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Auszug

Fragen zur Terminologie und Struktur von Verwandtschaftsbeziehungen beantworten vor allem die wissenschaftlichen Disziplinen Anthropologie und Ethnologie, da sie Verwandtschaftsforschung als ihre Kerndisziplin betrachten (vgl. Marbach 1998: 95). Die Ethnologie und Anthropologie analysieren Verwandtschaftsbeziehungen jedoch weniger als Teil der familialen Interaktion, sondern primär als Hauptbestandteil der umfassenden Sozialstruktur einer Gesellschaft (vgl. Goode 1967b: 111). Diese Strukturanalysen berücksichtigen nicht ausreichend die Dimension des praktischen Handelns, die im Zentrum einer soziologischen Betrachtung von Verwandtschaft steht (vgl. Medick, Sabean 1984: 49). Rosenbaum (1998: 29f.) stellt in diesem Zusammenhang eine „auffällige Arbeitsteilung zwischen Soziologie und Ethnologie“ fest, in der die Soziologie Verwandtschaftsbeziehungen wegen ihrer vermeintlichen Irrelevanz aus ihrem Gegenstandsbereich ausblendete und sich erst allmählich durchsetzt, dass diese Annahme ein Fehler gewesen sein könnte. Die These des Bedeutungs- und Funktionsverlustes der Verwandtschaft gehört zu den klassischen Annahmen in der Soziologie. Vor diesem Hintergrund wird Verwandtschaft als soziologischer Gegenstand aufgearbeitet.

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Literatur

  1. Eine Verknüpfung zwischen den Disziplinen erfolgt durch die Ethnosoziologie (vgl. dazu Müller 1981; Müller u.a. 1984; Goetze, Mühlfeld 1984).

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  2. Kaufman (1995: 147) bezeichnet die Soziologie als verwandtschaftsblind.

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  3. Speziell mit dem Status von Verwandtschaft im Recht beschäftigen sich Farber (1970: l0lff.), Lücke (1998) und Schwab u.a. (1997).

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  4. Der ethnologische Begriff „konsanguin“ bedeutet „vom selben Blut“ (vgl. Harris 1989: 176).

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  5. „It is because marriage is social and consequently fragile that blood is in the end recognized as being more important of the two principles on which kinship is based“ (Allan 1979a: 31). Dieses Zitat verdeutlicht die westeuropäisch-amerikanische Verwandtschaftsvorstellung. So werden Blutsverwandte als die „wahren“ Verwandten angesehen, da man mit ihnen biogenetische Substanz teilt. Die Affinalverwandtschaft und die fiktiven Verwandten erfahren eine andere kulturelle Bedeutung und gelten als sekundäre Formen von Verwandtschaft (vgl. Petersen 2000: 35).

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  6. In Südosteuropa (z.B. Bulgarien) dominierte bis etwa in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts die patrilineare Abstammungsgruppe hinsichtlich der Bewertung von Verwandten und der Konzeption von Erbrecht und Namensgebung. Heute allerdings ist diese traditionelle Struktur vom Prinzip der Bilinearität überlagert, obwohl sich die patrilineare Organisation jedoch in vielen Situationen als immer noch handlungsrelevant zeigt (vgl. Käser 2001: 16f.).

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  7. Ausführlicher zu den verschiedenen Typen und Begriffen postmaritaler Residenz vgl. Harris (1989: 186).

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  8. Zu den Ursachen und Konsequenzen von Patrilokalität und Matrilokalität vgl. ausführlicher Harris (1989: 189ff.) und Pasternak (1976: 42ff.).

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  9. In diesem Kontext wird eine Gesellschaft als patriarchalisch bezeichnet, wenn das Abstammungssystem patrilinear organisiert ist, die Heirat patrilinear bestimmt ist, die Erbschaft in der männlichen Linie bleibt und die Autorität über die Familienmitglieder in der Hand des Vaters oder seiner Verwandten ist. In einer matriarchalischen Gesellschaft obliegt der Frau und ihren Verwandten Autorität und Besitz (vgl. Radcliffe-Brown 1969: 22).

