Zusammenfassung
»Know then thyself, presume not God to scan; / The proper study of Mankind is Man.« Eine zeitgenössische Illustration zu den berühmten Versen, mit denen Alexander Pope die zweite Epistel seines Essay on Man eröffnet, zeigt zwei in ein Gespräch vertiefte junge Männer. Einer der Gesprächspartner umfaßt ein Buch, das die Aufschrift HISTORY erkennen läßt; sein Gegenüber stützt sich auf einen Band, dessen Titel dem Betrachter unmittelbar in den Blick fällt: ETHICS. Zu ihren Füßen sitzen Putten, die Instrumente der Naturforschung im kindlichen Spiel um sich ausgebreitet haben.1 Eine deutliche Abstufung. Oder nur ein später Nachklang der Geringschätzung, mit der die Naturphilosophie im humanistischen Fächerkatalog bedacht wurde?2 Wie auch immer — für die vornehmsten Fragen der Anthropologie behaupten die studia humanitatis noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts ihre Geltung. Vor allem im Hinblick auf das instinktentbundene Handeln des Menschen, das als ein Gattungsmerkmal gilt, an das sich die Forderungen nach einer sittlichen Bildung der Persönlichkeit binden. Die Wissenschaften von der Natur, auch der humanen Physis, mögen vergleichbare Ziele verfolgen, ihr Nutzen ist jedenfalls ein anderer und für den Lebensvollzug offenbar von geringerer Bedeutung.
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Anmerkungen
Vgl. August Buck: Die Ethik im humanistischen Studienprogramm. In: Ders.: Studia humanitatis. Gesammelte Aufsätze 1973–1980. Hg. v. Bodo Guthmüller u.a. Wiesbaden 1981, S. 253–262, bes. S. 254f.
C.[hristoph] Meiners: Allgemeine kritische Geschichte der ältern und neuern Ethik oder Lebenswissenschaft nebst einer Untersuchung der Fragen: Gibt es dann auch wirklich eine Wissenschaft des Lebens? Wie sollte ihr Inhalt, wie ihre Methode beschaffen seyn? Erster Theil. Göttingen 1800, S. 270. — Der zweite Teil des Werkes erschien 1801.
Wolfgang Kersting: Kann die Kritik der praktischen Vernunft populär sein? Über Kants Moralphilosophie und pragmatische Anthropologie. In: Studia Leibnitiana 15 (1983), S. 82–93, hier: 90. Vgl. auch Doris Bachmann-Medick: Die ästhetische Ordnung des Handelns. Moralphilosophie und Ästhetik in der Popularphilosophie des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1989, Kap. 1.2.
Vgl. etwa Margaret T. Hodgen: Early Anthropology in the Sixteenth and Seventeenth Centuries. Philadelphia 1964, bes. Kap V.
Vgl. Harald Wentzlaff-Eggebert: Gesellschaftsbezogene Reflexion und verweigerte Gattungsbildung (Versuch einer Funktionsbestimmung moralistischer Texte). In: R. Kloepfer (Hg.): Bildung und Ausbildung in der Romania. Band I: Literaturgeschichte und Texttheorie. München 1979, S. 137–151, bes. S. 144f.
Vgl. Harald Schöndorf: Der Leib und sein Verhältnis zur Seele bei Ernst Platner. In: ThPh 60 (1985), S. 77–87 sowie Alexander Košenina: Ernst Platners Anthropologie und Philosophie. Der philosophische Arzt und seine Wirkung auf Johann Karl Wezel und Jean Paul. Würzburg 1989.
Odo Marquard: Zur Geschichte des philosophischen Begriffs »Anthropologie« seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts. In: Ders.: Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie. Frankfurt a.M. 1973, S. 122–144 u. 213–248, hier: 222 Forts. Anm. 36. Vgl. auch den Hinweis auf Marquards »stimulierende These« bei Cantarutti (Anm. 13), S. 60.
Vgl. Hans-Jürgen Schings: Melancholie und Aufklärung. Melancholiker und ihre Kritiker in Erfahrungsseelenkunde und Literatur des 18. Jahrhunderts. Stuttgart 1977, S. 26ff.
