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Die doppelte Verortung der systematischen Metaphernanalyse: kognitive Metapherntheorie und Hermeneutik

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Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung
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Zusammenfassung

Das zweite Kapitel elaboriert den Metaphernbegriff mit einem Rückgriff auf die kognitive Linguistik nach Lakoff und Johnson und beschreibt die Clusterung von Sinnzusammenhängen im metaphorischen Konzept. Es folgt eine Kritik an der häufig verkürzenden Forschungspraxis der kognitiven Metapherntheorie sowie ihrem szientistischen Selbstmissverständnis. Erst durch die Einordnung in einen Traditionsstrang der Hermeneutik, der sich von Gadamer über Habermas hin zu Varianten einer sozialwissenschaftlichen Hermeneutik erstreckt, wird eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung von Metaphernanalysen fundiert.

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Notes

  1. 1.

    Leider präsentiert auch die aktuelle deutsche Ausgabe (2011) den Stand von 1980, ihr fehlt das kritische und korrigierende Nachwort der englischen Fassungen ab 2003 (Lakoff und Johnson 2003).

  2. 2.

    Eine Übersicht über weitere Metapherndefinitionen siehe Abschn. 2.1.8.

  3. 3.

    Ähnlich Bertau (1996, S. 269): Es sei „von graduellen Übergängen zwischen diesen beiden Sprachformen auszugehen: Metapher und Wörtlichkeit differenzieren sich in verschiedenen Ausprägungen zueinander und gegeneinander, Grade von Metaphorizität können in Grade von Wörtlichkeit übergehen und umgekehrt“.

  4. 4.

    Insbesondere der Abschn. 5.6 wird versuchen, diese allgemeine Regel durch Ankerbeispiele zwar nicht in einem engen Sinn zu „operationalisieren“, aber für qualitative Forschungsvorhaben so zu klären, dass eine intersubjektive Übereinstimmung hinsichtlich der Identifikation von Metaphern erreicht werden kann.

  5. 5.

    Hier berührt der Begriff der Metapher als Übertragung von bekannten auf unbekannte Phänomene jene „Schemata der Erfahrung“, von denen Alfred Schütz spricht: „Wir können den Prozeß der Einordnung eines Erlebnisses unter die Schemata der Erfahrung durch synthetische Rekognition auch als Deutung dieses Erlebnisses bezeichnen, wenn wir dieses Wort in einem erweiterten Sinn gelten lassen, der auch die in der allgemein üblichen Redeweise damit gemeinte Zuordnung eines Zeichens zu dem, was bezeichnet, umschließt. Deutung ist dann nichts anderes als Rückführung von Unbekanntem auf Bekanntes, von in Zuwendungen Erfaßtem auf Schemata der Erfahrung“ (Schütz 2004c, S. 192, vgl. Kurt 2004, S. 222). Auch die kognitive Linguistik begreift metaphorische Sprechweisen als Kategorisierung der (unbekannten) Welt mit (bekannten, metaphorisch kondensierten) Erfahrungen (insbes. Lakoff 1987). Allerdings sind die Überschneidungen schmal: Was Schütz mit den „Schemata der Erfahrung“ und „Typisierungen“ meint, ist deutlich weiter (und unschärfer) gefasst als die metaphorische Prädikation – darauf wird im Abschn. 3.6.2 bei der Diskussion der Wissenssoziologie nach Berger und Luckmann eingegangen. Der Vorschlag von Schütz, Sozialwissenschaften betrieben eine „Konstruktion zweiter Ordnung“, wird im Abschn. 2.2.4 aufgenommen.

  6. 6.

    In der ersten Fassung wird auch die Formulierung „structural metaphors“ (Lakoff und Johnson 1980, S. 14) benutzt, übersetzt „Strukturmetaphern“ (dies. 1998, S. 22). Dieser Terminus wird von den Autoren später kaum noch aufgegriffen, hat sich auch bei anderen AutorInnen nicht durchgesetzt und wird daher im folgenden Text auch nicht verwendet.

  7. 7.

    Vgl. dazu Abschn. 4.6.1 zur Wirkung von Metaphern in Beratung und Psychotherapie, ferner Schmitt (2002b, 2009b).

  8. 8.

