Skip to main content

Der wissenschaftliche Flaneur: Goffman im Alltag

  • Chapter
  • First Online:
Zur Aktualität von Erving Goffman
  • 9013 Accesses

Zusammenfassung

Goffman ist Pionier einer Soziologie des Alltags, und das in einem vierfachen Sinn: Es handelt sich um eine Soziologie über den Alltag, im Alltag, mit Hilfe des Alltags und für den Alltag. Das bedeutet, dass Goffman nicht lediglich Alltagsphänomene zum Objekt seiner Untersuchung macht und sie „befremdet“: Alltägliche Interaktion ist erstens Goffmans Forschungsfeld, die immer wieder beschworene face to face-Situation der gemeinsamen Anwesenheit in einer sozialen Situation und der Möglichkeit, in dieser aufeinander zu reagieren.

„Just do what I do: hold tight and pretend it’s a plan.“

The Doctor (Eleven: Matt Smith), Doctor Who Christmas Special 2011: The Doctor, The Widow and the Wardrobe (Steven Moffat, Autor).

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

eBook
USD 19.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 29.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Rube Goldberg war berühmt dafür, überkomplexe Maschinen zu bauen, die einfachste Funktionen erfüllten: Eine detailverliebte, mit vielen separaten Elementen ausgestattete Mechanik, die einen ganzen Raum einnahm, musste durchlaufen werden, um z. B. am Ende ein Licht einzuschalten. Die Apparate können über die Bezeichnung „Rube Goldberg contraptions“ gegooglet werden.

  2. 2.

    Währenddessen ist Goffman dennoch der Ansicht, dass man als Sozialwissenschaftler wissen sollte, was dort abläuft. Einmal forderte er seine Studentin Jacqueline Wiseman auf, Kurse in quantitativer Sozialforschung zu besuchen und die Artikel zu lesen. Auf ihren Protest, dass sie so etwas niemals brauchen würde, antwortete er, „We have to know what the enemy is doing“ (Shalin und Wiseman 2009).

  3. 3.

    Goffman hatte viele dieser Sets, als er klein war, und mit einigen davon hat er Explosionen im Keller verursacht. Sein erstes Studium war das der Chemie (s. Kap. 2). Keine dieser Boxen hat ihn zu einem „echten Chemiker“ gemacht.

  4. 4.

    Das erinnert deutsche Leser natürlich an Luhmanns Zettelkästen!

  5. 5.

    Dieselbe Methode wurde auch von Luc Boltanski und Laurent Thévenot (2010) verwendet, wenn auch gradliniger und sauberer, theoretischer und französischer.

  6. 6.

    „Pulp Fiction“, der Titel, den Quentin Tarantino für seinen wohl berühmtesten Film gewählt hat, ist eigentlich die Bezeichnung eines Genres: „Pulp“ ist Brei, Paste, der Papierbrei, aus dem billiges Papier gemacht wird – „pulp fiction“ sind Groschenromane.

  7. 7.

    Die Geschichte geht weiter: Aus diesen Magazinen machte Goffman eine Analyse, die dann in einem Vortrag in Cavans Haus mündete. Zu diesem Vortrag waren ausschließlich Frauen eingeladen, „30 women, almost all of them sociologists, Ph.D. sociologists, not even students at that time” – aber keine Männer, denn Goffman verbat Männern den Zutritt: „he refused to let in any men there, including my 10 year old son“ (Shalin und Cavan 2009).

  8. 8.

    Die offensichtliche Ausnahme ist hier Frame Analysis, in dem Goffmans eigene Werke zu den meistzitierten gehören: Hier greift er die in früheren Büchern angesprochenen Metaphoriken auf und verfestigt sie zu „Rahmen“, um sie in Beziehung zueinander setzen zu können. Das haben einige Betrachter Goffmans als Kurswechsel verstanden, als Aussage, dass das, was zuvor nur Gerüst und Zugang war, nun festes Element der Welt sei, quasi ein später Objektivismus; Crook und Taylor beispielweise meinen, „The dramatic and the theatrical are now no longer a model but a frame – a particular transformation of concrete actual activity with its own claims upon our attention and its own felt sense […] They are now frameworks which taken together constitute a framework of frameworks; a delimited set of organizational principles“ (1980: 235). Das verfehlt allerdings das Ziel von Frame Analysis, das einfach eine neue Metapher nimmt – Rahmen – um systematisch über die alten Metaphern reden zu können. Wenn überhaupt ist Goffman in Frame Analysis noch schnippischer, lockerer und ironischer als in seinen früheren Büchern – was er sich im Licht seiner fortgeschrittenen Karriere leisten konnte.

  9. 9.

    „Gemischte Metapher“ scheint ein Schimpfwort zu sein. Eine goffmaneske Perspektive sollte sich vielleicht abgewöhnen, es als Schimpfwort zu verwenden: Als ob die Ordentlichkeit der Metapher mehr wert wäre als eine Einsicht, die eine gemischte Metapher gerade deshalb produzieren kann, weil sie Grenzen der Rahmung überschreitet und somit auf Thematisierungen kommen kann, die dem Ordentlichkeitsdenken, dem eine solche Vermischung vulgär erscheint, entgehen.

  10. 10.

    Diese Überschrift verdanke ich Alessandro Tietz.

  11. 11.

    Gemischte Metapher! Man könnte „Räume“ und „Balken“ sagen, aber wozu zu sehr in einer Schiene verbleiben?

  12. 12.

    Postmoderne Ansätze haben den Versuch einer Komplettrebellion gegen diese Zweiteilung gewagt, indem sie postmoderne Geschichten, Gedichte, Bilder etc. als Vehikel wissenschaftlicher Erkenntnis verwenden: Es ist der Versuch einer völligen Rebellion dagegen, den Knetwolf zu verwenden, aber erfolgreich war wohl nur eine Dreiviertelrebellion. Da der Anspruch der Erkenntnis beibehalten wird, ist die „Umformulierung“, die Erkenntnis in den Subtext gepackt; es ist damit eine künstlerische Umformulierung des Werkzeuges, indem das Werkzeug nicht mehr verbalisiert, nicht mehr an die Oberfläche gedrängt wird. Da aber weiter eine Erkenntnis intendiert ist, ist das Werkzeug lediglich versteckt, was dann dazu führt, dass Kritiker postmoderner Arbeiten diese als „exklusiv“ verstanden haben: Es ist sicherlich viel aufwändiger, diese Erkenntnisse nachzuvollziehen, wenn sie nicht so deutlich gemacht werden, wie die klassische Wissenschaft das verlangt.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Michael Dellwing .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2014 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Dellwing, M. (2014). Der wissenschaftliche Flaneur: Goffman im Alltag. In: Zur Aktualität von Erving Goffman. Aktuelle und klassische Sozial- und Kulturwissenschaftler|innen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19261-1_3

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19261-1_3

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-19260-4

  • Online ISBN: 978-3-531-19261-1

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics