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Das Lebesgue-Integral

  • Chapter
Analysis II

Part of the book series: Grundwissen Mathematik ((GRUNDWISSEN,volume 4))

  • 236 Accesses

Zusammenfassung

Um 1870 kam Bewegung in die reelle Analysis, verursacht u.a. durch den 1872 endlich wohlfundierten Begriff der reellen Zahl und genährt durch die sich ausbreitende Mengenlehre. Die Darstellung willkürlicher Funktionen durch trigonometrische Reihen war ein zentrales, stimulierendes Problem. Da die Fourier-koeffizienten einer Funktion durch Integrale bestimmt sind, tritt die Integration ganz natürlich ins Rampenlicht. Schon DIRICHLET hatte 1829 in einer berühmten Arbeit über die Konvergenz trigonometrischer Reihen (Crelles J. 4, 157–169) versucht, die Cauchysche Integraldefinition (vgl. die Einleitung zu § 1.9) auf Funktionen zu erweitern, deren Unstetigkeitsstellen eine nirgends dichte Menge bilden (eine Menge heißt nirgends dicht, wenn es in jedem Intervall ein Teilintervall gibt, das frei von Punkten dieser Menge ist). RIEMANNS Integraldefinition aus seiner Habilitationsschrift von 1854 über trigonometrische Reihen wurde erst um 1870 allgemein bekannt (die Habilitationsschrift erschien erst 1867 im Druck). Riemann gab dort ein Beispiel einer integrierbaren Funktion, deren Unstetigkeitsstellen überall dicht liegen, wodurch die Allgemeinheit seines Integralbegriffs überzeugend demonstriert wurde. Um so dringender war es, die unstetigen Funktionen zu klassifizieren und Kriterien für die Integrierbarkeit zu finden. Riemanns Schüler Hermann Hankel (1839–1873, Professor in Tübingen) schrieb 1870 einen Essay Untersuchungen über die unendlich oft oszillierenden und unstetigen Funktionen (OK 153 = Math. Ann. 20, 63–112). Darin nennt er eine Menge ‚diskret‘, wenn sie durch endlich viele Intervalle von beliebig kleiner Gesamtlänge überdeckt werden kann (also den Inhalt 0 hat), und er zeigt auch, daß eine Funktion integrierbar ist, wenn ihre Unstetigkeitsstellen eine diskrete Menge bilden. Nun unterläuft ihm ein Irrtum, der die folgende Entwicklung belebte: Er meint, daß nirgends dichte Mengen diskret seien (die Umkehrung ist leicht zu beweisen). Der Fehler wurde 1875 von H.J.S. SMITH (1826–1883, Savilian Professor in Oxford) gefunden. Smith konstruierte nirgends dichte Mengen von positivem äußerem Inhalt, und zwar nach dem in Aufgabe 7.3 geschilderten Verfahren; er nahm also die Cantorschen Mengen vorweg. Diese nicht-quadrierbaren Mengen S produzieren nicht-integrierbare Funktionen cs. Auf dem Kontinent, wo der Beitrag von Smith unbekannt blieb, wurde Hankels Fehlschluß erst in den 80er Jahren offenbar. Es wurde damit auch deutlich, daß man dem Phänomen der Integrierbarkeit weniger mit topologischen (nirgends dicht), sondern eher mit metrischen Begriffen (Inhalt 0) beikommen kann. Dies wurde zu Beginn unseres Jahrhunderts auf das glänzendste bestätigt, als Lebesgue, Vitali und W.H. Young unabhängig voneinander erkannten, daß eine beschränkte Funktion genau dann Riemann-integrierbar ist, wenn sie fast überall stetig ist.

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© 1991 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Walter, W. (1991). Das Lebesgue-Integral. In: Analysis II. Grundwissen Mathematik, vol 4. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-97366-6_9

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