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  10. Ein weiterer Begriff ist „kinfolk“ (Murdock 1949: 56), wobei insbesondere die Geselligkeitsfunktion dieser Verwandten hervorgehoben wird: „(…) group of near kinsmen who may be expected to be present and participant on important ceremonial occasions, such as weddings, christenings, funerals, Thanksgiving and Christmas Dinners, and family reunions“ (Murdock 1949: 56f).

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  11. Die Namensgebung ist weitgehend patrinominal organisiert, mit Ausnahme z.B. der iberischen Kulturen, die den Namen des Vaters und der Mutter zusammenfügen — trotz des ausgeprägten Patriarchalismus in diesen Ländern. Trotzdem bleibt die weit verbreitete Patrinominalität ein Restbestand unilateraler Verwandtschaftsbeziehungen (vgl. König 1974: 28). Vgl. dazu auch Parsons (1943: 25).

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  12. Man unterscheidet insgesamt zwischen sechs Verwandtschaftsterminologien: „Iroquois“, „Omaha“, „Crow“, „Sudanese“, „Hawaiian“, „Eskimo“ (vgl. dazu weiterführend Pasternak 1976: 129ff, Harris 1989: 194ff).

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  13. In seinem Werk „Elementare Strukturen der Verwandtschaft“ beschäftigt sich Claude Lévi-Strauss mit der theoretischen Fundierung des Inzesttabus (vgl. Lévi-Strauss 1981: 57ff, vgl. dazu auch Pasternak 1976: 28ff. und Harris 1989: 166ff). Ausführlicher zur sozialen und kulturellen Begründung des Inzesttabus vgl. Klein (1991), Johnson (1970: 41), zu den Inzestregeln vgl. Goode (1967a: 53ff).

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  14. Ausführlicher zur europäischen Verwandtschaftsterminologie vgl. Goody (1986: 275ff).

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  15. Der Begriff der „Distanz“ im Kontext verwandtschaftlicher Beziehungen wird von Schneider (1980: 72f.) weiter differenziert. Zum einen repräsentiert der Begriff die genealogische Distanz, ausgedrückt durch die Verwandtschaftsterminologie (z.B. Großtante vs. Tante). Darüber hinaus wird zwischen geographischer und sozioemotionaler Distanz differenziert. Geographische Distanz kann eine entscheidende Determinante von verwandtschaftlichen Kontakten sein. Geographische Nähe wird jedoch nicht als alleiniger Faktor für sozioemotionale Nähe zwischen Verwandten angesehen. Die sozioemotionale Distanz hingegen rekurriert auf die unterschiedliche Verbundenheit zwischen Verwandten, die in Abhängigkeit von der genealogischen Distanz, Häufigkeit der Interaktion, gemeinsamen Erfahrungen u.a. steht.

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  16. In der abendländisch-christlichen Kultur hat sich die Berechnung der Blutsverwandtschaft mehrmals geändert. Die römische Verwandtschaftsrechnung wurde vom kanonischen (kirchlichen) Recht übernommen. Sie ermittelt den Verwandtschaftsgrad wie zuvor beschrieben wurde (vgl. Vowinckel 1995: 67ff).

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  17. Das römische Recht verbot die Heirat von Verwandten bis zum vierten Verwandtschaftsgrad (Geschwisterkinder) (vgl. Plöchl 1960: 229). Das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft wurde in der Zeit vom 8. zum 9. Jahrhundert auf den siebten Grad (Geschwisterurenkel) erhöht. Im 8. Jahrhundert erfolgte eine Verschiebung zugunsten des germanischen Typs. Die Schwägerschaft wurde mit der Blutsverwandtschaft gesetzlich gleichgesetzt (vgl. Plöchl 1960: 403).

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  18. Als spezielle amerikanische Ausdrücke für die entfernte Verwandtschaft können genannt werden: „wakes-and-weddings relatives“, „kissin’ kin“ bzw. „kissin’ cousin“. Insbesondere die entfernten Verwandten sieht man oft zu Familienfeiern, darüber hinaus symbolisiert der Kuss ein Zeichen von verwandtschaftlicher Beziehung, auch wenn zu diesen Verwandten ein eher distanziertes Verhältnis besteht (vgl. Schneider 1980: 70).