    Bisher noch nicht diskutiert wurde, dass Metonymien Leistungen für die Bedeutungsproduktion vollbringen, die Metaphern vergleichbar sind, auch wenn sie nicht zwei unterschiedliche Bedeutungsräume verbinden, sondern Übertragungen innerhalb einer Sphäre vornehmen. Wenn wir von einem „klugen Kopf“ sprechen, steht ein Teil der Person für das Ganze; wenn wir schreiben, wir würden es hassen, Heidegger zu lesen, dann steht die Person für den Text (Beispiele nach Lakoff und Johnson 1980, S. 38). Lakoff und Johnson schlagen vor, dass Metonymien ebenfalls konzeptuelle Muster bilden (Teil für das Ganze, Erzeuger für das Produkt, Institution für Personen etc.). (ebd., vgl. auch das Kapitel „metonymic models“ in Lakoff 1987, S. 77–90). Die kognitionslinguistische Literatur ist ihnen darin gefolgt (Übersicht: Evans und Green 2007, S. 310–325). Diese Überlegungen haben bisher jedoch in qualitativer Forschung keinen Eingang gefunden. Es muss mangels überzeugender empirischer Studien offenbleiben, ob die Analyse konzeptueller Metonymien einen Beitrag zu Sinn rekonstruierender Forschung erbringen könnte. Low (2008b) kritisiert für die erziehungswissenschaftliche Forschung dieses Defizit; in Abschn. 5.6.1.2.3 wird eine pragmatische Lösung vorgeschlagen.

  9. 9.

    Vgl. in der Diskussion der Gütekriterien die Anmerkung zur Qualität metaphorischer Konzepte (Abschn. 5.6.8).

  10. 10.

    So kritisiert Elias diese Verdinglichung als untaugliche Sprache der Soziologie: „Man sagt, jemand ‚hat‘ Macht und lässt es dabei bewenden, obwohl der Wortgebrauch, der Macht als ein Ding erscheinen lässt, in eine Sackgasse führt“ (Elias 2000, S. 97). Elias formuliert diese Kritik der fehlenden Relationalität dieser Redewendungen aus der ihn bestimmenden Metaphorik von „Figurationen“ und „Verflechtungszusammenhängen“ heraus. – Es hätte nahegelegen, die ontologisierenden Schemata mit dem Begriff der „Verdinglichung“ in der soziologischen Tradition von Marx bis Berger und Luckmann zu diskutieren: „Verdinglichung bedeutet, menschliche Phänomene aufzufassen, als ob sie Dinge wären, das heißt als außer- oder übermenschlich“ (Berger und Luckmann 2003, S. 94 f.). Lakoff und Johnson vermeiden allerdings nicht die weitgehend kritische Behandlung von Verdinglichung als falschem Bewusstsein oder als Vergessen, dass der Mensch Urheber der humanen Welt sei (ebd., S. 95), sondern betrachten verdinglichende Schemata als notwendige, älteste Elemente der Wahrnehmungsorganisation.

  11. 11.

    Auch hier kritisiert Elias die Behältermetapher bei Max Weber in der Figur des „homo clausus“ als untauglich für die Soziologie, ohne zu würdigen, dass dieses Schema früh erworben und kaum zu vermeiden ist: „Es ist eine Erfahrung, die es Menschen so erscheinen lässt, als ob sie selbst, als ob ihr eigentliches ‚Selbst‘ irgendwie in einem eigenen ‚Innern‘ existiere, und als ob es dort im ‚Innern‘ wie durch eine unsichtbare Mauer von allem, was ‚draußen‘ ist, von der sogenannten ‚Außenwelt‘ abgetrennt sei“ (Elias 2000, S. 128). Elias setzt gegen diese Behältermetaphorik die Metaphern der Verflechtung, der Figuration und des Spiels zur Beschreibung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft. Wie bereits im Abschn. 1.3.1 ausgeführt, geschieht die Kritik von Metaphern oft aus der Perspektive anderer Metaphern, die für selbstverständlich gehalten werden, ohne auch hier Grenzen und Folgen der metaphorischen Konstruktion zu bedenken.

  12. 12.

    Die Unterscheidung von Substanz- und Dingschema wird an dieser Stelle von Lakoff und Johnson nicht sehr deutlich durchgeführt.

  13. 13.

    So verkennen Kruse et al. (2011, S. 80) in ihrer berechtigten Kritik, dass die Einteilung verwirrend sei, auch gleich den systematischen Unterschied zwischen metaphorischen Konzepten und Schemata und können den Gehalt Letzterer für die Erweiterung des Metaphernbegriffs daher nicht nutzen.

  14. 14.

    Zur problembehafteten Konsistenz der Theorie von Lakoff und Johnson vgl. Abschn. 2.1.9.5.

  15. 15.

    Ein Teil der Schemata war bereits in Schmitt (1995, S. 103 ff.) vorgestellt worden und wird hier in überarbeiteter Form der Vollständigkeit wegen wieder aufgenommen. Quelle und weitere Schemata siehe: Johnson (1987, S. 42–57, 101–138); Lakoff (1987, S. 271–275) und Evans und Green (2007, S. 177–191).

