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Die Goldenen Zwanziger Jahre: Der Common Man und der Langsame Abstieg der Charakterethik

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Der Zwang zum Erfolg
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Zusammenfassung

The rewards are for everybody, and all can win. There are no favorites — Providence always crowns the career of the man who is worthy. And in this game there is no ‚luck‘ — you have the fun of taking the chances but the sobriety of guaranteeing certainties. The speed and the size of your winnings are for you alone to determine […]1

The golden twenties: eine prosperierende Wirtschaft unter konservativen Regierungen, beginnende Massenproduktion, erstarkendes Vertrauen in den für jedermann erreichbaren Wohlstand und die Zeit des ‚go-getters‘. Zugleich erlebt diese Ära aber auch den Höhepunkt und allmählichen Führungsverlust der elitären WASP-Kaste, während mit der unaufhaltsamen Ausbreitung des Dienstleistungsgewerbes gleichsam ‚von unten‘ eine neue breite Angestelltenschicht entsteht — die typisch amerikanische middle class. Der dadurch ausgelöste kulturelle und soziale Mentalitätenwandel bewirkt die nachhaltige Demokratisierung und damit einhergehend unweigerlich ebenso die Veränderung der von den aristokratiegleichen WASPs hochgehaltenen Aufstiegsethik. Dabei erfahren die bestimmenden gesellschaftlichen Vorstellungen über Erfolg eine entscheidende Dynamik.

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Notizen

  1. Seitenangaben im Text beziehen sich auf den Abdruck von „May Day“ in: Arthur Mizener (Hg.), The Fitzgerald Reader (New York: 1963), S. 3–53.

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  2. Wie sehr das Moment des Ausgeliefertseins und der hilflosen Passivität der Hauptfigur von Bedeutung für die Handlung in „May Day“ ist, dokumentieren Fitzgeralds eigene Veränderungen an der Erzählung bei ihrer Aufnahme in die Sammlung Tales of the Jazz Age im Jahre 1922 nach deren erstem Erscheinen zwei Jahre zuvor im Smart Set. So erscheint Sterretts Verhältnis zu Jewel jetzt passiver gestaltet, sein Selbstmord und die damit verbundenen Umstände werden stärker in den Mittelpunkt gerückt. Vgl. dazu Colin S. Cass, „Fitzgerald’s Second Thoughts about ‚May Day‘: A Collation and Study,“ in: Bruccoli, J. Matthew und C. E. Frazer, (Hg.), Fitzgerald/Hemingway Annual 1970 (Washington: 1970), S. 69–82.

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  3. Zur historischen Einordnung der auktorialen und personalen Erzählperspektive vgl. den theoretischen Exkurs von Herbert Kraft in seinem Buch Um Schiller Betrogen (Pfullingen: 1982), S. 48 ff.

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  4. Für den Begriff des Tableaus vgl. Gerhard Hoffmann, Raum, Situation, erzählte Wirklichkeit (Stuttgart: 1978), S. 446–447; besonders auch S.525–526, die Exemplifizierung eines typischen Einleitungstableaus am Beispiel einer Stierkampfbeschreibung in Hemingways The Sun also Rises.

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  5. Vgl. dazu die Ausführungen von Brian Way, F. Scott Fitzgerald and the Art of Social Fiction (London: 1980), S. 79. Die Begrenzung der Darstellung von Ort und Zeit auf einen Tag in einer großen Stadt kann sicherlich, wie Way es bemerkt, als literarisches Mittel der naturalistischen Erzählweise bezeichnet werden. Das reine Konstatieren von narrativen Strukturen jedoch, etwa der vermeintliche Ausdruck eines über die literarische Form in „May Day“ vermittelten sozialen Chaos, bleibt aber ohne jeden Erkenntniswert, wenn nicht nach den Funktionen dieser einzelnen Elemente im literarischen Modell gefragt wird.