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  19. Auf das unterschiedliche Ausmaß von emotionaler Bindung an Verwandte in verschiedenen Gesellschaften und Kulturen wird bereits in „How to Observe Morals and Manners“ (1838) von Harriet Martineau (1802–1876) hingewiesen. Martineau gilt als erste Soziologin (Rossi 1973) und ihr Werk als erste methodologische Abhandlung zur Soziologie und Sozialforschung (vgl. Hill 2002a: li). Ihr soziologischer Beitrag wird jedoch kaum von der akademischen Welt wahrgenommen (vgl. dazu ausführlicher Hoecker-Drysdale 1998: 55ff). Das Studium der Gesellschaft, von „morals“ (ethischen und moralischen Grundlagen) und „manners“ (Handlungen) beinhaltet folgende institutionelle Bereiche einer Gesellschaft: Religion, allgemeine morali-sche Vorstellungen, innere Verfassung („domestic state“) wie z.B. Familie, Ökonomie, Geographie, Verhältnis zwischen Männern und Frauen u.a., die Idee der Freiheit (u.a. Gesetze, Urbanisierung, Erziehung) und Diskurs über die Erforschung von Werten und Zielen einer Gesellschaft (vgl. Hoecker-Drysdale 1998: 41). Verwandtschaftsbeziehungen gehören dem Themenbereich der allgemeinen moralischen Wertvorstellungen an. Martineau stellt dabei die Bedeutung von Verwandtschaft heraus, die für das Studium von Gesellschaften von Relevanz ist: „The observer may obtain further light upon the moral ideas of a people by noting the degree of their Attachment to Kindred and Birth-place. This species of attachment is so natural, that none are absolutely without it; but it varies in degree, according as the moral taste of the people goes to enhance or to subdue it“ (Martineau 2002 [1838]: 119).

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  20. Turner (1969: 16) bezeichnet Verwandte jenseits des ersten und zweiten Grades als „peripheral relations“ und weist darauf hin, dass das Wissen über diese Verwandten und Kontakte zu ihnen sehr variabel sind. Er erkennt auch das Forschungsdefizit in diesem Bereich: „Little attention has been specifically devoted to the study of second or peripheral kin“ (Turner 1969: 17).

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  21. Vgl. auch Firth, Djamour (1956: 42ff).

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  22. Der Gedanke der Parallelität zwischen Verwandtschaft und Freundschaft wird insbesondere in den 1970er Jahren von König (1974a, 1976) und Schneider (1970) aufgegriffen. Diese zentralen Positionen werden an dieser Stelle nicht weiter verfolgt, sondern ausführlich in Kapitel 1.3 dargestellt.

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  23. Vgl. auch Klatzky (1971: 16): „(…) the element of choice or selectivity in kin contacts operates to a much greater extent in the case of siblings and more distant relatives than in that of parents, (…).“

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  24. Auch wenn der Anspruch an Familienfeste (z.B. Weihnachten) besteht, die Verwandtschaft als korporierte, exklusive Gruppe zusammenzubringen, so besteht in Wirklichkeit die Gruppe aus „selected or self-selected kinfolk and unrelated friends“ (vgl. Turner 1969: 86).

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  25. Des Weiteren vermutet die Autorin, dass eine instabile Beziehung mit den Eltern sich folgendermaßen auf die Wahl von Verwandten auswirken könnte: So könnte die Einstellung des Kindes derart sein, dass es keine nahen Beziehungen mit seinen Verwandten erwartet (aufgrund mangelnder Bindung an seine Eltern). Zum anderen können aufgrund unregelmäßiger und geringer Kontakte mit den Eltern oder Geschwistern nur wenige genealogische entfernte Verwandte in sein Leben „dringen“, die zur subjektiven Verwandtschaft der Eltern gehören (vgl. Hubert 1965: 79).

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  26. Firth, Djamour (1956: 43) bezeichnen die Gesamtheit an Verwandten einer Person als „kinship universe“. Dieser Begriff wird von Turner (1969: 22f.) wieder aufgegriffen, der die Bedeutung für die Analyse der sozialen Beziehungen vor dem Hintergrund des Prinzips der Selektivität verwandtschaftlicher Beziehungen hervorhebt: „A detailed knowledge of the kinship universe provides an excellent background against which to examine social contact between kin, since it tends to highlight the selectivity permitted in the establishment of such relationships“ (Turner 1969: 24).

