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Artikel »Roman« aus dem »Conversations-Lexicon« von Brockhaus 1817

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Romantheorie und Romankritik in Deutschland
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Zusammenfassung

[395] Roman. Indem wir diesen wichtigen Artikel beginnen, möchten wir fast mit dem Dichter der Griechen vor dem Anfang der großen Heerschau, die er über Hellas Krieger vor Troja hält, zur himmlischen Muse beten, daß sie uns leite durch die zahllosen Schaaren dieser Dichtungen, und den Faden der Einheit finden lasse, der unter dem Panier des Romans so verschiedne Elemente aus Himmel und Hölle, aus Böotia und Athene, von dem castalischen Quell und aus den trüben, sumpfigen Gewässern eines verbrannten Gehirns oder einer ans Gemeinste weggeworfenen Phantasie vereinigt. Wir kennen keine Gegend der Dichtung, die so vielfältig angebaut, so höchst verschiedne Früchte getragen hätte; und eine Charakteristik davon, wie sie hier gefodert wird, kann höchstens nur in einer Generalkarte bestehn, in welcher des großen Umfangs wegen manches Einzelne übergangen werden muß. Doch wollen wir keineswegs den niedrigsten Maßstab anlegen und gedenken, unsre Forderungen hoch genug zu spannen, und schon dadurch die Masse des in dies Gebiet Gehörigen ziemlich beschneiden zu können. — Wir bemerken vor allen Dingen, daß wir den Roman durchaus dem Gebiete der Poesie vindiciren, Poesie aber keineswegs als eine Dienerin der Laune und der sogenannten Unterhaltung oder Zeitverkürzung angesehn wissen wollen, sondern ihr einen höhern Rang anweisend, sie als die zweite Hälfte des idealen Lebens betrachten, so daß sie (und in diesem Sinne ist Kunst nur eine Species dieses Gattungsworts) nach unsrer Ansicht mit der Wissenschaft schwesterlich vereinigt ist, beide aber nur in dieser Vereinigung das Ideale in seiner Vollendung darstellen.

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Nachweise und Anmerkungen

  1. Dichter der Griechen: Vgl. Homer, Ilias, 2. Gesang, V. 484 ff.

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  2. Böotia: verbessert aus: Bäotia

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  3. jene feßlerschen romanhaften Darstellungen wirklicher Charaktere aus der Geschichte: z. B. Feßlers »Marc-Aurel« (1789–92) und »Alexander der Eroberer« (1797)

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  4. der Unterschied zwischen Epik und Dramatik nach A. W. Schlegel: Schlegel behandelt das Thema u. a. in seinem Artikel »Goethes Hermann und Dorothea« (1797).

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  5. unausgearbeiteter: verbessert aus: unausgearbeiter (nach W)

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  6. absit invidia verbo: lat., Gehässigkeit sei dem Worte fern; formelhafte Wendung, nach antiken Schriftstellern, z. B. Livius, Ab Urbe Condita L. 9, 19, 15

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  7. im Wilhelm Meister: in Buch V, Kap. 7 (WA I, 22, S. 178). Das Zitat ist nicht immer genau; so heißt es bei Goethe u. a. »Charaktere« (nicht: Charakter), »die Gesinnungen der Hauptfigur« (nicht nur: die Gesinnungen), »dem dramatischen« (sc. Helden) (nicht: dem Dramatischen).

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  8. Grandison, Clarisse, Pamela, der Landpriester von Wakefield, Tom Jones: Titelhelden in Romanen von Richardson, Goldsmith und Fielding

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  9. profanum volgus: lat., das gewöhnliche Volk; nach Horaz, Oden III, 1, 1

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  10. dem goldnen Kalbe der Deutschen: Anspielung auf den (später erwähnten) Roman »Das goldene Kalb« von Bentzel-Sternau

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  11. Mille et une nuits: Der 1. Druck der berühmten arabischen Märchensammlung »Alf laila wa-laila« (»Tausendundeine Nacht«) erfolgte 1704–17 in der französischen Übersetzung von Jean-Antoine Galland unter dem Titel »Les mille et une nuits«.

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  12. Mährchen der alten Mutter Gans: Die Märchensammlung »Histoires ou Contes du Temps Passé« (»Geschichten oder Erzählungen aus vergangener Zeit«) (1697) von Charles Perrault (1628–1703) wurde berühmt unter dem Titel der Inschrift auf dem Titelblatt »Contes de ma mère l’Oye« (»Märchen meiner Mutter Gans«).

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  13. Musäus: in seinem Roman »Grandison der Zweyte«

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  14. Siegwarts: Romane in der Art von Millers empfindsamer Klostergeschichte »Siegwart«

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  15. Rinaldo’s: Romane über den italienischen Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini in der Nachfolge von Vulpius

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  16. bayersche Hiesels: Romane über den bayrischen Wilderer Hiesel, in der Art des von Friedrich Eberhard Rambach begonnenen, von Ludwig Tieck beendeten »Mathias Klostermayer oder der bayersche Hiesel« (1791)

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  17. Florentin von Fr. Schlegel: Der (Fragment gebliebene) Roman stammt von Dorothea Schlegel, Friedrich Schlegel gab ihn heraus.

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Steinecke, H. (1976). Artikel »Roman« aus dem »Conversations-Lexicon« von Brockhaus 1817. In: Romantheorie und Romankritik in Deutschland. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03055-9_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03055-9_1

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-00324-9

  • Online ISBN: 978-3-476-03055-9

  • eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)

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