Zusammenfassung
Es ist gar nicht so lange her, daß man die Vielfalt der Proteine hinsichtlich Primärstruktur (Aminosäuresequenz) und Teilchengestalt (Konformation) als biochemisches Korrelat für die Vielfalt der Arten erkannt hat. Dementsprechend schenkte man dem gut in dieses Konzept passenden Axiom von der Einheitlichkeit des artspezifischen Bauplanes blind Glauben. Dies ist um so erstaunlicher als bereits Garrod Zweifel an der Uniformität des Bauplanes Mensch geäußert hat. Die vier von ihm beschriebenen angeborenen Irrtümer (Albinismus, Alkaptonurie,.Cystinurie und Pentosurie) sind zwar heute noch Raritäten, ebenso die etwa 130 seither neu dazu gekommenen „inborn errors“ [2, 18]. Das weitblickende Urteil des Entdeckers hat sich als richtig erwiesen: Es sind dies lediglich extreme Formen molekularer Variation, wie sie bei allen Arten und in jeder Population zu finden sind. Diese biochemische Individualität erstreckt sich auf alle Körperbausteine. So wie sich die Menschen durch ihr Aussehen oder ihre Blutgruppenzugehörigkeit unterscheiden, so differieren sie bei genauer Untersuchung auch in ihrem Enzymmuster. Was aus der Sicht des Klinikers als „Norm” bezeichnet wird, umschließt somit einen nicht unbeträchtlichen Bereich molekularer Variationsmöglichkeiten. Dies gilt vor allem für die Enzyme, obgleich diese im Hinblick auf ihre Wirkungsund Substratspezifität besonders hohen Strukturanforderungen zu genügen haben. Trotz verschiedener Primärstruktur infolge von Aminosäuresubstitutionen brauchen katalytische Wirkung und Stabilität derartiger Enzymvarianten nicht wesentlich von derjenigen der Normalform abzuweichen. Die Zahl der bekannten Enzymvarianten ist gerade in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Dies berechtigt zur Feststellung, daß auch bei den Enzymen das Konzept von der Uniformität des Bauplanes durch dasjenige der Heterogenität abgelöst worden ist. Gerade weil Enzymdefekte als Extremfall dieser molekularen Variation anzusehen sind, rechtfertigt sich eine Betrachtung aller Übergangsformen, angefangen bei den Varianten, die dem Normbereich zugeordnet werden dürfen, bis zu den Erbkrankheiten, die auf einen weitgehenden bis völligen Ausfall eines Enzyms zurückzuführen. sind.
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Aebi, H. (1972). Enzymdefekte als molekulare Krankheiten. In: Schlegel, B. (eds) Achtundsiebzigster Kongress. Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, vol 78. J.F. Bergmann-Verlag, Munich. https://doi.org/10.1007/978-3-642-85448-4_72
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