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  27. In diesem Kontext ist auch der „subjektive Familienbegriff“ (Bien, Marbach 1991; Trost 1990) zu sehen. Er erfasst die subjektiv wahrgenommene Familie und entspricht den Familienmitgliedern, die individuell zur Familie gezählt werden.

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  28. Koschorke (1972: 555) bezeichnet diese Form des Zusammenlebens als „Verwandtschaftsfamilie“.

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  29. In der Literatur werden aber auch zwei Gegenbeispiele genannt. Es werden die matrilineare Gesellschaft der indischen Nayar und die Institution des israelischen Kibbuzim angeführt (vgl. dazu Neidhardt 1971: 11f, Harris 1989: 153ff., Johnson 1970: 40f.).

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  30. Als zweite gesellschaftliche Universalie wird das Inzesttabu in allen Gesellschaften identifiziert (vgl. Johnson 1970: 39).

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  31. Die Sozialisierung von Geschlechtsrollen wird aus feministischer Sicht kritisiert (vgl. dazu weiterführend Brück u.a. 1997: 63ff).

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  32. „Es gibt nur die Kernfamilie als familialen Normalfall und davon abweichende, aber in der familialen Privatsphäre durchaus zulässige Varianten, die dann zumeist als »schlechtere Lösungen« erlebt werden, (…)“ (Tyrell 1979: 22).

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  33. Freundschaften sind (ebenso wie Verwandtschaft) ein vernachlässigtes Thema in der Soziologie. Zur Erklärung der Vernachlässigung führt Tenbrock (1964) zwei Gründe an. Zum einen thematisiert die Soziologie die Gesellschaft und mit ihr soziale Institutionen (Herrschaft, Wirtschaft, Familie usw.) und Rollen. Dementsprechend ist es gesellschaftlich unerheblich, ob Mitglieder der Gesellschaft Freundinnen und Freunde haben oder nicht. Persönliche Beziehungen erscheinen soziologisch irrelevant. Zum anderen sind Freundschaften nur aus der Individualität heraus erklärbar, da sie auf Freiwilligkeit beruhen. Dies impliziert, dass eine soziologische Theorie der Freundschaft nicht nur irrelevant, sondern auch unmöglich erscheint (vgl. Tenbrock 1964: 435f). Tenbrock weist jedoch diese Annahmen zurück. Vgl. dazu ausführlicher Tenbrock (1964: 438ff).

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  34. Schuster u.a. (2003: 3) stellen folgende Gegensatzpaare auf: Zuschreibung vs. Freiwilligkeit und Permanenz vs. Auflösbarkeit.

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  35. In diesem Zusammenhang muss der Begriff der symbolischen Verwandtschaft genannt werden, der sich auf Blutsbrüderschaft oder Patenschaft bezieht. Der Begriff gilt als Synonym für rituelle, nicht auf biologischer Blutsverwandtschaft konstituierende Verwandtschaft (vgl. Benovska-Säbkova 2001: 201). Ausführlicher zu den religiösen und historischen Ursprüngen von Blutsbrüderschaft und anderen quasi-verwandtschaftlichen Formen (z.B. Patenschaft) vgl. Goody (1986: 211ff.).

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  36. Eine Freundschaft manifestiert sich vor allem in der gegenseitigen Anerkennung als Freundin oder Freund: „In other words, friendship must be reciprocal in terms of both sides’ labelling of the other“ (Allan 1979a: 44).

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  37. „Friendship, as a continuous creation of personal will and choice, is ungoverned by the structural definitions that bear on family and kinship“ (Pahl 2000: 38).

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  38. Die begriffliche Einordnung von Verwandtschaft als „Gemeinschaft“ ist nach Lüschen (1989: 435) nicht angemessen, da Gemeinschaft — ebenso wie die Primärgruppe — von positiven sozialen Beziehungen und Interaktionen ausgeht (und dies für Verwandtschaft nicht immer zutreffen muss).

