Zusammenfassung
Die Inzidenz der Frühgeburtlichkeit ist in den moisten Ländern konstant geblieben, und der eindrückliche Rückgang der Perinatalsterblichkeit ist Folge der verbesserten Überlebenschancen von Frühgeburten, insbesondere der kleinen Frühgeburten mit einem Geburtsgewicht von < 1500 g.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Frühgeburten mit vorausgegangenen Symptomen der drohenden Frühgeburt wie vorzeitigen Wehen oder einem vorzeitigen Blasensprung und Frühgeburten als Folge einer indizierten Schwangerschaftsbeendigung wegen mütterlicher oder fetaler Pathologie. In dem Frühgeburtenkollektiv vor 32 SSW macht der Anteil der indizierten vorzeitigen Schwangerschaftsbeendigungen mehr als 50 % aus.
Aszendierende Infektionen sowie verschiedene Formen der Plazentapathologie sind die Hauptursachen von Frühgeburtlichkeit und können Auslöser für vorzeitige Wehen oder einen vorzeitigen Blasensprung sein. Bei den indizierten Schwangerschaftsbeendigungen spielen die verschiedenen Formen der Plazentapathologie eine vorrangige Rolle.
Bei der Diagnose der vorzeitigen Wehentätigkeit ist die Abgrenzung gegenüber einer vermehrten Kontraktilität zu beachten, die insbesondere durch den Nachweis von Auswirkungen auf die Zervix erfolgt. Die Palpation bei der vaginalen Untersuchung sowie auch der Vaginalultraschall sind zur Beurteilung der Zervix bei vorzeitiger Wehentätigkeit von entscheidender Bedeutung.
Die Therapie der vorzeitigen Wehentätigkeit mit Hilfe der Tokolyse stellt lediglich eine symptomatische Behandlung dar und vermag die Ursachen einer vorzeitigen Wehentätigkeit nicht zu beheben. Der Hauptnutzen der Tokolyse besteht in einer kurzfristigen Schwangerschaftsverlängerung, die die Induktion der Lungenreifung durch Verabreichung von Glukokortikoiden sowie auch die Verlegung in ein Perinatalzentrum ermöglicht. Diese Maßnahmen sind insbesondere bei den sehr kleinen Frühgeburten für das Überleben sowie auch für die Vermeidung von Langzeitrnorbidität von entscheidender Bedeutung.
Es steht eine breite Palette unterschiedlicher pharmakologischer Substanzen mit tokolytischer Wirkung zur Verfügung. Am besten haben sich β-Mimetika bewährt, obwohl auch diese Substanzen für die Schwangere mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sind. Es ist daher grundsätzlich eine sorgfältige Überwachung der Mutter, aber auch des Fetus während jeder Tokolyse angezeigt, und die Kontraindikationen sind streng zu beachten.
Bei der primären Prävention der Frühgeburtlichkeit steht die Beratung und Betreuung der Schwangeren im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen im Vordergrund. Dabei soll insbesondere Schwangeren mit erhöhtem Risiko intensive Unterstützung mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensbedingungen bzw. der Korrektur von Fehlverhalten geboten werden. Die sekundäre Prophylaxe stützt sich vor allem auf die Früherkennung von Symptomen einer drohenden Frühgeburt, wie vermehrte Kontraktionen oder vermehrter Vaginalfluor ab.
Gegenüber Screeningmaßnahmen zur Früherfassung der Symptome der drohenden Frühgeburt besteht bei risikoarmen Frauen zunehmend Zurückhaltung. Maßnahmen wie die vaginale Untersuchung zur Beurteilung der Zervix oder aber auch des Vaginalsekrets im Rahmen jeder Vorsorgeuntersuchung oder der Einsatz des CTG in der 2. Schwangerschaftshälfte zur Objektivierung einer vermehrten Kontraktilität sollten auf Frauen mit deutlich erhöhtem Risiko einer Frühgeburt, insbesondere bei anamnestischer Belastung, beschränkt werden.
