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Pilgern und touristisches Reisen

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Touristifizierung von Räumen
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Zusammenfassung

Wenn heute wie im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein Millionen Pilger unterwegs sind, dann sollte man an diesem Phänomen nicht die Frage nach der Religiosität oder gar Christlichkeit erörtern. Daraus abzuleiten, dass die irdischen Verhältnisse als unzureichend erkannt werden und dass daher das ganz Andere, das Vollkommene, das Außer-Ordentliche, ja eine jenseitige Erlösung gesucht wird, trifft nicht den Kern, ist doch das Pilgern in westlichen Ländern auch eine säkulare Erscheinung. Pilgern ist auch in früheren Epochen nicht einzig auf ein solches Struktur-und Mentalitätsprinzip zurückzuführen. Unbestritten ist, dass die Idee des Pilgerns seit dem 7./8. Jahrhundert Menschen im Abendland jahrhundertelang in Bewegung setzte (vgl. Birch 1998) und sich im Pilgern die Gesellschaft widerspiegelte, und dies bedeutete nicht zuletzt, dass die Pilgermotive „so bunt wie die der Pilgerscharen“ waren (vgl. Ohler 2005). Insofern ist Pilgern niemals frei von „Sekundärwirkungen“ gewesen, seien sie nun erhofft oder tatsächlich eingetreten. Beispielsweise war der Jakobsweg nicht allein ein Unterwegssein mit dem Ziel, in Santiago de Compostela eine religiöse „Erstwirkung“ zu erfahren (vgl. Herbers 2005). Welche Wünsche man sich auch vorstellen kann, sie sind alle an diesem heiligen Ort mit der Hoffnung auf Erfüllung vorgetragen worden. Dass andere, die Kirche und das Feudalsystem einerseits und die Gewerbetreibenden und die Handwerker andererseits, mit dem Jakobsweg machtpolitische, missionarische, identifikatorische und kommerzielle Motive bzw. Interessen verfolgten, ist ebenso sattsam bekannt wie der Umstand, dass er für eine Professionalisierung des Reisens, also des Aufbrechens, Unterwegsseins und Ankommens sowie des Aufenthalts und der Rückkehr steht. Die mittelalterlichen Pilger sind so gesehen auch Touristen gewesen. Vor diesem Hintergrund lässt sich schon immer von einer Säkularisierung des Pilgerns sprechen. Insofern man Pilgern der Sphäre des christlichen Glaubens zuordnet, kann angesichts dieses Allzu-Menschlichen zumindest konstatiert werden, dass die Kirche als Pilgerveranstalter „ein Entgegenkommen gegenüber der menschlichen Natur, das dem Mysterium der Menschwerdung entspricht, […] zeigt“ (Stenger 1989, S. 24) und demzufolge niemanden aufgrund seiner sozialen und kulturellen Prägung vom Pilgern exkludierte. Mittelalterliches Pilgern ist ein Ausdruck seiner Zeit und steht in einer Ahnenreihe des Reisens. Dem Pilgern und den Kreuzfahrten folgte die Bildungsreise, dann die Gelehrtenund Entdeckungsreise und schließlich die touristische Reise.

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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Wöhler, K. (2011). Pilgern und touristisches Reisen. In: Touristifizierung von Räumen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92761-9_18

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-17539-3

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