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  39. Lee (1985: 28f.) weist in diesem Kontext auf positive Effekte der Interaktionen mit Freundinnen bzw. Freunden für ältere Menschen hinsichtlich des emotionalen Wohlbefindens hin, während sich diese Zusammenhänge für Verwandtschaftsbeziehungen (insbesondere Geschwisterbeziehungen) nicht zeigen. Dieser Unterschied liegt nach Lee in dem Status der jeweiligen Sozialbeziehung begründet, da die Motivation der Verwandten für Hilfe, Zuneigung und Unterstützung vor allem auf normative Verpflichtungen und Zwänge zurückgeführt wird.

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  40. Bei Rubin (1985: 22) heißt es: „Friends choose to do, what kin are obliged to do. With friends, we must earn the rights and privileges that with family usually come just for being part of the collectivity“ [Hervorhebung im Original].

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  41. Beck-Gernsheim (2000: 102) kommt zu folgendem Fazit: „Sicher ist es einseitig, wenn man nur die Zerfallserscheinungen der tradierten Institutionen und Familienformen sieht, nicht dagegen die Ansätze zu neuen Freundschaftsnetzwerken, die sich heute in manchen Gruppen herausbilden. Aber man muss gleichzeitig auch wissen, was die Grenzen solcher Freundschaftsnetzwerke sind, was sie an Aktivität und Eigenleistung voraussetzen, und wer unter diesen Bedingungen vermutlich nicht mithalten kann.“

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  42. Allan (1979a: 41) weist jedoch auf die verbreitete Ansicht der westlichen Kultur hin, dass verwandtschaftliche und freundschaftliche Bindungen exklusiv sind. Dies liegt primär in dem Gegensatzpaar von „achieved“ (Freundschaft) und „ascribed“ (Verwandtschaft) begründet.

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  43. Auch Hoyt, Babchuk (1983: 83) sprechen die Möglichkeit von unterschiedlichen Rollen von Verwandten an: Während Verwandtschaftsbeziehungen zum einen unidimensional und begrenzt sein können, ist darüber jedoch auch eine Koexistenz und Überlappung von freundschaftlichen und verwandtschaftlichen Rollen denkbar.

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  44. In verschiedenen empirischen Studien (Pfeil, Ganzert 1973; Lüschen 1988) wird die Intimität der Freundschaftsbeziehung über die Übernahme einer Patenschaft bei eigenen Kindern operationalisiert. Sie werden deswegen auch als „Quasi-Verwandte“ bezeichnet (vgl. Lüschen 1988: 159). Rubin (1985: 17) weist in diesem Zusammenhang auf die Familien-Metapher hin. Möchte man die Nähe und Verbundenheit einer Freundschaft verdeutlichen, sagt man oft: „Sie sind wie Familie (Schwester, Bruder usw.) für mich.“ Turner (1969: 21) gibt das Beispiel, dass gute Freunde der Eltern von den Kindern oft als Onkel bzw. Tante bezeichnet werden. Bei Naturvölkern konnte man sich unbedingte Freundschaftsbeziehungen (so genannte institutionalisierte Freundschaften) nur im Bild von Verwandtschaftsbeziehungen vorstellen, denn für Treue und Leistung dieser Beziehung ist nur das von „geheiligten Verwandtschaftsbanden“ vorhanden (vgl. Tenbrock 1964: 450f.).

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  45. Als zweite soziale Grundregel wird Reziprozität genannt, die Kontakte mit Nicht-Verwandten ermöglicht. In Bezug auf nahe Verwandtschaftsbeziehungen wird die Möglichkeit des Aufschubs bzw. des Aufhebens der Erfüllung der Reziprozitätsnorm hervorgehoben, während in Beziehungen mit Freunden/Freundinnen oder Kollegen/Kolleginnen viel eher die Erfüllung dieser Regel erwartet wird (vgl. Neyer, Lang 2000b: 37).

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  46. Vgl. Hamilton 1964; Maynard Smith 1964.

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  47. k kann auch als das Verhältnis von Gewinn und Verlust interpretiert werden (vgl. Barash 1980: 92).

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  48. Vgl. dazu ausführlicher Barash (1980: 91).

