Wie im ersten Kapitel der Arbeit skizziert wurde, sind in der Soziologie mit der Systemtheorie Luhmanns, der These der Freisetzung von verpflichtenden Werten und der Pluralisierung kultureller Wertvorstellungen Strömungen präsent, für die in modernen Gesellschaften Werte und Normen kein ‚soziales Band‘, kein Faktor der sozialen Ordnung mehr sind. Zusätzlich kommt die in den 60er und 70er Jahren geübte Kritik an Parsons Strukturfunktionalismus zum Tragen, die zur Abwendung von der These einer durch Werte geschaffenen gesellschaftlichen Integration führte. Im symbolischen Interaktionismus und der Ethnomethodologie – beide Strömungen formulierten maßgeblich die Kritik an Parsons – wurde der Kultur zugeschriebene Einfluß ‚heruntergeschraubt‘ auf die Mikroebene der Interaktion. Man verstand Kultur nun als ein Reservoir an Mustern für die Definition von Wirklichkeit, nicht jedoch als Mittel der sozialen Integration auf der Makroebene. Betont wurde nun, dass kulturelle Deutungen flexibel sind und geteilte Situationsdeutungen ausgehandelt werden. Das Potential von Kultur, auch ‚Leitplanken des Verbindlichen‘ (Wimmer 1996) zu schaffen und zur Lösung des ‚Problems sozialer Ordnung‘ beizutragen, trat durch diese Entwicklung in den Hintergrund. Die Kritik am Parsonschen Strukturfunktionalismus erübrigte den Kulturbegriff keineswegs, aber die kognitive Funktion von Kultur als Deutungsund Wissensmuster trat in den Vordergrund und verdrängte deren integrative, ordnende Funktion. Offenbar war die Durkheim-Parsons Tradition mit der These einer auf gemeinsamer Kultur basierenden gesellschaftlichen Integration in einem Klima, in dem primär die Freisetzung der Individuen und das Bröckeln von Verbindlichkeiten zugunsten individueller Optionen thematisiert wurden, wenig attraktiv.
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
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Dallinger, U. (2009). Rationale Kooperation: Solidarität durch Institutionen. In: Die Solidarität der modernen Gesellschaft. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91644-6_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91644-6_6
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Online ISBN: 978-3-531-91644-6
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