Zusammenfassung
In Kap.3 schilderte ich ein recht typisches Beispiel für das, was ich als „äußeren“ Masochismus bezeichnet habe: die zwanghaft erfolgende Wandlung der bedeutendsten mitmenschlichen Beziehungen, namentlich der Intimbeziehungen, zu solche von Quäler und Opfer, wobei in offenkundiger Weise der Patient zwar gewöhnlich das Opfer ist, doch in subtilerer Form sich in den Angreifer wandelt. Vom dynamischen Standpunkt war das hingegen nicht das Entscheidende, sondern: wie sekundär diese sichtbaren „Objektbeziehungen“ erscheinen. Was nämlich für die psychoanalytische Arbeit nicht nur wichtig, sondern in einem tieferen Sinn verändernd wirkt, ist die immer wiederholte Beobachtung, daß die heutigen zwischenmenschlichen Konflikte, sei es im Verhältnis zur Geliebten oder zu den Vorgesetzten oder zu den Eltern und Stiefeltern, sei es im Übertragungsverhältnis mit mir der Wiederveräußerlichung (Reexternalisierung) eines inneren Konfliktes zuzuschreiben ist: die Beziehung zum äußeren Quäler widerspiegelt getreulich die zum „inneren Dämon“, dem verurteilenden, höhnischen inneren Strafgeist — in technischen Begriffen dem archaischen, sadistischen Über-Ich. Woher diese Strafwut stammt, diese Verurteilungssucht, diese Notwendigkeit der Selbstbestrafung, ist dann freilich nicht so ohne weiteres ersichtlich, außer daß sie irgendetwas mit der Schwere der erlittenen Traumatisierung und der dadurch mobilisierten Aggression zu tun hat. Theoretisch gilt damit natürlich, daß sich auch diese inneren Konflikte ursprünglich wieder auf äußere reduzieren lassen — ursprünglich.
„…und ihm war, als wandelte er auf durchsichtigem Grunde, der aus unendlich vielen, ins Unergründliche hinabführenden Kristallschichten bestand, durchhellt von Lampen, die zwischen ihnen brannten“
(Mann, Joseph und seine Brüder, S. 188)
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Wurmser, L. (1993). „Wächterin der Träume — Tochter des Verhängnisses“. In: Das Rätsel des Masochismus. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-97372-7_5
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