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  49. Nicht nur Beispiele aus dem Tierreich, auch historische Beispiele (Pilgerväter) bestätigten die Alltagserfahrung, „Altruismus ist teilbar und genetische Verwandtschaft bildet ein Maß für seine Portionierung“ (Voland, Paul 1998: 36).

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  50. Die Übertragung soziobiologischer Erkenntnisse auf das menschliche Verhalten ist ausführlich bei Barash (1980: 266–310) dargestellt.

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  51. Barash (1980: 276) gibt hierfür ein anschauliches Beispiel: „Der Unterschied zwischen Determinismus und genetischem Einfluß ist der gleiche wie zwischen einer gezielt abgeschossenen Kugel und einem in die Luft geworfenen Papierflugzeug. Das Papierflugzeug ist ausgesprochen empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen wie Wind, und seine endgültige Flugbahn läßt sich nur bedingt vorhersagen.“

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  52. Interessant ist an dieser Stelle die Verbindung von ökonomischer Theorie der Familie und der Soziobiologie von Becker (1993: 317ff.), der ein „ökonomisches Modell von Altruismus“ liefert. Beide Theorien unterscheiden sich hinsichtlich ihres Rationalitätsbegriffes und Becker gelingt eine Verbindung des ökonomischen Konzeptes der individuellen Rationalität und dem von der Soziobiologie benutzten Konzept der Gruppenrationalität (vgl. Becker 1993: 320). Altruismus gegenüber Verwandten ist eine Eigenschaft der menschlichen und tierischen „Natur“ (Verwandtschaftsselektion) und basiert vornehmlich auf der Existenz gemeinsamer Gene. Rationalität in der Soziobiologie hängt somit ausschließlich mit der genetischen Selektion zusammen (Gruppenrationalität), nicht thematisiert werden dagegen rationale Akteure, die die Nutzenfunktionen in Abhängigkeit von begrenzten Ressourcen maximieren, was den Prämissen der ökonomischen Theorie entspricht (vgl. Becker 1993: 319f). Zusammenfassend kann festgehalten werden: „Unter Verwendung eines ökonomischen Modells des Altruismus habe ich das Überleben des Altruismus durch die Vorteile erklärt, die er im Fall physischer und sozialer Wechselwirkung erbringt: Unter Verwandten haben sehr viel stärkere Wechselwirkungen bestanden, weil sie in der Regel miteinander oder nahe beieinander lebten“ (Becker 1993: 332).

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  53. Als Beispiele für psychologische Mechanismen, die im Zusammenhang mit dem Kinderwunsch thematisiert werden, nennen Voland, Paul (1998: 46f.) u.a. das kulturelle Normverständnis der Gesellschaft und einen psychologisch verankerten Kinderwunsch. Diese Faktoren jedoch werden aus Sicht der Soziobiologie als proximate Gründe betrachtet, die wirkungsvolle Instrumentarien zur Umsetzung des ultimaten Grunds — die Umsetzung reproduktiver Interessen — sind.

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  54. Werden moderne Kommunikationstechnologien betrachtet, so muss aus heutiger Sicht zusätzlich das Internet genannt werden und die damit verbundenen Möglichkeiten der schnellen und preiswerten Kommunikation. Darüber hinaus werden jedoch auch die negativen Folgen des Internets auf die sozialen Beziehungen analysiert, da beispielsweise eine Substitution der Zeit für soziale Aktivitäten (z.B. Kommunikation mit Familie oder Verwandtschaft) durch die individuelle Zeit der Internetnutzung festzustellen ist (vgl. Franzen 2003: 341f).

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  55. Vowinckel (1995: 83) verbindet den Gedanken von amity mit soziobiologischen Überlegungen: „Amity“ ist biotischen Ursprungs und passt somit inhaltlich in das Konzept der soziobiologischen Theorie des Verwandtschaftsaltruismus (Kapitel 1.4).

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  56. Verwandte übernehmen die Rolle von „Ersatzspielern“, die im Fall einer fehlenden Partnerschaft in empirischen Studien verstärkt als Zweithelfer/-innen in unterschiedlichen Hilfesituationen genannt werden (vgl. Bruckner 1993: 20).