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  6. Zum romantischen Liebesideal und den von der Partnerschaftliehen Verständigung her eher distanzierten Verhältnissen zwischen Mann und Frau in den zwanziger Jahren vgl. Robert S. Lynd und Helen M. Lynd, Middletown (New York: 1929), S. 114–130.

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  7. Nur in der Analyse ihrer innertextlichen Funktion erhalten Oppositionen von Textelementen einen Aussagewert, so etwa die zwischen Jewel und Edith — nicht jedoch in einer allein dem New Criticism verpflichteten tour de force durch den Text, welche das eifrige Aufspüren möglichst vieler narrativer Kontrastrelationen mit Textanalyse verwechselt. Vgl. etwa Anthony J. Mazzella, „The Tension of Opposites in ‚May Day,‘“ Studies in Short Fiction, 14 (1979), S. 379–385.

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  8. H. L. Mencken, „On Being an American,“ in: Ders., Prejudices. Third Series (New York: 1922), S. 35.

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  9. Seitenangaben in Klammern beziehen sich auf Ernest Hemingway, In Our Time (New York: 1925), S. 89–101.

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  10. Genau hier liegt auch das Moment von Krebs’ Heilung, das ihn mit der Figur des Nick aus den Nick-Adams Stories verbindet, und nicht etwa im Rückzug auf das Billardspiel und den Verhaltenscodex des Sports, wie John J. Roberts in seinem Aufsatz „In Defense of Krebs,“ Studies in Short Fiction, 13, No. 4 (Fall 1976), S. 515–518, betont.

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  11. So Bruce Bartons Standpunkt in seinem Bestseller The Man Nobody Knows (Indianapolis: 1925), S. 179, in dem er das Leben Jesu zum christlichen Paradigma unternehmerischen Geistes umdeutet.

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  12. Was die Sicht des Vaters in Richard B. Hoveys Untersuchung Hemingway: The Inward Terrain (Seattle and London: 1968) betrifft, so verkennt er dessen tatsächliche Machtposition in der Erzählung, wenn er, S. 41, sagt: „His weak father is unimportant, out of the picture.“

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  13. Vgl. dazu Jochen Schulte-Sasse und Renate Werner, Einführung in die Literaturwissenschaft (München: 4., unveränd. Aufl. 1986), S. 63–85: Der Begriff Isotopie gehört der für die Literaturwissenschaft wichtigen strukturalen Semantik von Greimas an. Er bezeichnet die Wiederholung einer dominanten Bedeutungsebene eines Textes. Isotopien werden durch Wörter konstituiert, die über (ein) gleiche(s) semantische(s) Merkmal(e) — auch Sem genannt — verbunden sind.

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  14. Linda W. Wagners Beobachtung in der von ihr herausgegebenen Sammlung Ernest Hemingway. Five Decades of Criticism ( [East Lansing:] 1974), S. 2 und 3, bestätigt diese Übergangsdynamik in „Soldier’s Home“: „It became Hemingway’s role to record first, the disbelief, and then the acceptance of his own realization that nineteenth century concepts no longer would suffice. From ‚Indian Camp‘ and ‚Soldier’s Home‘ to The Sun Also Rises, Hemingway shares his disillusion and grows to a kind of ironic affirmation.“

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  15. Zitiert nach Richard Hofstadter, The American Political Tradition (New York: 1948), S. 293.

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  16. Vgl. dazu Henry James, Hawthorne (London: 1879), S. 43 und 85: seine inzwischen berühmt gewordenen Klagen über eine kaum entwickelte amerikanische Kultur, die im Vergleich zu der langen Tradition Europas außer einer endlosen Natur keinen nennenswerten erzählerischen Stoff anbietet: „It takes such an accumulation of history and custom, such a complexity of manners and types, to form a fund of suggestion for a novelist […] one might enumerate the items of high civilization, as it exists in other countries, which are absent from the texture of American life, until it should become a wonder to know what was left. […] In the United States, in those days, there were no great things to look out at […] life was not in the least spectacular; society was not brilliant; the country was given up to a great material prosperity, a homely bourgeois activity.“

