Zusammenfassung
Der Beitrag geht der Frage nach, wieso die Mitglieder mehrerer Polizeibataillone im Holocaust ihren Organisationen angesichts durchzuführender Massenerschießungen keine Probleme bereitet haben. Mit Hilfe des Konzepts der Rollendistanz Erving Goffmans, das im Gegensatz zu Harald Welzers „innerer Distanzierung“ die Darstellung eines bestimmten Verhaltens vor einem Publikum beschreibt, das eine Ablehnung der aktuellen Rolle impliziert, nimmt der Beitrag vor allem das Verhalten der Vorgesetzten in den Blick und analysiert es hinsichtlich der Funktion, die die Darstellung von Rollendistanz für die Organisation erfüllt. Anhand dreier aus der Literatur bekannter Fälle wird argumentiert, dass die untersuchten Kommandeure durch die Ausübung von Rollendistanz vor ihren Untergebenen zur Aufrechterhaltung der Handlungssysteme beigetragen haben, indem sie zwischen den Anforderungen der Mitglieder und den Anforderungen der Organisation vermitteln. Die Funktion dieser systemfunktionalen Rollendistanz, so die These, liegt in der Neutralisierung von Problemlagen für die Organisation. Die Kommandeure der Polizeibataillone konnten einem potentiellen Widerspruch der Mitglieder entgegenwirken, indem sie sich von ihrer Vorgesetztenrolle distanziert haben.
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Archiv- und Literaturverzeichnis
Archive
Landesarchiv Westfalen Abteilung Münster (LAW Münster)
Staatsarchiv Hamburg (StA Hamburg)
Instytut Pamięci Narodowej Lublinie (IPN Lublin)
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Ionescu, D. (2015). „Befehl ist Befehl“. In: Gruber, A., Kühl, S. (eds) Soziologische Analysen des Holocaust. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06895-0_8
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