationsprozesses, dessen historische Analyse als das Fundamentalthema der Weberschen Wissenschaft angesehen werden darf. Max Weber: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1906). In: Max Weber: Die protestantische Ethik. Eine Aufsatzsammlung. Bd. I. Hg. v. Johannes Winckelmann. Tübingen 61981. Zu Goethes Entsagungskonzept in der Überlieferung der protestantisch-bürgerlichen Berufsaskese hier S. 183–190. Der Säkularisationsprozeß ist jedoch bei Goethe nicht am Ziel; er nimmt in Webers Entwicklungsschema im ausgehenden 19. und erst recht im 20. Jahrhundert eine verhängnisvolle Wendung und führt in das „stahlharte Gehäuse“ (S. 188) der geistlosen und zwanghaften Arbeit.

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  14. — Zu Webers Deutung der Goetheschen Resignation als asketisch-bürgerliche Kultur-Antwort auf die „Entzauberung der Welt“ vgl. Wolfgang Frühwald: Goethes Spätwerk — die Erfahrung sich seihst historisch zu werden. In: GJb 114 (1997), S. 23–34, hier S. 32 ff.

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  15. Einen Überblick über die intellektuellen Auseinandersetzungen um den „Geist von Weimar“ während der Weimarer Republik geben Hagen Schulze (Anm. 3), S. 123–138; Peter Gay: Die Republik der Außenseiter. Geist und Kultur in der Weimarer Zeit. 1918–1933. Frankfurt 1970;

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  16. Walter Laqueur: Weimar. Die Kultur der Republik. Berlin 1976. Hier zu Weimar-Kritik im links- und rechtsextremen Spektrum der Avantgarde S. 62–138.

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  17. Hermann August Korff: Geist der Goethezeit. Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte. 4 Bde. Leipzig 1923 ff. War schon 1923 im Sturm-und-Drang-Teil des Korffschen Entwicklungsschemas die deutsche Geistesgeschichte „mit Lessing und Goethe in die Periode ihres Heidentums“ eingetreten — eine vermeintlich unumstößliche Erkenntnis, an der Korff nur noch „unreinliche Geister“ zweifeln läßt (4. Aufl., S. 267 f.), so ist 1930 im Klassik-Band bereits von der „faustischen Religion“ die Rede, die unverkennbar die zarathustrischen Züge Nietzsches trägt. Das „ewige Streben“ ersetzt die Meditations- und Geduldsprinzipien des christlichen Glaubens. Im Sinne dieser modernen Bewegungsreligion kann Korff dann sogar „auch Faust eine schöne Seele nennen.“ (Bd. 2, 1. Aufl., S. 421 f.) — Messianische Züge nimmt 1932 das Goethe-Bild Julius Petersens an; es symbolisiert das in der Endphase der Weimarer Republik verbreitete Bewußtsein des Äonenwechsels.

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  18. Jetzt sei es erlaubt, „die Zeitrechnung umzustellen und die Marksteine der Jahrhunderte nicht nach Christi Geburt anzusetzen, sondern nach seinem Tod.“ Petersen: Erdentage und Ewigkeit. Rede bei der Reichsgedächtnisfeier in Weimar am 22.3.1932. In: GJb 18 (1932), S. 3.

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  19. Raoul Hausmann: Pamphlet gegen die Weimarische Lebensauffassung (1918). In: Richard Huelsenbeck (Hg.): DADA. Eine literarische Dokumentation (Urspr. 1964). Reinbek 1994, S. 37–39, hier S. 37 f.

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  20. Ebd., S. 38 f. Raoul Hausmann, typischer Repräsentant der in den Okkultismus abdriftenden radikal weimarkritischen Avantgarde, war nicht nur Dadaist, sondern zugleich Anhänger der „Welteislehre“ Hanns Hörbigers, einer apokalyptisch-kataklystischen Explosionskosmologie, der dann nach 1933 in Deutschland auch offizielle Anerkennung zuteil werden sollte. Vgl. dazu: Scharfrichter der bürgerlichen Seele. Raoul Hausmann in Berlin 1900–1933. Hg. u. komm. von Eva Zimmer. (Ausstellungskatalog.) Berlin/München 1998. — Zum antiintellektuellen und antirationalistischen Gestus der Avantgarde vgl.