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  17. Der New Thought, Abkömmling vom idealistisch inspirierten amerikanischen Transzendentalismus, bezieht im Amerika des frühen zwanzigsten Jahrhunderts Position gegen den dominierenden Positivismus und dessen materialistisch begründete Überzeugung, den Menschen vornehmlich als Funktion von physiologischen Prozessen zu sehen. Stattdessen verkünden die Anhänger des insbesondere von Emil Coué propagierten und während der zwanziger Jahre populären New Thought, daß der einzelne durch seine mentale Einstellung seine Lebensbedingungen positiv zu verändern vermag und sich Selbstvertrauen schaffen kann. Die im Verständnis dieser Denkrichtung sich äußernden ‚Erfolgsapostel‘, wie etwa schon Russell Conwell Ende des neunzehnten Jahrhunderts, betreiben gleichzeitig die Säkularisierung der vormals religiös begründeten character ethic und eine Aufwertung des rein materiellen Strebens. Vgl. dazu Weiss, S. 128–149; 170–171; 180–185; und Alfred W. Griswold, „New Thought: A Cult of Success,“ The American Journal of Sociology, 40 (1934), S. 309–318.

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  18. Vgl. Vance Packard, The Status Seekers (London: 1959), S.100.

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  19. John G. Cawelti, Apostles of the Self-Made Man (Chicago und London: 1965), S. 185, erkennt in den Aussagen eines Bruce Barton in The Man Nobody Knows (1925) oder Orison Sweet Marden in Prosperity: How to Attract It (1922) den spitzfindigen Versuch, das materielle Erfolgsstreben angesichts eines ökonomischen Klimas des Aufschwungs mit den tradierten religiösen Vorstellungen in Einklang zu bringen und so akzeptabel zu machen.

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  20. Folgende Zahlen in Klammern im Text beziehen sich auf Edward J. O’Brien, (Hg.), The Best Short Stories of 1927 and the Yearbook of the American Short Story (New York: 1927), S. 59–71.

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  21. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre gewinnt der sich auf Frederick Winslow Taylor stützende sogenannte human relation-Ansatz in der Soziologie der Arbeit — die einer der dem Erfolgsdiskurs benachbarten Diskurse ist — an Gewicht. Auch daran ist das Zurückweichen der allein auf Disziplin und Arbeitskraft vertrauenden Charakterethik abzulesen. Vgl. dazu auch den evolutionshistorischen Exkurs von Heinz-Guenter Vester, Die Thematisierung des Selbst in der postmodernen Gesellschaft (Bonn: 1984), S. 216–219.

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  22. Gerald N. Grob und George A. Billias weisen in ihrem Aufsatz „The 1920’s. Decade of Decline or Destiny?,“ in: Dies., From Progressiv ism to the Cold War: Historical Interpretations, Bd. 3 (New York: 1972), S. 152, auf die Konsummöglichkeiten dieser Zeit hin und erklären, daß die folgenden Depressionsjahre auch die Folge einer zu großen Schere zwischen Produktion und allgemeiner Kaufkraft, „[…] a fundamental maladjustment of productivity and purchasing power“, waren.

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  23. Seitenangaben in Klammern beziehen sich auf Edward J. O’Brien, (Hg.), The Best Short Stories of 1928 and the Yearbook of the American Short Story (New York: 1928), S. 258–261.

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  24. Vgl. dazu auch George Harmon Knoles, The Jazz Age Revisited (New York: 1968, Nachdruck der Ausg. v. 1955), S. 65: „The United States represented the material but not the spiritual home of the Jew. The Jew found himself entirely at home in this ‚wealth-producing, money-spinning country,‘ yet he lived his own life and thought his own thoughts.“