Therapeutisch werden prophylaktisch Antibiotika vor allem bei nachgewiesener Gardnerella-Besiedlung der Scheide sowie bei vorzeitiger Wehentätigkeit und fraglicher Infektgenese empfohlen. Eine prophylaktische Verabreichung von β-Mimetika bietet keinen erkennbaren Nutzen. Die großzügige Verabreichung von Magnesium während der Schwangerschaft kann möglicherweise für die Vermeidung auch der Frühgeburtlichkeit von gewissem Nutzen seine.
Die Zervixinsuffizienz sowie Uterusanomalien und Myome des Uterus sind nur für einen kleinen Prozentsatz von Frühgeburten ursächlich verantwortlich. Insbesondere wird die Diagnostik und damit verbunden die Behandlung der Zervixinsuffizienz kontrovers diskutiert, und generell wird heute die operative Cerclage mit großer Zurückhaltung eingesetzt.
Bei der Frage nach dem optimalen Entbindungsmodus von kleinen Frühgeburten steht die Alternative zwischen der primären Sectio und der schonenden vaginalen Geburt im Zentrum der Diskussion. Vor allem worden Hirnblutungen mit dem Entbindungsmodus in Zusammenhang gebracht. Für die Entstehung von Hirnblutungen ist nicht so sehr der eigentliche Entbindungsmodus, als vielmehr die Frage der vorausgegangenen Wehentätigkeit von Bedeutung. Bei Beckenendlage sowie auch bei Zwillingen wird großzügig die primäre Sectio empfohlen. Bei Kopflage und Mutter-mundseröffnung wegen Tokolyseversagen ist die schonende vaginale Geburt die Methode der Wahl.
An der Grenze der Lebensfähigkeit, d. h. zwischen 23 und 25 Wochen, ist im Zweifel im Interesse des Fetus zu entscheiden, und sowohl geburtshilflich wie auch bei der primären Reanimation sollten alle Maßnahmen zugunsten des Kindes ergriffen werden.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
ACOG (1995) Preterm labor. Technical Bulletin 206: 1–10
Altabef KM, Spencer JT, Zinberg S (1992) Intravenous nitroglycerine for uterine relaxation of an inverted uterus. Am J Obstet Gynecol 166: 1237–1238
Andersen HF, Nugent CE, Wanty SD, Hayashi RH (1990) Reduction of risk for preterm delivery by ultrasonographic measurement of cervical length. Am J Obstet Gynecol 163: 859–867
Arias F, Rodriquez L, Rayne SC, Kraus FT (1993) Maternal placental vasculopathy and infection: two distinct subgroups among patients with preterm labor and preterm ruptured membranes. Am J Obstet Gynecol 168: 585–591
Barth WH, Yeomas ER, Hankins GDV (1990) Emergent cerclage. Surg Gynecol Obstet 170: 323–326
Behrens C, Hasenburg A, Steffens J, Fallenstein F, Späding L (1993) Vierkanaltokographie bei vorzeitiger Wehentätigkeit. In: Späding L, Fallenstein F (Hrsg) Bolustokolyse in Theorie und Praxis. Steinkopff, Darmstadt, S 85–90
Buekens P, Alexander S, Boutsen M, Blondel B, Kaminski M, Reid M (1994) Randomized controlled trial of routine cervical examinations in pregnancy. Lancet 344: 841–844
Burger M, Weber-Rössler T, Willmann M (1997) Measurement of the pregnant cervix by transvaginal sonography: an interobserver study and new standards to improve the inter-observer variability. Ultrasound Obstet Gynecol 9:188–193
Chalmers I, Enkin M, Keirse MJNC (1989) Effective care in pregnancy and childbirth. Oxford University Press
Chau CG, Gabert HA, Miller JM (1992) A prospective comparison of terbutaline and magnesium for tocolysis. Obstet Gynecol 80: 847–851