  16. 16.

    Eine Übersicht der Kritiken siehe in Abschn. 2.1.9.5.

  17. 17.

    Auf die sprachwissenschaftlichen Theorien von Humboldt bis Sapir und Whorf, die Denken und Sprache in eins setzen, kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden, zur Übersicht: Kutschera (1975, S. 289–344).

  18. 18.

    Zur Problematik einer zu engen Fassung von „embodiment“ vgl. Abschn. 2.1.6.

  19. 19.

    Das Gegensatzpaar highlighting–hiding nimmt daher bei der Interpretation der Implikationen einer Metaphorik eine wichtige Rolle ein, vgl. in der Diskussion der heuristischen Regeln der Interpretationsgewinnung die Abschn. 5.7.1 f.

  20. 20.

    Die Ergebnisse zielgerichteter Manipulation von Metaphern auf das Verhalten und Urteilen unter kontrollierten und komplexitätsreduzierten Bedingungen bieten für die qualitative Rekonstruktion komplexer Sinnzusammenhänge wenig Anregung. Allerdings dürfte die kognitive Metapherntheorie eine der wenigen Theorien sein, die Anregungen für beide Forschungslogiken generiert.

  21. 21.

    Bereits in der frühen und zentralen Publikation zu „embodiment“ als Paradigma anthropologischer Forschung (Csordas 1990) fehlt Bindung als Thema. Dass der Körper in dichtester Interaktion seit den ersten Lebenstagen erst angeeignet werden kann, fehlt – Schemata bilden sich nicht erst, wenn jemand mit Bauklötzen spielt oder sich bewegt. Die Überlegungen von Ciompi (1989) zu einer „Affektlogik“, die kognitive und affektive Schemata in einer Verbindung von Piaget und Freud elaboriert, sind meines Wissens nicht mit den Möglichkeiten der kognitiven Metapherntheorie weitergedacht worden. Lindblom und Ziemke (2007) kritisieren aus kognitiv-linguistischer Sicht den in bisherigen Studien verwendeten zu einfachen physikalischen Umweltbegriff und diskutieren ein „natural cultural development“ (ebd. 152), also die Idee einer sozial vermittelten Umwelt, verfehlen den Begriff der Bindung jedoch; ähnlich Pfeiffer und Bongard (2006), Thompson (2007). Auch die umfangreiche Auseinandersetzung der VertreterInnen eines „embodiment“ in den Kognitionswissenschaften (Varela et al.1991) stößt nicht auf das Thema Bindung, genauso wenig Storch et al.(2006) oder Gallagher (2005).

  22. 22.

    In Lakoff (2002) spielt jedoch bei der Analyse kultureller Konflikte die Betonung körperlicher Grundlegung metaphorischen Denkens nur eine begrenzte Rolle. Um Wiederholung zu vermeiden, wird diese Diskussion in Abschn. 4.5.1.2.3 ausgeführt.

  23. 23.

    An dieser Stelle schließt Debatin jedoch nicht völlig aus, dass einige „primary metaphors“ wie „Wissen ist Sehen“ universalen Charakter haben könnten; vgl. auch Lakoff und Johnson (2003, S. 256).

  24. 24.

    In diesem Kontext ist es sinnvoll, Luhmanns Würdigung von sprachlichen Symbolen zu erwähnen, welche – wie Metaphern im Sinne von Lakoff und Johnson – den Bezug zur körperlichen Erfahrung symbolisieren und als Formulierungsressource dienen.

    Kein Kommunikationssystem kann ganz davon abstrahieren, daß Menschen leiblich beteiligt sind, und die funktionale Spezialisierung einer Medien-Semantik erfordert eine Mitsymbolisierung dieses Körperbezugs. Wir wollen Symbole, die diese Funktion erfüllen, symbiotische Symbole oder symbiotische Mechanismen nennen – ‚Mechanismen‘ im Hinblick darauf, daß sie erwartungsgemäß vollziehbare organische Prozesse bezeichnen. Hierfür gibt es verschiedene, im ganzen aber nur wenige Möglichkeiten, die auseinandergezogen werden müssen, wenn Kommunikationsmedien gegeneinander differenziert werden. Wahrnehmung (einschließlich Wahrnehmung von Wahrnehmungen), Sexualität, Befriedigung von (zunächst elementaren) Bedürfnissen und physische Gewalt sind verschiedene, jeweils hochgradig plastische organische Prozesse; sie beeinflussen sich wechselseitig, können sich stören oder auch fördern und bilden mit all dem, wenn mehrere Partner präsent sind, eine diffuse Grundlage für Kommunikation (Luhmann 2003, S. 31 ff.).

