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Zur Theorie des schizophrenen Personwandels

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Der Erlebniswandel des Schizophrenen

Part of the book series: Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie ((MONOGRAPHIEN,volume 89))

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Zusammenfassung

Die Untersuchung war bisher vornehmlich deskriptive Analyse situativer Strukturen des Schizophrenen und dynamischer Wechselbezüge einiger heraushebbarer Strukturmomente. Der Ablauf der Stadien wurde als solcher festgestellt und im Hinblick auf seelische Bedingungen der Wandlungen nur unsystematisch befragt. Aufbau einer Theorie besagt aber: Feststellung eines strikten Bedingungszusammenhanges situativer Teilmomente, aus denen mit konditionalgenetischer Folgerichtigkeit seelische Geschehensabläufe nach ihrer Erlebens- und Verhaltenscharakteristik erklärbar und voraussagbar werden. In der Psychologie gilt ein solches Methodenideal vielen als vorbildlich, wiewohl damit bisher lediglich periphere Leistungsabläufe erfaßt, nicht aber eine Personlehre im ganzen bestritten werden konnten. Für die Psychopathologie hat rigorose Theorie-„Besessenheit” — man darf dies angesichts einer Legion psychometrischer Forschungen ruhig sagen — nicht zu einer verbindlichen Theorie geführt. Häufig wurden die engen Grenzen einer naturalistischen Versachlichung des Seelischen verkannt, wie vor allem Straus zeigte; man übersah die Notwendigkeit von Zugangs weisen, die den Eigenheiten des Seelischen genügen. Diesen den Rang der Erkenntniswissenschaft-lichkeit zu entziehen und sie auf eine vorwissenschaftliche „Kennerschaft”‘ zu reduzieren, wie es Conrad gegen den Sinn seines eigenen Forschens andeutungsweise tut, ist nur möglich, wenn Wissenschaft und Naturwissenschaft gleichgesetzt werden.

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Literatur

  1. Dieses Postulat gilt in einem Sinn, den Kraepelix bei der Diskussion der Paranoiafrage so formulierte: „...daß die verschiedenen Wahnrichtungen ... ungefähr den allgemeinen Befürchtungen und Hoffnungen des gesunden Menschen entsprechen. Sie erscheinen daher gewissermaßen als der krankhaft umgeformte Ausdruck der natürlichen Regungen des menschlichen Herzens.”

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  2. Kuhn hat die Grenzproblematik daseinsanalytisch durchdacht ; er stellt den Begriff der Begrenzung in einen Bereich, „welcher das gesunde Dasein und das schizophrene gleicherweise als Möglichkeiten in sich enthält.”

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  3. Diesen Bemerkungen liegt keineswegs die Überzeugung zugrunde, das Problem der Grenzhaftigkeit schizophrener Situationen sei damit gel st oder auch nur abgeschritten. Fragen nach Grenzveränderungen lassen sich zwar an der Gegenüberstellung des Einbruchs und Ausbruchs anschaulich entwickeln; vorderhand sehen wir jedoch nur Hypothesen. Empirische Korrekturen und Verifizierungen durch umfangreichere Fallanalysen scheinen aber möglich.

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  4. Das „Überhandnehmen der Passivitäten” wird von H. Binswanger, der das „Wesen der schizophrenen Erkrankung in einer abartig-veränderten Struktur der menschlichen Vitalität” sieht, auf ein Versagen vitaler Wahrnehmungs- und Erinnerungsvorgänge bezogen. Dieses wiederum gründet in einer „Abschnürung der Vitalität vom Allgemeinleben”. Der Versuch H. Binswangers rechtfertigt sich aus der Lebensphilosophie von Klages, insbesondere aus seiner Lehre vom „Schauen der Bilder”; er verdeutlicht indessen die fundierenden „Vital”-Bezüge, welche der Wahrnehmung von Wesensqualitäten zugrundeliegen.

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  5. Dabei wird nicht verkannt, daß ein Teil der schizophrenen „Defekte” von solchen Dauerumwandlungen gedeckt wird, welche unter schleichendem Beginn in eine symptomlose, stille Wesenswandlung hineinführen; diese Zustände scheinen sich vorläufig einer motivationstheoretischen Betrachtung zu entziehen und unter dem Titel der „dynamischen Reduktion”, wie er von Berze, Conrad und Janzarik gebraucht wird, psychopathologisch angemessen untergebracht zu sein.