Chazotte C, Cohen WR (1990) Catastrophic complications of previous cesarean section. Am J Obstet Gynecol 163: 738–742
Fawer CL, Calame A (1991) Significance of ultrasound appearances in the neurological development and cognitive abilities of preterm infants of 5 years. Eur J Pediatr 150:515–520
Forde R (1993) Clinical assessment of pregnant women’s psychological conditions, prematurity and birth weight. Scand J Prim Health Care 11: 130–134
Gazaway P, Mullins CL (1986) Prevention of preterm labor and premature rupture of membranes. Clin Obstet Gynecol 29: 835–840
Gibbs RS, Romero R, Hillier SL, Eschenbach DA, Sweet RL (1992) A review of premature birth and subclinical infection. Am J Obstet Gynecol 166: 1515–1528
Goodlin RC (1987) Surgical treatment of patients with hourglass shaped or ruptured membranes before the 25th week of gestation. Surg Gynecol Obstet 165:410–412
Groome LJ, Goldenberg RL, Cliver SP, Davis RO, Copper RL (1992) Neonatal periventricular-intraventricular hemorrhage after maternal beta-symphathomimetic tocolysis. The March of Dimes Multicenter Study Group. Am J Obstet Gynecol 167:873–879
Hack M, Taylor HE, Klein N, Eiben R, Schattschneider C, Mercury-Minich N (1994) School-age outcome in children with birth weight under 750 g. N Engl J Med 331:753
Hack M, Wright LL, Shankaran S et al. (1995) Very low birth-weight outcomes of The National Institut of Child Health and Human Development Neonatal Network, November 1989 to October 1990. Am J Obstet Gynecol 172: 457
Hirsch HA (1990) Technique of cesarean section for infants below 1500 g. In: Due G, Huch A, Huch R (eds) The very low birth infant. Thieme, Stuttgart, pp 230–241
Keirse MJNC (1990) Progesteron administration in pregnancy may prevent preterm delivery. Br J Obstet Gynaecol 97:149–154
Keirse MJNC, Kanhai HHH (1981) An obstetrical viewpoint on preterm birth with particular reference to perinatal morbidity and mortality. In: Huisjes HJ (ed) Aspects of perinatal morbidity. Univ Boekhandel, Groningen, pp 1–35
King JF, Grant A, Keirse MJNC (1988) Beta-mimetics in preterm labour: an overview of the randomized control trials. Br J Obstet Gynecol 95:211–222
Kitchen WH, Permezell MJ, Doyle LW, Ford GW, Rickards HL, Kelley EA (1992) Changing obstetric practice and 2-year outcome of the fetus of birth under 1000 g. Obstet Gynecol 79: 268–275
Kuban KCK, Leviton A, Pagano M, Fento T, Strassfeld R, Wolff M (1992) Maternal toxemia is associated with reduced incidence of germinal matrix hemorrhae in premature babies. J Clin Neurol 7: 70–76
Lettieri L, Vintzileos AM, Rodis JF, Albini SM, Salafia CM (1993) Does idiopathic preterm labor resulting in preterm labor birth exist? Am J Obstet Gynecol 168: 1480–1485
Leviton A, Pagano M, Kuban KCK (1988) Etiologic heterogeneity of intracranial hemorrhages in preterm newborns. Paediatr Neurol 4: 274–278
Lockwood CJ, Senyei AE, Dische R et al. (1991) Fetal febronectin and vaginal secretions as a predictor of preterm delivery. N Engl J Med 325:669–674
Lou HC, Nordentoft M, Jensen F, Pryds O, Nim J, Hemmingsen R (1992) Psychosocial stress and severe prematurity. Lancet 340:54
Luke B (1993) Nutrition an prematurity. In: Witter FR, Keith LG (eds) Textbook of prematurity, Little & Brown, Boston, pp 25–39