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  21. Corona Hepp: Avantgarde. Moderne Kunst, Kulturkritik und Reformbewegungen nach der Jahrhundertwende. München 21992. Insbes. die Kapitel „Apostel und Gemeinde“ und „Bruder und Fremdling“ bieten reichhaltige Illustrationen zur Neureligiosität der Moderne im Zeichen Zarathustras. Ebd. S. 75–147.

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  22. R. Hausmann: Dada ist mehr als Dada. 1921. (Anm. 17), S. 40.

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  23. R. Hausmann u. a.: Dadaistisches Manifest. 1918. (Anm. 17), S. 33.

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  24. Richard Huelsenbeck: Einleitung zum Dada-Almanach. 1920. (Anm. 17), S. 106.

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  25. Das überlieferte, auch in der modernen Goethe-Kritik stets virulente Quellenmaterial der Wilhelm-Meister-Schelte dokumentiert Klaus F. Gille (Hg.): Goethes „Wilhelm Meister“. Zur Rezeptionsgeschichte der „Lehr- und Wanderjahre“. Königstein 1979.

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  26. Jene goethekritische Überlieferung, die den für die Moderne charakteristischen Paradigmenwechsel vom klassischen Ausgleichsdenken zur romantischen Utopie- und Unendlichkeitsfaszination in exemplarischer Deutlichkeit zeigt, analysiert ebenfalls Klaus F. Gille: „Wilhelm Meister“ im Urteil der Zeitgenossen. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte Goethes. Essen 1971.

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  27. Franz Pfemfert: Herr Ebert entdeckt Goethe. In: Die Aktion 12 (1922), S. 123–128, hier S. 124.

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  28. Gottfried Benn: Prolog. In: Die Aktion 12 (1922), S. 131 f. — 1932 vermag Benn dann ausgerechnet Goethe ins antirationalistische Gefecht zu fuhren gegen das Wissenschaftsverständnis der bürgerlichen Überlieferung. Goethes Begriff der Natur-Anschauung verschwindet hier hinter Benns Zivilisationsinvektiven, die diktiert werden von der modernen Sehnsucht, die erkenntniskritische Distanz zwischen Subjekt und Objekt aufzuheben.

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  29. Vgl. Gottfried Benn: Goethe und die Naturwissenschaften. In: Die Neue Rundschau 43,1 (Goethe-Sonderheft 1932), S. 463–490.

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  30. Karl Barth: Der Römerbrief. 2. Fassung 1922. Zürich 151989, S. 398. — Gerade die Theologie der Krise illustriert drastisch die epochentypische Widersprüchlichkeit des geistes- und mentalitätsgeschichtlichen Geschehens: Dieselbe intolerante Zivilisationskritik Barths, die im theologischen Auftrag einer „radikalen Negation alles Menschlichen“ (S. 396) für ein liberales Kompromißdenken während der Weimarer Republik keinen Spielraum läßt, sondern im Sinne des unbedingten Entweder-Oder radikal trennt zwischen Baalskult und reiner Lehre, stellt von 1934 an das theologische Abwehrpotential bereit gegen die ideologische Vereinnahmung der evangelischen Kirche durch den totalen Staat.

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  31. — Zur zwiespältigen, dezidiert antiliberalen Rolle der negativen Theologie in der Weimarer Republik vgl. Kurt Nowak: Protestantismus und Weimarer Republik: Politische Wegmarken in der evangelischen Kirche 1918–1932. In: Karl Dietrich Bracher u.a. (Hg.): Die Weimarer Republik. 1918–1932. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Düsseldorf 1987, S. 218–237.

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  32. Die Absage an ein liberales Staats- und Gesellschaftsverständnis und die radikale Weimar-Kritik insbes. in: Friedrich Gogarten: Politische Ethik. Versuch einer Grundlegung Jena 1932.

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  33. Zur Goethe-Kritik vgl. Friedrich Gogarten: Goethes Frömmigkeit. In: Zeitwende 8,1 (1932), S. 161–173; mit dem unvermeidlichen existentialistischen Argument, daß Goethe sich der eigentlichen Existenz, dem heroisch-tragischen geschichtlichen Sein, als „Privatmann“ entziehe. Ebd., S. 172 f.

