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Zusammenfassung

Genau wie jeden anderen Bereich der Kultur kann man auch die Merkmale des alten Rechts nur aus der Psyche des Kindes erklären. Die kindliche Psyche trägt nicht nur den einen oder anderen Bereich des alten Rechts, sondern alle seine Teile. Die Beschreibungen, die die Kinderpsychologen geliefert haben, um das Rechtsdenken der Kinder darzulegen, sind vollkommen identisch mit den Schilderungen von Rechtsethnologen und –historikern hinsichtlich der Merkmale des archaischen Rechts. Die Evolution des Rechtsdenkens bei Jugendlichen der Industriekultur korrespondiert der Evolution des Rechts in der Neuzeit Europas, während die primitiven und zurückgebliebenen Kulturen bis heute das kindliche Recht pflegen. Jean Piaget hat in seinem Werk Das moralische Urteil beim Kinde (1973) das moralische und rechtliche Denken des Kindes am gründlichsten und kompetentesten dargestellt. Es handelt sich m. E. nicht nur um die grundlegendste moralentwicklungspsychologische Arbeit, sondern um die beste Moralstudie überhaupt, auch unter Einschluss der Arbeiten aus der Philosophie. Lawrence Kohlberg ist seit 1958 in die Fußstapfen von Piaget getreten, trotz seines Todes in 1987 die gegenwärtige Diskussion immer noch bestimmend, ohne auch nur annähernd die Qualität des Genfers je erreicht zu haben.

Das Recht ist ein Stück der Weltordnung; es ist unerschütterlich… Das Recht ist alt; neues Recht ist ein Widerspruch; denn entweder erfließt es ausdrücklich oder stillschweigend aus dem alten oder es steht diesem entgegen, dann ist es eben Unrecht. Der Grundgedanke bleibt unangetastet, dass das alte Recht wirklich und das wirkliche Recht alt sei. Sonach ist also Rechtserneuerung im Mittelalter überhaupt nicht möglich? Der Weltanschauung nach nicht. Jede Rechtserneuerung wird aufgefaßt als Wiederherstellung gekränkten guten alten Rechts. (Fritz Kern, Recht und Verfassung im Mittelalter, Tübingen: Wissenschaftliche Buchgemeinschaft 1952, S. 13, 15) Andererseits sind Fal und seinesgleichen mit jeder beliebigen Abänderung der feststehenden Gewohnheiten einverstanden. Nichtsdestoweniger bestehen alle darauf, diese Regeln seien immer so gewesen, wie sie jetzt sind und hätten in der Autorität der Erwachsenen und insbesondere des Vaters ihren Ursprung… Das Kind unterwirft sich der Absicht nach mehr oder weniger vollständig den vorgeschriebenen Regeln, da diese jedoch dem Bewußtsein gewissermaßen äußerlich bleiben, verändern sie sein Verhalten in Wirklichkeit nicht. Daher hält das Kind die Regel für heilig, ohne sie jedoch in Wirklichkeit anzuwenden. (Jean Piaget, Das moralische Urteil beim Kinde, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973, S. 58, 63)

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Notes

  1. 1.

    Fustel 1981, S. 127 f., Tötungsrecht des Familienvaters bis 374 n. C. in Rom; Tötungsrecht in China laut Debon 1979, S. 82; Tötungsrecht in germanischer Zeit, nur teilweise bis ins Spätmittelalter: Schulze 1986, S. 32; Amira 1973, S. 400.

  2. 2.

    Die Befragung von 167 Kindern erbrachte folgendes Resultat (Piaget 1973, S. 304): Alter Strafe Gleichheit Billigkeit 6–9 Jahre 48 % 35 % 17 %, 10–12 Jahre 3 % 55 % 42 %, 13–14 Jahre 0 % 5 % 95 %.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Oesterdiekhoff, G. (2012). Geschichte des Rechts. In: Die Entwicklung der Menschheit von der Kindheitsphase zur Erwachsenenreife. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19727-2_20

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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