Auszug
Kürzlich formulierte ein renommierter Statistiker ganz selbstverständlich, dass die demographischen Daten an den Anfang einer Tagung gehörten, seien sie doch die Fakten, mit denen man sich auseinanderzusetzen habe. Am Anfang steht die Zahl? In den letzten Jahren erfuhr die Demographie in der deutschen Öffentlichkeit eine ausgesprochen starke Beachtung. Damit ist nicht gesagt, dass die aufgeworfenen demographischen Fragestellungen neu sind, denn Themen wie alternde oder schrumpfende Bevölkerungen, umfangreiche Wanderungsbewegungen und sinkende Kinderzahlen begleiten den Prozess der Modernisierung in Land und Stadt. Der folgende Beitrag geht den Gründen und spezifischen Fokussierungen der aktuellen Diskussion nach, die in Wissenschaft und Politik sehr dominant und über weite Strecken als Krisenszenario geführt wird. Anlass für die aktuelle Debatte waren die stark sinkenden Geburtenzahlen und Abwanderungen in Ostdeutschland, sie erstreckt sich aber inzwischen ebenso auf Westdeutschland. Die Ursachen für Intensität und Ausrichtung der Diskussion sind nicht einfach aus einem durch demographische Prozesse entstehenden politischen Handlungsdruck zu erklären. Geschuldet ist dies ebenso nicht — wie häufig vorgebracht — der verzögerten Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die Politik. Im Folgenden soll die These vertreten werden, dass sich die aktuelle Diskussion nur zum Teil aus den demographischen Entwicklungen „an sich“ herleitet. Am Anfang steht nicht die Zahl, sondern das Wort bzw. die Deutung. Einerseits werden in der aktuellen Debatte die demographischen Prozesse ländlicher Räume nur unzureichend in ihrer gesellschaftlichen Wahrnehmung dargestellt, andererseits verschwimmen unter dem Stichwort des demographischen Wandels soziale, kulturelle und ökonomische Veränderungen.
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Beetz, S. (2007). Die Demographisierung ökonomischer, kultureller und sozialer Veränderungen am Beispiel des ländlichen Raums. In: Barlösius, E., Schiek, D. (eds) Demographisierung des Gesellschaftlichen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90417-7_13
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