Zusammenfassung
Die Neubestimmung und Situierung des Kulturbegriffs auf dem Hintergrund des diskursiven Feldes von Interkulturalität läßt auch die Topik des Kulturbegriffs nicht unberührt. Kultur erscheint nicht mehr in erster Linie in der Funktion des gesellschaftlich Imaginären, das der Sphäre des Sozialen, der Ökonomie und der Politik gegenüber steht, sondern wird nun auch definierbar auf ihr Anderes, ihr Außer-Ordentliches, ihre Gegen-Ordnung hin. Ihr Ort ist je schon interkulturell auch insofern man sie als Netz von verschiedensten Diskursen deskribiert. Dies bedeutet in erster Linie den Verzicht auf die anthropologischen Universalien und in letzter Konsequenz das Festhalten am Begriff des «Fremden» oder der «Fremdheit», der nur solange existiert, als man ihn nicht im ‚Zwischen‘ der Interkulturalität nivelliert. Bernhard Waldenfels liefert mit seiner “Phänomenologie des Fremden” brauchbare Zugangsweisen zu diesem strapazierten Begriff. Indem er auf dem Weg einer Topographie, die sich gegenkonstellativ auch als Heterotopic zur Lektüre anbietet, dem Fremden nachspürt, denkt er das ‚Zwischen‘ der Interkulturalität in der “chiastische(n) Figur der Verschränkung”115, in der zugleich ein Ineinander, ein Überkreuzen, ein Transponieren, das zu einem Wechseln wird, behauptet wird. Von dieser Denkfigur wird sodann gesagt, daß sie nichts zur Deckung bringt, aber auch keine klare Diversifikation erlaubt. Die chiastische Figur schiebt und verschiebt homologe Identitätskonstruktion und Nicht-Identisches, Ordnung und ihr Gegenlager ineinander, läßt sie einander überkreuzen und erlaubt für einen Moment, die Kontamination der Ordnung mit ihrem Abwesenden zu ahnen, bzw. jenen Ort zu visualisieren, von dem aus die Stiftung einer Ordnung ausgeht, und der noch vor bzw. außerhalb der Ordnung liegt.
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Notizen
Clifford Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a.M. 1995, S. 16.
Lutz Ellrich, Verschriebene Fremdheit: die Ethnographie kultureller Brüche bei Clifford Geertz und Stephan Greenblatt, Frankfurt a. M./New York 1999, S. 60.
So zitiert bei Günter Irmscher, Kleine Kunstgeschichte des europäischen Ornaments seit der frühen Neuzeit (1400 – 1900), Darmstadt 1984, S. 3.
Siehe Dietmar Kamper, Ästhetik der Abwesenheit. Die Entfernung der Körper, München 1999, S.68. „Die Frage, ob die Medien zum Selbst oder zum Anderen gehören, hat Baudrillard eindeutig beantwortet. Für ihn sind sie Momente und Monumente einer Identitätsphilosophie, die sich als Normalbewußtsein gegenwärtig in alle Richtungen ausbreitet.“
Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a. M. 1974, S. 20.
Hans Robert Jauss, Zur historischen Genese der Scheidung von Fiktion und Realität, in: Funktionen des Fiktiven, Poetik und Hermeneutik 10, hg. von Dieter Henrich und Wolfgang Iser, München 1983, S. 423.
Manfred Moser, Zur Kritik des Ornaments. Spiel und Gegenspiel, In: Kritische Theorie des Ornaments, hg. von Gérard Raulet u. Burghart Schmidt, Wien/Köln/Weimar 1993, S. 155.
Gunter Gebauer/Christoph Wulf, Mimesis. Kultur — Kunst — Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1992, S. 420.
Siehe Susi Kotzinger, Arabeske — Groteske: Versuch einer Differenzierung, in: Zeichen zwischen Klartext und Arabeske, hg. von Susi Kotzinger und Gabriele Rippl, Amsterdam/Atlanta 1994, S. 221.
Siehe Horst Wenzel, Hören und Sehen. Schrift und Bild. Kultur und Gedächtnis im Mittelalter, München 1995, S. 78.
Siehe Walter Seitter, Das Wappen als Zweitkörper und Köperzeichen, in: Die Wiederkehr des Körpers, hg. von Dietmar Kamper u. Christoph Wulf, Frankfurt a. M. 1982, S. 306.
Rhys Isaac, Der entlaufene Sklave. Zur ethnographischen Methode in der Geschichtschreibung. Ein handlungstheoretischer Ansatz. In: Das Schwein des Häuptlings. Beiträge zur Historischen Anthropologie, hg. von Rebekka Habermas u. Nils Minkmar, Berlin 1992, S. 148.
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Gut, W. (2000). Ornamente des Kulturbegriffs. In: »Schwarz auf weiß«. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-02747-4_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-02747-4_4
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-45246-7
Online ISBN: 978-3-476-02747-4
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)