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  25. David Freedman, „Mendel Marantz — Housewife,“ in: Edward J. O’Brien, (Hg.), The Best Short Stories of 1922 and the Yearbook of the American Short Story (Boston: 1923), S. 151–170: Mendel, die männliche jüdische Hauptfigur wird in dieser Story als ein zwar erfindungsreicher aber völliger Nichtsnutz dargestellt, der regelmäßige Arbeit scheut. Die Familie steht wegen seiner zumeist unbrauchbaren Patente und für die Massenproduktion ungeeigneten Erfindungen kurz vor dem Ruin. Nachdem seine Frau aus lauter Verzweiflung selbst eine Tätigkeit annimmt, um den Unterhalt zu sichern, gelingt Mendel, der jetzt die Hausarbeit übernehmen muß, mit der Konstruktion eines „Combination House-Cleaner“ (170) der ‚große Wurf‘, der noch dazu sofort von den Rechtsanwälten einer großen Firma aufgekauft wird. Voller Bewunderung erklärt eine Nachbarin der erstaunten Ehefrau: „‚It makes in five minutes what I do a whole day,‘ Rifke rambled along. ‚They call it such a fancy name — Combination House-Cleaner. It cleans everything. The stranger is from a company which goes to make millions cans like this.‘“ (170)

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  26. Cambray Brown, „Episode in a Machine Age,“ in: O’Henry Memorial Award Prize Stories of 1928 (Garden City/N.Y.: 1928), S. 134–147: In dieser sozialkritisch eingefärbten Short Story werden innerhalb der Figurenbeziehung zwischen Geoffrey Lane, dem überarbeiteten Schriftsteller, und dem Schreibmaschinenfachmann Mr. Kent, der seine Handarbeit nun durch eine von ihm nur noch monoton zu bedienende Maschine erledigt sieht, zwei zeitgenössisch brisante Konfliktmomente im Kontext von individueller Schaffenskraft und technisch rationalisierten Fertigungsweisen angesprochen. Einerseits leiden beide unter der deutlich gesteigerten Produktionsgeschwindigkeit einer rationalisierten Arbeitswelt, so daß etwa Lane Mühe hat, die von ihm verlangten Seriengeschichten für eine in kurzen Abständen gedruckte Zeitschriftenreihe zu schreiben; andererseits sind Kents und Lanes Schwierigkeiten unmittelbar verbunden mit der neuen Zauberformel ‚service‘ einer Dienstleistungsgesellschaft, die ihre Produkte möglichst effizient und schnell anbieten möchte — daher beklagt sich Kent: „‚They don’t need men like me no longer […] All they need is wops or just kids, to stand and feed their bloomin’ machines. No use for brains. All the brains has gone into the machine. You just stand and feed it.‘“ (139) Die Erzählung endet mit einer symbolischen Geste der Solidarität des Schriftstellers. Indem Lane den zum Bandarbeiter degradierten Schreibmaschinen-Mechaniker bittet, sein Schreibgerät, das er durch einen wütenden Schlag auf die Typen ‚schachmatt‘ gesetzt hat, kraft seiner handwerklichen Fähigkeiten zu reparieren, wird das Dienstleistungsprinzip in seiner menschenverachtenden industriellen Praxis verneint. Stattdessen erscheint es mit Lanes demonstrativer Anfrage nach Hilfe in seine eigentliche, dem einzelnen dienliche Funktion restituiert: „‚You’re an expert mechanic, aren’t you?‘ Geoffrey reminded him. ‚Then come over and fix this typewriter!‘“ (147)

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  27. Vgl. dazu David M. Zesmer, Guide to Shakespeare (New York: 1976), S. 334: „The Fool is in the tradition of the prophetic madman who sees and speaks the truth, which he knows, to quote Enid Welsford’s classic study, ‚not by ratiocination but by inspired intuition.‘“

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  28. Vgl. dazu die kulturgeschichtliche Studien von Michel Foucault, Sexualität und Wahrheit, Bd. 3: Die Sorge um Sich (Frankfurt: 1989).

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Rasche, B. (1991). Die Goldenen Zwanziger Jahre: Der Common Man und der Langsame Abstieg der Charakterethik. In: Der Zwang zum Erfolg. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04163-0_2

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