Zusammenfassung
Das menschliche Gedächtnis gehört, angefangen bei den experimentellen Studien von Ebbinghaus (1885/1966), zu den ältesten Forschungsbereichen der wissenschaftlichen Psychologie. Gleichwohl ist dieser Bereich weit davon entfernt, über ein kohärentes Modell des Erinnerns und Vergessens zu verfügen. Viele Befunde sind widersprüchlich, und Theorien, die einst als gut fundiert galten und allgemein anerkannt waren, haben heute keinen Bestand mehr (vgl. Bower, 2000, für eine kurze Historie der Gedächtnisforschung).
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Notes
- 1.
Gruber (2011) stellt fest, dass die erstere Definition ein weitverbreitetes Missverständnis darstelle und dieser Vorgang besser nur als Kodierung bezeichnet werden solle. Enkodierung schließe die Abspeicherung der Information mit ein.
- 2.
Für eine alternative Unterscheidung der Begriffe retrievability und availability siehe Bower (1970).
- 3.
Zu sogenannten Verlernhypothesen als alternative Erklärungsansätze siehe Melton und Irwin (1940; vgl. auch Klimesch, 1979).
- 4.
Die Kritik an dem Modell bezieht sich (a) auf die Konzeption des Kurzzeitspeichers (z. B. Baddeley, 2000), (b) auf den vorgesehenen Transfermechanismus vom Kurzzeit- in den Langzeitspeicher (z. B. Craik, 2002; Craik & Lockhart, 1972; einen Überblick gibt auch Baddeley, 2004) und (c) generell auf die Unterscheidung von Kurzzeit- und Langzeitspeicher (z. B. G. D. A. Brown & Lewandowsky, 2010; G. D. A. Brown, Neath & Chater, 2007; Crowder, 1982).
- 5.
Inwieweit Konsolidierung bewusste sowie – z. B. im Schlaf – unbewusste Wiederholungsprozesse erfordert, behandeln z. B. Meeter und Murre (2004).
- 6.
M. C. Anderson (2003) nennt diesen Mechanismus Inhibition (inhibition). Da Inhibition aber in der Regel als Bezeichnung für eine breitere Klasse von Mechanismen verwendet wird, soll hier – in Anlehnung an Bäuml (2008) – der spezifischere Ausdruck Item-Unterdrückung (item suppression) verwendet werden.
- 7.
Eine dritte Möglichkeit, die in diesem Kontext oft erwähnt wird, hier aber nicht relevant ist, ist die Blockierung. Blockierung meint, dass die bereits stärker assoziierte Antwort deshalb, weil sie in einer Antwortwettbewerbs- Situation stets gewinnt und immer zuerst abgerufen wird (auch wenn sie dann als inadäquat wieder verworfen wird), weiter an Stärke zunimmt. Dadurch wird der relative Stärkevorteil dieser Antwort gegenüber konkurrierenden (schwächeren) Antworten weiter erhöht und der Abruf der konkurrierenden Antworten unwahrscheinlicher, ohne dass sich allerdings irgendetwas an den konkurrierenden Antworten selbst bzw. den Pfaden zu diesen verändert.
- 8.
Wie Sheard und MacLeod (2005; auch C. M. MacLeod, Dodd, Sheard, Wilson & Bibi, 2003) anmerken, wird im Rahmen der Abrufinhibierungs-Erklärungen i. d. R. nicht spezifiziert, welche Prozesse oder Mechanismen der Inhibierung zugrunde liegen. Daher bleibe Inhibierung ein sehr vager und breiter Begriff, der oft eher das Phänomen beschreibe, dass weniger erinnert werde, als tatsächlich Aussagen über kognitive Prozesse zu treffen.
- 9.
Selbstverständlich sind andere Formen der Markierung (z. B. durch „XXX“ vs. „___“ rechts neben dem Wort) möglich. In der Markierung an sich besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem ursprünglichen Paradigma von M. C. Anderson und Green (2001), bei dem die Probanden vor der TNT-Phase noch auswendig lernen mussten, welches Wort zu welcher Bedingung gehört.
- 10.
Für eine alternative nicht-inhibitorische Erklärung siehe Tomlinson, Huber, Rieth und Davelaar (2009), sowie die Entgegnung von Bäuml und Hanslmayr (2010).
- 11.
Auf klinisch relevante Störungen trifft diese Vorstellung ggf. nicht zu. So wäre es z. B. bei Zwangsgedanken oder auch bei schwer traumatisierenden Erlebnissen möglich, dass diese – weil sie als extrem aversiv empfunden werden und auch spontan bereits nach sehr kurzen Zeitintervallen (z. B. wenigen Sekunden) zurückkehren – einem permanenten Überwachungsprozess unterliegen. Dies würde auch erklären, warum Personen mit Zwangsgedanken deren Unterdrückung nicht gelingt.
- 12.
Erdelyi (2006) weist darauf hin, dass der Begriff der Verdrängung bereits um 1824/25 von Johann Herbart verwendet wurde, um zu beschreiben, dass Ideen andere Ideen temporär aus dem Bewusstsein verdrängen könnten, da das Bewusstsein nur eine beschränkte Kapazität aufweise.
- 13.
Der Begriff der Wiederholung wird in der Literatur uneinheitlich verwendet (vgl. Greene, 1987). Zum einen werden damit zeitlich anhaltende Wiederholungsprozesse bezeichnet, wie es bei den Begriffen „maintenance rehearsal“ und „elaborative rehearsal“ häufig, aber nicht immer impliziert wird. Wiederholung kann aber auch den Prozess bezeichnen, dass nach einer Phase, in der nicht an einen bestimmten Inhalt gedacht wurde, dieser Inhalt wieder ins Bewusstsein tritt bzw. abgerufen wird. Dies wird im Englischen gelegentlich als „(discrete) repetition“ benannt (Greene, 1987). Wo zur Unterscheidung notwendig, wird in dieser Arbeit daher von „wiederholten Abrufen“ gesprochen, wenn „discrete repetition“ in Abgrenzung zu „rehearsal“ gemeint ist.
- 14.
M. K. Johnson und Kollegen (z. B. M. K. Johnson, 1992; Raye et al., 2007) beziehen – im Rahmen des von M. K. Johnson (z. B. 1992) entwickelten „Multiple Entry, Modular (MEM)“-Gedächtnismodells – refreshing ausschließlich auf das Denken an einen kürzlich aktivierten Gedanken bzw. eine kürzlich aktivierte Wahrnehmung. Für das Auffrischen von Inhalten, die bereits nicht mehr im Bewusstsein sind, würde im Rahmen des MEM-Modells die Bezeichnung reactivating verwendet werden. Da die Autoren, die refreshing in diesem eingeschränkten Sinne verwenden, dies jedoch weder begründen noch die Relevanz dieser Unterscheidung aufzeigen (vgl. z. B. Bernblum & Mor, 2010; Raye et al., 2007), wird diese Unterscheidung hier nicht nachvollzogen. Folglich umfasst die Bezeichnung Auffrischung in dieser Arbeit auch die Reaktivierung von Inhalten, die sich nicht mehr aktuell im Bewusstsein befinden bzw. kürzlich darin befanden.
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Peters, J.H. (2012). Grundlegende Gedächtnisprozesse. In: Angstbewältigung und Erinnerung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19526-1_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-19526-1_3
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