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Einige Vorbemerkungen über den »religiösen Widerstand« gegen das Römische Reich

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Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung
  • 157 Accesses

Zusammenfassung

Für meine Generation haben zwei Bücher, beide in deutscher Sprache und beide Reaktionen auf die faschistische Weltsicht der Nazis, das Interesse an der religiösen Situation des Römischen Reiches bestimmt: H. Fuchs, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt, Berlin 1938, und E. Peterson, Der Monotheismus als politisches Problem: Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Theologie im Imperium Romanum, Leipzig 1935. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die andere Prioritäten hatte, herrschten andere Ansätze vor. Ein Versuch, Mommsens legalistische Annäherung an das Problem der Verfolgungen wiederzubeleben, wurde von H. Last unternommen, doch fand er bei aller Profundität unter den gegebenen Umständen wenig Anklang. Typischerweise wurde die Frage der Rasse von Lasts Schüler A.N. Sherwin-White in seinem Buch Racial Prejudice in Imperial Rome, Cambridge 1967, erörtert. Es war für W. den Boer leicht, in seiner Rezension dieses Werkes (Classical Journal 65, 1970, 184–186) einzuwenden, daß es im Römischen Reich keinen bewußten Rassismus gab. Eher im Einklang mit der neuen Stimmung war die Bewertung des römischen Staates aus der Sicht der christlichen Theologie wie etwa in dem Buch von O. Cullmann, Der Staat im Neuen Testament, Tübingen 1956; ebenso die Sicht des Widerstands der eingeborenen Bevölkerung in den Provinzen (etwa bei M. Benabou, La resistance africaine à la Romanisation, Paris 1976) und die Beziehung zwischen dem Reichskult und der Loyalität der römischen Untertanen, ein Thema, das viel Aufmerksamkeit in den Entretiens der Fondation Hardt 1972 über Les Cultes des Souverains dans L’Empire romain fand (hg. v. W. den Boer, Entretiens sur l’Antiquité Classique 19, Vandoeuvres-Genève 1973).

Zeitgeschichtliche Erfahrungen haben seit den 1930er Jahren zur Thematisierung des »geistigen Widerstands« gegen Rom geführt. Momigliano diskutiert in diesem Aufsatz von 1987 die Schwierigkeiten, die sich bei der Identifizierung des religiösen Elements in Abwehr- und Oppositionsbewegungen gegen die römische Herrschaft zeigen. Dies gilt für Britannien und mehr noch für Ägypten, wo die Quellenlage keinen eindeutigen Anhalt für anti-römische Proteststimmungen bietet. Auch für das weitaus besser dokumentierte Spannungsverhältnis zwischem dem römischen Staat und den Juden bzw. Christen bleiben eine Vielzahl von Unsicherheiten. Selbst für den Jüdischen Krieg von 66–70, die Rebellionen der Diasporajuden 115–117 und schließlich den Bar Kochba-Aufstand 132–135 ist nicht eindeutig zu klären, welche Bedeutung (angesichts der weitgehenden Respektierung der jüdischen Traditionen durch die Römer) das religiöse Element für diese Aufstandsbewegungen hatte. In späterer Zeit scheinen die Spannungen deutlich abgenommen zu haben, was bei Christen wiederum den Verdacht einer anti-christlichen Allianz von Heiden und Juden nährte. Der ambivalenten Haltung der römischen Autoritäten, die sich über die rechtliche Begründung von Repressionen gegenüber Christen unsicher zeigten, korrespondierte die Einstellung von Christen, die ungeachtet der Verfolgungen dem römischen Staat nicht nur ihre Loyalität bekundeten, sondern ihm eine heilsgeschichtliche Rolle zuschrieben, da er mit seiner Friedenssicherung die Ausbreitung des Christentums ermöglicht habe und als letztes Reich im Sinne der Vierreichelehre (vgl. oben, Text 5) mit seiner Fortexistenz das kommende Ende der Welt auflalte. Die sich vermischenden jüdischen und christlichen Adaptationen Sibyllinischer Orakel wiederum verweisen auf eine bei beiden Gruppen untergründig fortbestehende anti-römische Disposition, doch läßt sich das Mischungsverhältnis zwischen politischer Oppositionshaltung und religiös motivierten apokalyptischen Erwartungen nicht eindeutig bestimmen.

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Anmerkungen

  1. Nachtrag Momiglianos: R. A. Markus, Pelagianism: Britain and the Continent, Journal of Ecclesiastical History 31, 1986, 191–204.

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  2. Nachtrag Momiglianos: D Flusser, An Early Jewish-Christian Document in the Tiburtine Sibyl, in Paganisme, judaïsme, christianisme: Influences et affrontements dans le monde antique, Mélanges offerts à Marcel Simon, Paris 1978, 153–183.

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Wilfried Nippel

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© 1998 Springer-Verlag GmbH Deutschland

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Momigliano, A. (1998). Einige Vorbemerkungen über den »religiösen Widerstand« gegen das Römische Reich. In: Nippel, W. (eds) Ausgewählte Schriften zur Geschichte und Geschichtsschreibung. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-03682-7_12

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-03682-7_12

  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-01511-2

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