Zusammenfassung
Schon früher habe ich darauf hingewiesen, daß die Höhe der Säuglingssterblichkeit wesentlich beeinflußt wird durch die Sterblichkeit der unehelichen Kinder. Überall, und nicht nur bei uns in Deutschland, übertrifft die Sterblichkeit der unehelichen Kinder erheblich die der ehelichen. Rein äußerlich werden die Sterblichkeitsziffern beeinflußt durch das Verhältnis von ehelich und unehelich Geborenen; je mehr uneheliche Kinder in einer Stadt geboren werden, desto geringer wird die Sterblichkeit der unehelich Geborenen. In Kassel beträgt der Prozentsatz der unehelich Geborenen z. B. 7,9; das Verhältnis der ehelichen zur unehelichen Sterblichkeit ist 1:3. Die entsprechenden Zahlen sind für Frankfurt a. M. 14,3 % und 1:2,5; für München 29 % und 1:1,03. Es tritt die Sterblichkeit der unehelichen Kinder besonders da hervor, wo nur wenig uneheliche Kinder geboren werden. Es liegt dies an den sozialen Verhältnissen; denn da, wo viel uneheliche Kinder geboren werden, ist nicht etwa die Unsittlichkeit die Ursache, sondern gesellschaftliche Auffassungen über die Ehe. Vielfach gibt die Geburt eines Kindes ja überhaupt den Anlaß dazu, daß von den Eltern eine Ehe eingegangen wird; so wurden in Berlin im Jahre 1906 nicht weniger als 848 = 42,8 % der unehelich Lebendgeborenen nachträglich legitimiert. Man kann annehmen, daß in zwei Städten mit einer niedrigen und einer hohen Ziffer von unehelichen Geburten die Differenz hauptsächlich dadurch entsteht, daß der Trauungstermin der Eltern verschieden ist; das eine Mal fällt er vor die Geburt, das andere Mal mehr oder weniger hinterher. Es werden sich daraus große Verschiedenheiten in dem Verhältnis der ehelichen und unehelichen Sterblichkeit ergeben, die aber in der Hauptsache durch jene Erscheinung nur vorgetäuscht werden.
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Literatur
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Ewald, W. (1911). Die Fürsorge für uneheliche und verwaiste Säuglinge. In: Soziale Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47460-6_24
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