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  6. Die hier gestellten pharmako-psychologischen Probleme sind für die psychotherapeutisch gelenkte Insulin-Koma-Therapie von M. Müller dargestellt worden; weniger Sicheres ist bekannt für die Elektro-Krampf-Therapie, deren psychopathologische Durchdringung durch v. Baeyer, Weitbrecht u. a. vor allem klinisch ausgerichtet ist. Die Psychopathologie der Neuroplegika wurde unter diesen Gesichtspunkten erst in Angriff genommen (Janzarik, Mielke).

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  7. Wir erwähnen die gruppendynamischen Forschungen, auf den Studien von Schilder, Moreno, Lewin und Slavson basierend, die Untersuchungen zur schizophrenen Kommunikationsproblematik von Sullivan und Ruesch, das Studium der Sozialbezüge innerhalb psychiatrischer Institutionen, wie es im Arbeitskreis um Fromm-Reichmann von Stanton

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  8. Die Einseitigkeit dieser Sichtweise wurde durch v. Baeyer verdeutlicht am Sonderproblem des konfo men Wahns; die herangezogenen seltenen Literaturfälle, insbesondere aber die Familiengeschichte der beiden Kerns und ihrer induzierten Kinder erweisen quasiexperimentell das Ineinander von Mitweltlichem und Eigenweltlichem zweier psychotischer Partner, welche, indem sie sich zusammenschließen, „nicht als isoliertes ,Ich’, sondern als ,Wir’ in ihr Schicksal hineingehen”. In einer Vorwegnahme des Psychonomieprinzips sieht v. Baeyer die „psychogene Plastizität” dieser psychotischen Wir-Existenz. Die Wirksamkeit „normaler” Daseinsformen „erstreckt sich nicht nur auf die Herausbildung eines konformen, wir-bezogenen Sinngehaltes der Erkrankung, sondern auch auf den Verlauf der Erkrankung, vielleicht sogar in gewissem Sinne auf die funktionale Form”. Als Verstehensweg zur Erhellung solcher Wahngemeinsamkeit, für die eine Reduktion des einen der Partner auf eine induzierte Reaktion nicht angängig ist, wählte v. Baeyer bereits 1932 die „existentiale Analyse”, die sich „auf das Ganze des psychotischen Daseins” richtet. Die durch v. Baeyer 1951 erhobene Katamnese bestätigte die Schizophreniediagnose beider Ehepartner Kern (s. auch Mechler).

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  9. Ein wesentliches Diakritikum für die Position des Kranken innerhalb des Lebensraumes liegt in den Weisen, wie mitweltliche Forderungen und die damit in der Genesis des schizophrenen Erlebens seit je verflochtenen Nötigungen der psychotischen Eigenwelt in Beziehung gebracht werden. Daß hier Preisgaben und Erlangungen personaler Freiheiten verschiedensten Sinnes miteinander verknüpft sind, kann nur angedeutet werden, v. Baeyer hat diese komplizierten mitweltlichen Bezüge unter dem Freiheitsaspekt näher analysiert. In der neueren Anthropologie und Philosophie, vor allem in den Untersuchungen von Ebner, Bubeb, Husserl und Löwith wurden Einsichten in die dialogische Weltverfassung des Menschen und die Konstitution des transzendentalen Wir eröffnet, deren Relevanz für psychopathologische Fragen keineswegs ausgemessen ist.

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  10. Ein mögliches MißVerständnis dieser Auffassung ist abzuwehren: es wird hier kein erkenntnistheoretischer Phänomenalismus propagiert. Daß wir alle in je besonderen Erlebnissphären ohne die Möglichkeit eines Transzendierens in ein „objektives” Außen festgebannt seien, ist ein philosophisches Theorem, das mit der hier behandelten schizophrenen Eigen-weltlichkeit als wissenschaftlicher Erfahrungsgegebenheit nichts zu tun hat. Auch über ein „Hereinragen objektiver Transzendenz” in eine dafür besonders erschlossene Eigenweltlichkeit des Schizophrenen (Blankenburg) ist empirisch nicht zu befinden.

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© 1960 Springer-Verlag OHG. Berlin · Göttingen · Heidelberg

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Kisker, K.P. (1960). Zur Theorie des schizophrenen Personwandels. In: Der Erlebniswandel des Schizophrenen. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 89. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-86128-4_4

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