Mittendorf R, Covert R, Boman J, Khoshnood B, Kwangsun L, Siegler M (1997) Is tocolytic magnesiumsulphate associated with increased total pediatric mortality? Lancet 350: 1517–1518
Palmer L, Blair E, Petterson B, Burton P (1995) Antenatal antecedents of moderate and severe cerebral palsy. Paediatr Perinat Epidemiol 9: 171–184
Papiernik E (1984) Proposels for a programmed prevention policy of preterm birth. Clin Obstet Gynecol 27: 614–635
Papiernik E (1993) Prevention of preterm labour and delivery. Baillieres Clin Obstet Gynecol 7: 499–521
Perlman JM, Rollins N, Burns D, Risser R (1993) Relationship between periventricular intraparenchymal echodensities and germinal matrix-intraventricular hemorrhage and the very low birth weight neonate. Pediatrics 91:474–480
Piper PJ (1984) Formation and actions of leukotrienes. Physiol Rev 64: 744–761
Quatero HWP, Fry C (1989) Placental corticotropin-releasing factor may modulate parturition. Placenta 10: 439–443
Ratzel R (1995) Der Entbindungsmodus beim kleinen Frühgeborenen – gibt es juristische Vorgaben? Z Geburtsh Neonatol 199: 203
Reuss ML, Gordon HR (1995) Obstetrical judgements of viability and perinatal survival of extremly low-birth-weight infants. Am J Publ Health 85:362
Roberts WE, Perry KG, Neff III RW, Washburne JF, Morrison JC (1995) The irritable uterus: a risk factor for preterm birth. Am J Obstet Gynecol 172: 138–142
Romero R, Emamian M, Wan M, Grzybowski C, Hobbins JC, Mitchell MD (1987) Increased concentrations of arachidonic acid lipoxygenase metabolites in amniotic fluid during parturition. Obstet Gynecol 70: 849–851
Romero R, Sepulveda W, Mazor M, Brandt F, Cotton DB, Dinarello CA, Mitchell MD (1992) The natural interleukin-1-receptor antagonist in term and preterm parturitation. Am J Obstet Gynecol 167: 863–872
Scheerer LJ, Lam F, Bartolucci L et al. (1989) A new technique for reduction of prolabs fetal membrane for emergency cervical cerclage. Obstet Gynecol 74: 408–410
Schneider H, König C (1990) Vorsorgeuntersuchung bei Risikoschwangerschaften. Schweiz Med Wochenschr 120: 247–254
Schneider H, Naiem A, Malek, A, Hangg W (1994) Ätiologische Klassifikation der Frühgeburt und ihre Bedeutung für die Prävention, Geburtsh Frauenheilkd 54: 12–19
Spätling L, Spätling G (1988) Magnesium supplementation during pregnancy. A double blind study. Br J Obstet Gynaecol 95: 120–125
Spätling L, Kunz PA, Huch R, Huch A (1984) Magnesium and calcium excretion during pregnancy. Mag Bull 6: 91–93
Spätling L, Fallenstein F, Schneider H, Dancis J (1989) Bolus tocolysis: treatment of preterm labor with pulsatile administration of beta-adrenergic agonists. Am J Obstet Gynecol 160: 713–717
Strebel R, Bucher HU (1994) Bessere Überlebenschance für extreme kleine Frühgeburten in der Schweiz. Schweiz Med Wochenschr 124: 1653–1659
Zahn V (1978) Physiologie der Uteruskontraktionen. Z Geburtsh Perinatol 182: 263–268
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2000 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Spätling, L., Schneider, H. (2000). Frühgeburtlichkeit. In: Schneider, H., Husslein, P., Schneider, K.T.M. (eds) Geburtshilfe. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-98004-6_24
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-98004-6_24
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-98005-3
Online ISBN: 978-3-642-98004-6
eBook Packages: Springer Book Archive