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Problematik eines fairen Interessenausgleichs in Gruppen und „demokratische“ Legitimation finanzwirtschaftlicher Unternehmensziele

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Entscheidungstheorie

Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

Wenn sich die individuellen Präferenzordnungen der Mitglieder einer Gruppe (einer Familie, eines Vereins, einer Partei, einer Gruppe aus Gesellschaftern eines Unternehmens) über erwogene Alternativen unterscheiden, stellt sich das Problem, wie die Präferenzordnungen der einzelnen Individuen „möglichst gerecht“ oder „fair“ zu einer „kollektiven Präferenzordnung“ (zu einer Präferenzordnung für die Gruppe als Einheit) aggregiert werden können bzw. sollen. In diesem Kap. 17 wird gezeigt, wie dieses Problem präzisiert werden kann und welche Schwierigkeiten seiner Lösung entgegenstehen.

Das Kapitel baut auf dem vorangegangenen Kap. 16 auf, in dem alternative Abstimmungsregeln dargestellt wurden. Dort zeigte sich, dass unterschiedliche Abstimmungsregeln in Konfliktfällen grundsätzlich zu unterschiedlichen Abstimmungsergebnissen führen. Die Frage, wie die individuellen Präferenzordnungen „möglichst gerecht“ zu einer „kollektiven Präferenzordnung“ aggregiert werden sollen, ist daher gleichbedeutend mit der Suche nach der „besten“ Abstimmungsregel.

Die Funktion bzw. Abstimmungsregel, die alternativen Konstellationen individueller Präferenzordnungen der Mitglieder einer Gruppe jeweils eine „kollektive“ Präferenzordnung zuordnet, wird kollektive Wahlfunktion genannt. Die Gruppe könnte versuchen, sich auf Anforderungen zu einigen, um zu einer allseits akzeptierten („gerechten“ oder „fairen“) Wahlfunktion zu gelangen. Arrow hat indessen gezeigt, in welches Dilemma dieser Weg führt. Er hat einige plausible und zunächst harmlos erscheinende Anforderungen formuliert und nachgewiesen, dass überhaupt keine kollektive Wahlfunktion existiert, die alle diese Bedingungen erfüllt (Unmöglichkeitstheorem).

Nach Darstellung des Unmöglichkeitstheorems wird für einige klassische Abstimmungsregeln gezeigt, gegen welche Anforderungen Arrows sie verstoßen. Danach wird die Problematik von Versuchen diskutiert, einen Ausweg aus dem von Arrow aufgezeigten Dilemma zu finden.

Das Unmöglichkeitstheorem von Arrow zeigt, welche Bedeutung die Schaffung von Anreizkompatibilität hat, um finanzielle Interessenkonflikte zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens zu vermeiden (Kap. 12 bis 15). Aber auch bei Anreizkompatibilität können sich Interessenkonflikte ergeben, weil sich nicht alle Gesellschafter allein an ihrem finanziellen Nutzen, sondern auch an immateriellen Zielen orientieren. Vor dem Hintergrund des Unmöglichkeitstheorems wird untersucht, inwieweit dann trotzdem finanzwirtschaftliche Ziele (insbesondere das Ziel der Maximierung des Marktwertes eines Unternehmens) auf der Basis der Präferenzen der Gesellschafter „demokratisch“ legitimiert werden können.

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Notes

  1. 1.

    Zur Darstellung der Bedingung vgl. Bamberg et al. (2012, S. 217).

  2. 2.

    Da keine Vorschrift existiert, wie die Mitglieder zu nummerieren sind, stimmen zwei Präferenzordnungsprofile auf der Menge {Ax,Ay) bereits dann überein, wenn jeweils die Zahl sowohl der Präferenzen für Ax als auch der Präferenzen für Ay als auch der Indifferenzrelationen übereinstimmt. Im vorliegenden Fall müsste also ein Mitglied die Alternative A2 gegenüber A3 präferieren, für ein weiteres Mitglied die umgekehrte Präferenzrelation gelten und schließlich eine Indifferenzrelation gegeben sein.

  3. 3.

    Bei drei Alternativen gibt es ohne Beachtung der Indifferenz 3! = 6 mögliche Präferenzordnungen. Wenn sechs Präferenzordnungen für Präferenzordnungsprofile mit zwei Mitgliedern kombiniert werden, resultieren 62 = 36 mögliche Präferenzordnungsprofile. Eine kollektive Wahlfunktion muss nun jedem Präferenzordnungprofil eine kollektive Präferenzordnung zuweisen. Bei 3! = 6 möglichen kollektiven Präferenzordnungen und 36 möglichen Präferenzordnungsprofilen im unbeschränkten Definitionsbereich, ergibt sich die oben genannte Zahl von 636 möglichen kollektiven Wahlfunktionen. Betrachtet man Präferenzordnungsprofile als äquivalent, wenn lediglich die Nummern der Mitglieder vertauscht sind (sie also Permutationen desselben Präferenzordnungsprofils sind), so reduziert sich die Anzahl möglicher Wahlfunktionen immerhin auf 621, eine weiterhin sehr große Zahl. Allerdings sind in dieser Menge der möglichen kollektiven Wahlfunktionen auch unsinnige Funktionen enthalten, wie beispielsweise die Zuordnung der kollektiven Präferenzordnung A1 P A2 P A3 zu jedem möglichen Präferenzordnungsprofil des Definitionsbereichs.

