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Romantische Orientierungstechnik: Kartographie und Dichtung um 1800

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Topographien der Literatur

Part of the book series: Germanistische Symposien Berichtsbände ((GERMSYMP))

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Zusammenfassung

In Novalis’ »Die Lehrlinge zu Sais« läßt der Erzähler die Reisenden, die sich auf ihrer Suche nach dem verloren gegangenen Urvolk zeitweilig in Sais aufhalten, die Problematik der Repräsentation der Natur debattieren. Der erste Redner richtet sein Augenmerk auf das Denkvermögen des Menschen und visiert ein »Gedankensystem zur getreuen Abbildung und Formel des Universums«1 an, der zweite spekuliert über »das große Zugleich in der Natur« (NS I, 102) und deutet damit das an, was Novalis im etwa gleichzeitig entstandenen Allgemeinen Brouillon die »Wechselrepräsentationslehre des Universums« (NS III, 266) nennt, während der letzte, ein »schöner Jüngling mit funkelnden Augen«, das sonderbare Vermögen des Dichters lobpreist, »sich gleichsam in (die Natur) hineinzufühlen« (NS I, 105). Der dritte symphilosophierende Gesprächspartner spielt auf einen eigenartigen Repräsentationsmodus an, der sich sowohl vom Gedankensystem und der magischen Wechselrepräsentation als auch von der Dichtung unterscheidet: Kartographie. Er konfrontiert den das Gedankensystem des ersten Gesprächspartners anzweifelnden zweiten Redner mit der Frage: »Glaubst du nicht, daß es gerade die gut ausgeführten Systeme sein werden, aus denen der künftige Geograph der Natur die Data zu seiner großen Naturkarte nimmt? Sie wird er vergleichen, und diese Vergleichung wird uns das sonderbare Land erst kennen lehren.« (NS I, 98f.) Bekanntlich erwartete Novalis vom künftigen Dichter, daß er den Menschen mit der entfremdeten Natur wieder vertraut macht.

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Anmerkungen

  1. Im akademischen Jahr 1797/98, als Novalis in Freiberg studierte, las Johann F. Lempe über Feldmeßkunst und Markscheidekunst. Siehe Schulz, Gerhard: »Die Berufslaufbahn Friedrich von Hardenbergs (Novalis)«. In: ders. (Hg.): Novalis. Darmstadt 21986, S. 302.

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Tang, C. (2005). Romantische Orientierungstechnik: Kartographie und Dichtung um 1800. In: Böhme, H. (eds) Topographien der Literatur. Germanistische Symposien Berichtsbände. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05571-2_7

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