Zusammenfassung
[77] Man verbindet mit dem Namen Roman eine herkömmliche Geringschätzung. Dem epischen, lyrischen, dramatischen Dichter erweist man jede Art von Hochachtung, den Verfasser eines Romans aber nennt man wegwerfend einen Romanschreiber und zweifelt, ob er eigentlich den Dichtern beizuzählen sey. Andere Dichtungen studirt man als Kunstwerke, Romane werden in der Regel nur zum Zeitvertreib gelesen. — Es scheint, daß diese sonderbare Geringschätzung einer poetischen Form, die nichtsdestoweniger die beliebteste ist, auf einem veralteten Vorurtheile beruhe. In der That war es nur ein Vorurtheil, das die Romane verdammte, als sie im vorigen Jahrhundert mehr und mehr in die Mode kamen. Die damals noch mächtigen Theologen fanden die Romane zu profan, die Moralisten zu frivol und sittenverderblich. Endlich hielt man damals nur das für Poesie, was in Versen geschrieben war, und die Versemacher verfehlten nicht, als Zunftpoeten, auf die Romanschreiber, als auf unzünftige Prosaisten herabzusehn. Zwar kamen die Romane durch Rousseau, Sterne, Fielding, Goethe, Jean Paul etc. zu großen Ehren, allein sie wurden durch die zahllosen Nachahmer dieser dichterischen Heroen bald wieder in Mißkredit gebracht, und das alte Vorurtheil gegen die poetische Prosa wurde durch den gerechten Unwillen gegen den Nachahmerpöbel unterstüzt. Die Romanform war und blieb in Vergleich mit andern poetischen Formen gering geschäzt.
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Rights and permissions
Copyright information
© 1976 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Menzel, W. (1976). Aus: Romane 1830. In: Romantheorie und Romankritik in Deutschland. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03055-9_15
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03055-9_15
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-00324-9
Online ISBN: 978-3-476-03055-9
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)