  4. 4.

    Es wird hier wieder davon ausgegangen, dass kein Mitglied indifferent zwischen zwei oder mehr Alternativen ist. Die Vorgehensweise zur Ermittlung der kollektiven Präferenzordnung und die folgenden Ausführungen gelten aber auch für den Fall, dass Mitglieder, die indifferent zwischen zwei Alternativen sind, sich der Stimme enthalten, und Stimmenthaltungen nicht berücksichtigt werden.

  5. 5.

    Für das Präferenzordnungsprofil in Tab. 16.4 (Kap. 16, Abschn. 16.4.2.1) z. B. ergibt sich der folgende Zyklus: A1 P A2 P A3 P A1.

  6. 6.

    Bei der Single-Vote-Regel z. B. kann eine Alternative die Wahl gewinnen, die den paarweisen Vergleich mit jeder anderen verlieren würde. Bei der Hare-Regel kann eine Condorcet-Alternative (die jeden paarweisen Vergleich gewinnen würde) schon im ersten Wahlgang ausscheiden. Vgl. Kap. 16, Abschn. 16.4.2.6.

  7. 7.

    Die folgenden Darstellungen gelten analog für den Fall, dass zwar Marktwertmaximierung nicht mit subjektiver finanzwirtschaftlicher Nutzenmaximierung kompatibel ist, jedoch trotzdem Anreizkompatibilität besteht. Wenn sich alle Gesellschafter ausschließlich an finanziellen Überschüssen orientieren, werden dann in der kollektiven Präferenzordnung die Alternativen nach fallendem finanzwirtschaftlichem Nutzen für einen beliebigen Gesellschafter gereiht. Das Unternehmensziel lautet dann einmütig Maximierung des finanzwirtschaftlichen Nutzens für einen beliebigen und somit für alle Gesellschafter; Konflikte können sich erst wieder ergeben, wenn neben den Überschüssen auch andere Zielgrößen maßgeblich sind.

  8. 8.

    Ein Gesellschafter könnte auch im privaten Bereich (etwa als Lieferant oder als Kunde des Unternehmens) finanzielle Vor- oder Nachteile erzielen, die direkt von der gewählten Alternative abhängen. Davon soll hier der Einfachheit halber abgesehen werden. Wir berücksichtigen auch nicht Konflikte aus heterogenen Erwartungen über die Konsequenzen von Alternativen.

  9. 9.

    Vgl. § 119 HGB (siehe hierzu Abschn. 17.7.3).

  10. 10.

    Zur Verdeutlichung diene ein einfaches Beispiel: Jeder Gesellschafter ordne einer Alternative mit nichtmaximalem Marktwert aufgrund eines entsprechenden Eigenwertes einen derart hohen Präferenzwert zu, dass sie den ersten Platz in seiner Präferenzordnung einnimmt (Erstpräferenz). Die anderen Alternativen werden jeweils nach fallenden Marktwerten geordnet, weil deren mögliche Eigenwerte die Unterschiede in den anteiligen Marktwerten nicht kompensieren. Bei einem beliebigen paarweisen Vergleich erhält dann die Alternative mit dem höheren Marktwert die Stimmen der Gesellschafter, die hierfür eine Erstpräferenz haben oder weder dieser noch der anderen Alternativen die Erstpräferenz zuordnen. Ist für jeden paarweisen Vergleich die Zahl der Gesellschafter mit Erstpräferenz für die Alternative mit dem kleineren Marktwert niedriger als die Hälfte aller Gesellschafter, so gewinnt jeweils die mit dem höheren Marktwert, sodass die Bedingung U** erfüllt ist.

  11. 11.

    Wird z. B. die Präferenzfunktion eines Gesellschafters positiv linear transformiert, so ändert sich zwar seine Präferenzordnung über die Alternativen nicht, jedoch kann sich die kollektive Präferenzordnung ändern.

  12. 12.

    Vgl. § 133 Abs. (1) AktG und § 134 Abs. (1) AktG (siehe hierzu Abschn. 17.7.2).

  13. 13.

    Zur Begründung dieser Kompetenzverteilung vgl. Abschn. 17.7.

  14. 14.

    Bei mehr als zwei Alternativen stellt sich das Problem, wie gemäß der „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ die Auswahl zu treffen ist. Wird analog zur Regel des paarweisen Vergleichs (Kap. 16, Abschn. 16.4.2.3), zur Single-Vote-Regel (Kap. 16, Abschn. 16.4.2.4) oder zur Hare-Regel (Kap. 16, Abschn. 16.4.2.6) verfahren, so ergeben sich (falls kein Gesellschafter über mehr als die Hälfte aller Stimmen verfügt) im Prinzip dieselben Implikationen wie für den Fall, dass jedes Gruppenmitglied nur eine Stimme hat.

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Laux, H., Gillenkirch, R., Schenk-Mathes, H. (2014). Problematik eines fairen Interessenausgleichs in Gruppen und „demokratische“ Legitimation finanzwirtschaftlicher Unternehmensziele. In: Entscheidungstheorie. Springer-Lehrbuch. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55258-8_17

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