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  57. Neidhardt (1971: 27) bezeichnet diese Art familialer Verbindungen auch als „Solidarität auf Abruf.“

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  58. So können Verwandtschaftsbeziehungen im persönlichen Notfall schnell reaktiviert werden. Im besonderen Maße war dies nach dem zweiten Weltkrieg der Fall (vgl. dazu exemplarisch Wurzbacher 1952; Schelsky 1953; Baumert, Hüning 1954). Hareven (1982a: l0lff.) weist auf die Rolle der Verwandtschaft im beginnenden 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung hin: Sie übernahmen Unterstützungsleistungen in Krisensituationen (Geburt, Krankheit, Todesfall). Ausführlicher zur historischen Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen vgl. Kapitel 2.1.

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  59. Rituale sind expressiv betonte Handlungen mit großer Regelmäßigkeit des Auftretens und Gleichheit des Ablaufs (vgl. Ciaessens 1979: 163).

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  60. Zeiher (1998: 133) nennt zwei Funktionen von Verwandtschaft. Zum einen ist es die Betreuung von Kindern und zum anderen der so genannte „Urlaubstourismus“ (Kinder verbringen ihre Ferien z.B. bei ihrer Tante), der jedoch in früheren Zeiten ein größere Rolle gespielt hat.

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  61. Das Verwandtschaftssystem wird auch als „matri-centred“ bzw. „matral“ bezeichnet (vgl. Firth, Djamour 1956: 41). Luschen (1970: 283) spricht von einer Wandlung des Verwandtschaftssystems zu einem System mit „matriarchalischer Tendenz“. Sabean (1998: 503) bezeichnet die Zentralität der Frauen und der matrilinearen Verwandtschaft als „matrifocality“.

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  62. Als Ursache wird ein „spill over“-Effekt der engen Eltern-Tochter-Beziehung auf die Verwandtschaft angeführt (vgl. Adams 1970: 582).

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  63. Entscheidend ist jedoch die Geschlechtsrollenorientierung. So werden beispielsweise Geschlechterunterschiede hinsichtlich der Verwandtschaftsorientierung bei egalitärer Arbeitsteilung minimiert (vgl. Bott 1971: 136).

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  64. Ausführlicher zur feministischen Kritik an Aussagen der Soziobiologie vgl. Brück u.a. (1997: 52ff.).

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  65. Operationalisiert werden diese Verpflichtungen und die Verwandtschaftsrolle („kinship role“) über folgende Frage: „Who, if anyone, has a duty to do the following for your own relatives? 1. Make decisions of financial help or economic assistance 2. Write letters to relatives 3. Telephone relatives 4. Visit relatives“ (vgl. Bahr 1976: 63f.).

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  66. Rosenthal (1985: 968) operationalisiert die Aufgabe wie folgt: „Thinking about your side of the family in the broadest terms — including your brothers, sisters, aunts, uncles, cousins, grandparents, and so forth — is there currently any one person among you and your family, who, in your opinion, works harder than others at keeping the family in touch with one another?“ (vgl. Rosenthal 1985: 968f.). In der repräsentativen Studie von Rosenthal (1985) wurden insgesamt 458 Personen, die 40 Jahre und älter sind, in Ontario (Kanada) befragt. Nach Gewichtung der Daten ergibt sich ein Anteil von 56% der Befragten, die angegeben, einen kinkeeper in der Familie bzw. Verwandtschaft zu haben. Von den genannten kinkeeper sind 51% Geschwister der Befragten, 23% die Befragten selbst, 4,6% Kinder und 5,4% Eltern. 74% der genannten kinkeeper sind Frauen, womit die Hypothese der geschlechtsspezifischen Verteilung dieser Rolle bestätigt wird. Die Gründe für die Übernahme der Rolle sind vielfältig. 27% der Befragten geben an, der kinkeeper übernahm die Aufgabe, um die Familie zusammenzuhalten, 18% haben die Aufgabe von einem gestorbenen oder erkrankten Familienmitglied übernommen. Weitere Gründe sind persönliche Eigenschaften, ein spezielles Talent, Zeit und Interesse (vgl. Rosenthal 1985: 970).

