Zusammenfassung
In von Medizinern verfaßten Schriften zur Primär- und Sekundärprävention werden falsche Ernährungsweise, Bewegungsmangel, Mißbrauch von Genußmitteln und ein ungesunder Lebensstil häufig betont (Kellermann, 1982). Diese Literatur zum Thema „health promotion“ vernachlässigt — von einigen Ausnahmen abgesehen — die Relevanz gesundheitsfördernder und -gefährdender Faktoren psychosozialer Natur. Aufgrund des zunehmenden wissenschaftlichen Nachweises eines Zusammenhangs zwischen psychosozialen und biologischen Prozessen scheint diese rein biomedizinische materialistische Betrachtungsweise mangelhaft und überaus einseitig zu sein. Dies gilt v. a. hinsichtlich der Rolle der Familie bei der Erhaltung physischer und seelischer Gesundheit, die in der oben genannten Literatur selten erwähnt wird (Groen 1986; Baltrusch et al. 1986). Phylogenetisch gesehen ist zu vermuten, daß die sozialen Bindungen der Familie einen Teil des biologischen Programms des Menschen bilden. Fehlende Bindungen in der frühkindlichen und Erwachsenenfamilie gehen mit psychischen, aber auch mit biologischen Fehlentwicklungen einher (Henry u.Stevens 1977; Bowlby 1980; Brown 1982; Coe, im Druck; Groen, im Druck). Wenn der Mensch biologisch so vorprogrammiert ist, daß spezifische zwischenmenschliche Beziehungen während des Lebenszyklus notwendig sind, haben seine sozialen Verhaltensweisen einige gesundheitspolitische Relevanz. Tendenzen zum Einpersonenhaushalt und steigende Scheidungsraten in westlichen Industrieländern sind möglichen Anzeichen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, die biologische Folgen haben können. Durkheims Arbeit über den Selbstmord (1897) hat eine wachsende sozialepidemiologische Forschungstätigkeit angeregt, die dieser Fragestellung nachzugehen versucht (Cassel 1972; Syme u. Seeman 1983; Wallston et al. 1983). Die Umsetzung dieser wissenschaftlichen Kenntnisse in der Gesundheitserziehung, Primärprävention und Rehabilitationsmedizin dürfte zukünftig von ständig steigender Bedeutung sein, was eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Sozialwissenschaftlern voraussetzt (Gerhardt u. Friedrich 1985; Solomon 1985; Mace 1985).
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Waltz, M. (1987). Bedeutung der Familie bei der Infarktbewältigung. In: Leben mit dem Herzinfarkt. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-71713-0_6
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