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  34. Zu Gogarten vgl. Kurt Nowak: Evangelische Kirche und Weimarer Republik. Zum politischen Weg des deutschen Protestantismus. Weimar 21988, insbes. S. 236–240.

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  35. — Zu Gogarten und Barth vgl. Alexander Schwan: Zeitgenössische Philosophie und Theologie in ihrem Verhältnis zur Weimarer Republik. In: Karl Dietrich Erdmann, Hagen Schulze (Hg.): Weimar. Selbstpreisgabe einer Demokratie. Eine Bilanz heute. Düsseldorf 1980, S. 259–304, insbes. S. 262–267.

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  36. Adolf von Harnack: Die Religion Goethes in der Epoche seiner Vollendung. In: Harnack: Erforschtes und Erlebtes. Gießen 1923, S. 141–170. Goethes Religion in einem allgemeinen Sinn erläutert Harnack im Blick auf den Begriff der „Ehrfurcht“, hier S. 146 ff.

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  37. — Ernst Troeltsch: Protestantisches Christentum und Kirche in der Neuzeit. In: Die Kultur der Gegenwart. Hg. v. Paul Hinneberg. Teil I, Abt. IV. Leipzig 1906, S. 253–458. Die religionsgeschichtliche Argumentation Harnacks und Troeltschs entzieht den literarisch-theologischen Kreuzzügen gegen das vermeintliche „Heidentum“ Goethes das Fundament. Charakteristisch für diesen Gedankengang ist das synthetische Argument Troeltschs: „In Wahrheit ist er [Goethe, d. Vf.] doch nur eine neue Kombination der uralten Elemente der europäischen Kultur, der Antike und des Christentums. […] Das Christentum hat nie ohne Ergänzungen und Hinzuziehungen existiert, und so vollzieht sich hier ein neuer Versuch der Ergänzung, der mit einem verinnerlichten Christentum den Erwerb der antiken und modernen Kultur neu verbindet.“ Ebd., S. 430 f. —

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  38. Grundlegend zum Verständnis der Goetheschen „Ehrfurcht“ im Sinne einer allgemeinen und vergleichenden Religionsphänomenologie: Hans Heinrich Schaeder: Goethes Erlebnis des Ostens. Leipzig 1938;

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  39. Grete Schaeder: Gott und Welt. Drei Kapitel Goethescher Weltanschauung. Hameln 1947.

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  40. Erich Auerbach: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur (urspr. 1946). Bern 81988.

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  41. Martin Heidegger: Hölderlins Hymnen „Germanien“ und „Der Rhein“ (1934/35). Martin-Heidegger-Gesamtausgabe (GA), Bd. 49. Frankfurt 1980, S. 47. Heideggers Hölderlin Auslegungen treiben den für die expressionistisch-existentialistischen zwanziger Jahre charakteristischen Paradigmenwechsel von Goethe zu Hölderlin auf die Spitze. Hölderlin allein übersteht Heideggers Destruktion der Überlieferung und weist den Weg zurück zum verschütteten „reinen“ griechischen Ursprung. Zum geistesgeschichtlichen Paradigmenwechsel in der Weimarer Republik vgl. Mandelkow: Goethe in Deutschland, Bd. II (Anm. 5), S. 17 ff. Ders.: „Goethe und die deutsche Gegenwart“ (Anm. 5), S. 92–94.

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  42. — Zur Goethe-Kritik Heideggers: Günter Martin: Von der weltanschaulichen Differenz. Heidegger und Goethe. In: DVjs. 70 (1996), S. 475–500.