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  67. Auch Rossi, Rossi (1990: 14) weisen auf die Aktivität, Stärke und Produktivität der Frauen hin, die Kennzeichen ihrer Rolle innerhalb der Familie sind.

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  68. Sabean (1998: 490ff.) liefert hierzu eine Vielzahl von historischen Fallstudien. Sie demonstrieren die wichtige Funktion der Frauen für die Entwicklung, Aufrechterhaltung und Organisation eines Verwandtschaftsnetzwerkes.

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  69. Ein weiterer Themenbereich, der im Zusammenhang von Gender Studies und Verwandtschaft von zentraler Bedeutung ist, ist die Versorgung der älteren Familienangehörigen (vgl. hierzu Abel 1991; Dwyer, Coward 1992; Wolf u.a. 1997). Brück u.a. (1997: 149) betonen, dass die Leistungen von Frauen im Zusammenhang mit der Intergenerationensolidarität auch in der feministischen Forschung noch weitaus mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Vgl. darüber hinaus Brody (1981), Brody u.a. (1983), Troll u.a. (1979).

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  70. Bott (1971: 135) schreibt: „It was these women who organized the large gatherings of kin at weddings, funerals, christenings, and so on, it was usually these women who persuaded male relatives to help one another get jobs, and it was these women who did most of the visiting and small acts of mutual aid.“ Frauen übernehmen hauptsächlich Aufgaben wie Briefe schreiben (82%) und Telefongespräche mit Verwandten (60%) (vgl. Bahr 1976: 67).

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  71. Die Stichprobe umfasst 273 Befragte aus Massachusetts (USA), die älter als 21 Jahre sind (vgl. Gerstel, Gallagher 1993: 602).

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  72. Als zweiten thematischen Schwerpunkt der Studie untersuchen die Wissenschaftlerinnen die psychologischen Kosten des kinkeeping für Frauen (und Männer). Sie stellen dabei fest, dass insbesondere ein kinkeeping, das geringfügig normativ verankert ist (z.B. in Bezug auf „andere Verwandte“), in einem signifikanten positiven Zusammenhang mit Stress, Kummer und Sorgen steht, während dies bei stark normativ verpflichtendem kinkeeping (Eltern) nicht festzustellen ist. Dabei gilt allgemein, dass die Erfahrung eines Rollenkonfliktes zwischen den Aufgaben von kinkeeping, Haushalt und Beruf mit der Anzahl von unterstützten Verwandten und aufgewendeten Stunden zusammenhängen (vgl. Gerstel, Gallagher 1993: 605).

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  73. Insgesamt wurden 150 kanadische Studierende befragt (vgl. Salmon, Daly 1996: 289ff.).

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  74. Auf den ersten Blick erscheint dieses Ergebnis jedoch nicht erstaunlich, bedenkt man die patrilineare Namensgebung, die mittlerweile zwar nicht mehr zwingendes Namensmodell bei einer Heirat ist, jedoch immer noch von der Mehrheit der verheirateten Paare übernommen wird. In diesem Fall wäre es vielleicht nicht erstaunlich, dass Frauen den Nachnamen (Familiennamen des Mannes) nicht in ihr weibliches Selbstkonzept aufnehmen. Die überwiegende Mehrheit (96%) der befragten Frauen sind jedoch nicht verheiratet und tragen ihren Geburtsnamen (vgl. Salmon, Daly 1996: 295).

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  75. Voland, Paul (1998: 51) weisen darauf hin, dass hier noch Forschungsbedarf besteht und eine Generalisierung der Ergebnisse noch nicht gerechtfertigt ist.

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  76. Auch di Leonardo (1992: 255) bezeichnet es als „kin burden“. Abel (1991) und Nelson, Abel (1990) zeigen, dass „kin work“ auch positive Gefühle wie Erfüllung und Triumph auslösen kann.

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(2008). Verwandtschaft: begriffliche und thematische Einordnung. In: (Wahl-)Verwandtschaft — Zur Erklärung verwandtschaftlichen Handelns. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90925-7_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90925-7_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-15706-1

  • Online ISBN: 978-3-531-90925-7

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