Vgl. Werner Schneiders: Thomasius politicus. Einige Bemerkungen über Staatskunst und Privatpolitik in der aufklärerischen Klugheitslehre. In: Norbert Hinske (Hg.): Zentren der Aufklärung I: Halle. Aufklärung und Pietismus (= Wolfenbütteler Studien zur Aufklärung, Bd. 15). Heidelberg 1989, S. 91–110, bes. S. 99.
Horst Denzer: Samuel Pufendorfs Naturrecht im Wissenschaftssystem seiner Zeit. In: Kjell A. Modéer (Hg.): Samuel von Pufendorf 1632–1982. Ett rättshistoriskt symposium i Lund (= Rättshistoriska Studier, Bd. II/12). Stockholm 1986, S. 17–30, hier: 23.
Vgl. Manfred Beetz: Ein neuentdeckter Lehrer der Conduite. Thomasius in der Geschichte der Gesellschaftsethik. In: Werner Schneiders (Hg.): Christian Thomasius 1655–1728. Interpretationen zu Werk und Wirkung (= Studien zum achtzehnten Jahrhundert, Bd. 11). Hamburg 1989, S. 199–222. Ein Hinweis auf das genannte Textcorpus bereits bei Volker Sinemus: Poetik und Rhetorik im frühmodernen deutschen Staat. Sozialgeschichtliche Bedingungen des Normenwandels im 17. Jahrhundert (= Palaestra, Bd. 269), S. 162f. Zu der Sammlung moralistischer Texte in der ›Bibliotheca Thomasiana‹ vgl. Rolf Lieberwirth: Die französischen Kultureinflüsse auf den deutschen Frühaufklärer Christian Thomasius. In: Wiss. Zs. Univ. Halle 33 (1984), S. 63–73.
Vgl. Horst Denzer: Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel Pufendorf. Eine geistes- und wissenschaftsgeschichtliche Untersuchung zur Geburt des Naturrechts aus der Praktischen Philosophie (= Münchener Studien zur Politik, Bd. 22). München 1972, S. 95. Zum Problem der Übersetzung (»Geselligkeit«) vgl. Klaus Weimar: »Bürgerliches Trauerspiel«. Eine Begriffserklärung im Hinblick auf Lessing. In: DVjs 51 (1977), S. 208–221, bes. S. 215 Anm. 38.
Vgl. Wilhelm Schmidt-Biggemann: Theodizee und Tatsachen. Das philosophische Profil der deutschen Aufklärung. Frankfurt a.M. 1988, S. 98.
Stephan Buchholz: Recht, Religion und Ehe. Orientierungswandel und gelehrte Kontroversen im Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert (= Ius Commune Sonderhefte, Bd. 36). Frankfurt a.M. 1988, S. 110.
Christian Thomasius: Von Der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben / […] Oder: Einleitung Der Sitten=Lehre […]. Sechste Auflage / verbessert und Corr. Halle 1715, S. 357 [Fettdruck im Original wurde nicht berücksichtigt].
Jacob Gabriel Wolf: Kurtzer Entwurf der vornehmsten Grundsätze, Seiner Jurispru-dentiae Ecclesiasticae; wie auch der Jurisprudentiae Naturalis; […]. Halle 1730, S. 12 u. 14.
Vgl. [Samuel Christian Hollmann:] Zufällige Gedanken über verschiedene wichtige Materien. Sechste und Letzte Sammlung. Frankfurt und Leipzig 1776, S. 10–30: Die Moralphilosophie, bes. S. 27f.
Vgl. Immanuel David Mauchart: Phänomene der menschlichen Seele. Eine Materialien=Sammlung zur künftigen Aufklärung in der Erfahrungs=Seelenlehre. Stuttgart 1789, S. 229–290; nur beiläufig werden die »Plichten gegen sich selbst« erwähnt (260).
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Vollhardt, F. (1994). Zwischen pragmatischer Alltagsethik und ästhetischer Erziehung. In: Schings, HJ. (eds) Der ganze Mensch: Anthropologie und Literatur im 18. Jahrhundert. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05560-6_7
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