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Arbeiterschichten: Entproletarisierung und Differenzierung

  • Chapter
Die Sozialstruktur Deutschlands
  • 2020 Accesses

Auszug

Seit den 1950er Jahren, seit der Nivellierungsthese Schelskys, wird in der Soziologie und in der Öffentlichkeit häufig bezweifelt, dass es in der Bundesrepublik noch eine Arbeiterschicht gebe. Arbeitertypische Lebensbedingungen, Milieus und Lebensstile hätten sich allmählich aufgelöst, die Arbeiterschaft als soziale Schicht hätte sich verflüchtigt. Dahrendorf (1965, 111) wendet sich im Jahr 1965 dezidiert gegen Vorstellungen dieser Art:

„Die Verflüchtigung der Arbeiterschicht im Bewusstsein der anderen ist auch ein Zeugnis für die deutsche Ideologie sozialer Harmonie, die es erlaubt, denjenigen, der von Arbeiterproblemen spricht, als hoffnungslos antiquiert zu belächeln oder als kommunistisch infiziert zu verketzern.“

Und auch heute — vier Jahrzehnte später — erweist es sich, dass die Verflüchtigungsthese bestimmte Entwicklungen sehr einseitig übersteigert.1 Neuere empirische Studien mit unterschiedlichen Ansätzen — aus der Industriesoziologie (Schumann/Kuhlmann 2001), der Milieu-Analyse (Vester 1998) und der Schichtanalyse (Weber-Menges 2004) — kommen zu einem übereinstimmenden Ergebnis: Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter und Arbeiterinnen — und damit zusammenhängend ihr Bewusstsein und ihr Habitus — haben sich stark verändert; dennoch sind sie nicht in einer großen Gruppe von „Arbeitnehmern“ oder „Arbeitskraftunternehmern“ (Voß/Pongratz 1998) aufgegangen, sondern es lässt sich weiterhin in soziologisch gehaltvoller Weise von einer — in sich vielfältig differenzierten — Arbeiterschaft sprechen.

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Anmerkungen

  1. Zur Diskussion um das Verschwinden der Arbeiterklasse vgl. auch Giddens 1985; Gorz 1980; Bahrdt 1973.

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  2. T. Meyer 1992, 41–54; vgl auch Mooser 1984, S. 289; Häußermann 1984, S. 652 f. und 657 ff.; Rosenbaum 1982, 474 f.

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  3. Übereinstimmende Befunde bei Weber-Menges 2004, 266.

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  4. Weber-Menges 2004, 212 ff., 217 ff.; Jansen 1995, 40; Noll/Habich 1990, 178.

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  5. Zu den arbeitertypischen Lebensstilen im Vergleich zu anderen Schichten s. auch Reichenwallner 2000, 143 ff.; Spellerberg 1996, 173 ff.; Herlyn u. a. 1994, insbesondere 235; Klocke 1993, 227 ff.; zu den traditionellen geschlechtstypischen Rollenmustern in Arbeiterfamilien vgl. Koppetsch/Burkart 1999.

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  6. Vorarbeiter werden hier — anders als üblich — mit den Facharbeitern zusammengefasst. Nach Weber-Menges (2004, 375 f., Kap. 3 und 5) stehen sie den Facharbeitern näher als den Meistern — sowohl im Hinblick auf ihre Soziallage (arbeitsrechtliche Stellung, Ausbildung, Einkommen, Ansehen) als auch auf Lebensstil und Mentalität.

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  7. Die folgende Skizze der Arbeitsbedingungen wird in einigen Punkten bestätigt durch die Analysen und Erfahrungsberichte über den sozialistischen Betrieb für die Enquête-Kommission des Bundestages (Deutscher Bundestag 1999. Bd. III.3, S. 1982–2261).

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  8. Vgl. Dippmann 1983, 47 ff.; Naumann/Welskopf 1983, 57; zusammenfassend Erbe 1982, 163 ff.; Kuhnert 1983, 506 f.; Belwe/Klinger 1986, 73 ff.; Lötsch/Lötsch 1985, 49.

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  9. Ähnlich Befunde bei Heydemann/Weil 1999 und in den Beiträgen zu einem Workshop zum Betriebsalltag in der DDR (Stadtland 2000).

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  10. Vgl. z. B. Kroh/ Schmollack/ Thieme 1983, 105; siehe auch Klinger 1984, 25 ff.; Voigt u. a. 1987, 144 ff.

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  11. Vgl. z. B. Grundmann/ Lötsch/ Weidig 1976, 136 ff.; tsch 1985, 15; Weidig 1988a, 92.

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  12. Berechnet nach Landua u. a. 1991, 29.

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  13. Adler 1991, 159, 173 ff.; Frick u. a. 1991, 339; Landua u. a. 1991, 29; Landua/Zapf 1991, 12; Hofmann 1995 und 1995a; vgl. auch Lötsch/Meier 1988, 181 ff.

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  14. Vgl. dazu auch Adler/ Kretzschmar 1995, 14 ff.; Priller 1994, 455.

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  15. Diewald/ Sørensen 1996, 76 f.; Schmidt 1995, 459 ff.; Sozialreport 1994, 102 ff.

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  16. Habich/ Noll 2005, 608; Habich 2000, 556; Bulmahn 2000, 426, 429; Abb. 5.5 auf S. 102.

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© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden

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(2008). Arbeiterschichten: Entproletarisierung und Differenzierung. In: Die Sozialstruktur Deutschlands. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91195-3_9

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91195-3_9

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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