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  43. Heidegger: Hölderlins Hymne „Der Ister“ (1942). GA 53. Frankfurt 1984, S. 94. Hier repräsentieren Goethe und Schiller in Heideggers Dekadenzschema eine universelle Perversion, die darin besteht, „daß der Mensch in seinem Wesen selbst eine ϰαταστϛοφή ist — eine Umkehrung, die ihm vom eigenen Wesen abkehrt. Der Mensch ist innerhalb des Seienden die einzige Katastrophe“ (S. 94). Die unter dem Humanismus-Etikett verborgene Verdrehung setzt mit Platon ein (S. 95) und führt in Heideggers befremdlicher Perspektive zuletzt in das von der liberalen westlichen, „gemixten“ Kultur angetriebene planetarische Verhängnis: „der Bolschewismus ist nur eine Abart des Amerikanismus. Dieser ist die eigentlich gefährliche Gestalt der Maßlosigkeit, weil er in der Form der demokratischen Bürgerlichkeit und gemixt mit Christentum auftritt“ (S. 86). — Heideggers Aversionen gleichen den Feindbildern der negativen Theologie. Denn wie das „kulturfreudige Christentum“ fällt in demselben Atemzug auch der „goethische Klassizismus“ unter die Kategorie „historisch zusammengebrautes Ersatzgebilde, mit dessen Hilfe man sich schielenden Auges noch zu einer vermeintlichen ‚Transzendenz‘ rettet.“

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  44. Heidegger: Heraklit (1943/44). GA 55. Frankfurt 1979, S. 107.

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  45. Heidegger: Parmenides (1942/43). GA 54. Frankfurt 1982, S. 108. Die Goethe-Schelte während des Zweiten Weltkriegs ist als ein bizarrer Ausläufer von Heideggers radikaler Kritik an der Subjekt-Objekt-Relation anzusehen, die während der 20er Jahre im Zentrum der erkenntniskritischen Invekuven gegen Rationalismus, Realismus und gegen die gesamte europäische Kultur steht.

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  46. Zur Polemik gegen den überlieferten, „nihilistischen“ Wahrheitsbegriff im Sinne einer Übereinstimmung von Gegenstand und Aussage vgl. Heidegger: Sein und Zeit (1927). Tübingen 121972, S. 212–230.

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  47. Goethes Gespräche. Biedermannsche Ausgabe. Ergänzt und hrsg. von Wolfgang Herwig. München 1998, Bd. 3.2 (1825), S. 289.

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  48. Bernhard Groethuysen: Die Entstehung der bürgerlichen Welt- und Lebensanschauung in Frankreich. Bd. 2: Die Soziallehren der französischen Kirche und das Bürgertum (1927). Frankfurt 1978, S. 214 f.

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  49. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951). München 1991, S. 539 ff.

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  50. Ernst Jünger: Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt (1932). Stuttgart 1981, S. 27.

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  51. Ebd., S. 42. — „Entscheidung“ heißt ein Schlüsselbegriff der radikalen Kritik am liberalen Toleranzdenken im allgemeinen und an der parlamentarischen Verhandlung im besonderen. Diese ist in der extremen Perspektive das politische Spiegelbild der bürgerlichen Konversationskultur bzw. des ‚philiströsen Geschwätzes‘. Grundlegend dazu: Christian Graf von Krokow: Die Entscheidung. Eine Untersuchung über Ernst Jünger, Carl Schmitt, Martin Heidegger. Stuttgart 1958. Hier auch die für die vorliegende Studie bedeutsame Schlußbetrachtung: „Eine solche Hinnahme [des Widerspruchs von Wirklichkeit und Möglichkeit, Öffentlichkeit und Privatheit, Objektivität und Subjektivität; d. Vf.] mag als Resignation interpretiert werden und muß als Verzicht auf ‚ganzheitlich‘ gestaltendes soziales Handeln gedeutet werden. Aber die Alternative heißt eben entweder ideologische Realitätsflucht oder totalitärer Terror“ (ebd., S. 159).

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  52. — Zur radikalen Weimar-Kritik im Umfeld von Dezisionismus, Existentialismus und revolutionärem Nationalismus ebenfalls nach wie vor grundlegend: Kurt Sontheimer: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933 (1962). Studienausgabe. München 1968.

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  53. Albert Schweitzer: Gedenkrede, gehalten bei der Feier der 100. Wiederkehr von Goethes Todestag in seiner Vaterstadt Frankfurt am Main am 22. März 1932. In: Vier Reden von A. Schweitzer. München 1950, S.48.

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  54. Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München/Wien 1995.

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Jaeger, M. (2000). Goethe im Widerstreit des liberalen und des radikalen Denkens in der Weimarer Republik. In: Keller, W. (eds) Goethe-Jahrbuch. Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02710-8_11

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