    Weitere Erklärungen zu diesen „symbiotischen Mechanismen“, die als Quellbereiche der Metaphorisierung erkennbar sind, finden sich in Luhmann (2005, S. 262–280), die darauf aufbauenden „Medien“ der Kommunikation erreichen eine kulturelle Gestalt: „Ihr Verhältnis zu organischen und psychischen Bedingungen kann als ‚relativ unabhängige Variabilität‘ beschrieben werden“ (ebd., S. 264). Allerdings bleibt Luhmann in diesen Überlegungen auf die genannten plastischen Bilder des Körperlichen beschränkt und eliminiert damit die gestalthaften und einfacheren, ebenfalls vom Körpererleben abgeleiteten „kinaesthetic image schemas“ wie das des Behälters, die räumlich erfahrenen Dichotomien oben–unten, vorne–hinten, zentral–peripher, Ursprung–Pfad–Ziel u. a.

  25. 25.

    Hier lässt sich die Diskussion darüber anschließen, welche Begriffe der Sozialwissenschaften ebenfalls auf Phänomene des Übergangs zwischen Körper, Kultur, sozialer Struktur und individueller Kognition zielen. Der Begriff des Deutungsmusters wie der Begriff des Habitus, so viel sei hier unter Vorgriff auf das dritte Kapitel schon formuliert, fallen in die engere Wahl und werden mit dem Begriff des metaphorischen Konzepts noch vermittelt.

  26. 26.

    Die folgenden Überlegungen sind darum eine stark gekürzte, gleichzeitig fortgeschriebene Fassung meines Überblicks in Schmitt (1995, S. 66–75).

  27. 27.

    Nicht mehr aufgenommen wird Gadamers eigener Begriff von Metaphern (Gadamer 1986, S. 433), die er als ein ursprüngliches „genial-erfinderisches Herausfinden von Gemeinsamkeiten sieht, durch die sich die Dinge ordnen“, damit folge ein Subjekt „seiner sich ausbreitenden Erfahrung“ (ebd., vgl. Schmitt 1995, S. 38 f.). Lakoff und Johnson hätten auch hieran anschließen können: Ihre Konstruktion, metaphorisches Denken als Übertragung alter Erfahrungen und Schemata auf neue Gegenstände als Grundzug alltäglichen Denkens zu rehabilitieren, ist mit Gadamers Definition kongruent. Auch diese Überschneidung von Gadamer, Lakoff und Johnson rechtfertigt es, die Theorie des Ersteren als inhaltlich passenden Hintergrund einer Methode der Metaphernanalyse zu wählen, da sie verdeutlicht, dass der unreflektierte, selbstverdinglichende Zug der kognitiven Metapherntheorie keine zwingende Ableitung im zugrunde liegenden Metaphernverständnis findet.

  28. 28.

    Vgl. die vernichtende Kritik Lakoffs an Searle, in der er anhand der Beispiele von Searle dessen Übersehen alltäglicher Metaphern identifiziert (Lakoff 1993, S. 238 f.).

  29. 29.

    Natürlich ist die Philosophie Ricœurs mit dieser Skizzierung nicht zu würdigen. Wie sehr sie innerphilosophischen Diskursen verpflichtet und damit für eine Analyse der Alltagsmetaphorik ungeeignet ist, rekonstruiert Villwock (1982). Eine konzentrierte Diskussion seines Metaphernbegriffs leistet Debatin (1995, S. 126–132), resümierend, Ricœur „verliert […] ihre kommunikative Dimension aus dem Auge: Ricœurs Hermeneutik des Textes ist eine einsame Hermeneutik des einsamen Lesers, eine asymmetrische Rezeptionshermeneutik, die über Indizien und Annahmen ihre Interpretationen konstruieren muss“ (ebd., S. 132).

  30. 30.

    Fernandez (1991), Seifert (2000), McReynolds (2000), Super und Harkness (2003).

  31. 31.

    Auch die zuweilen zitierte Metapherndefinition von Burke lässt sich in diesem Kontext einordnen: „Metaphor is a device for seeing something in terms of something else. It brings out the thisness of a that, or the thatness of a this“ (Burke 1945, 1969, S. 503).

  32. 32.

    Vgl. meine ausführlicheren Notizen zu Blumenberg in Schmitt (1995, S. 73–75).

  33. 33.

    Die folgenden Überlegungen sind in Schmitt (2009a, d, 2011c, e) in Teilen schon entwickelt worden und werden hier zusammengeführt.

  34. 34.

    Die Kritik an der Vagheit vieler Begriffe von Lakoff und Johnson geschieht in diesen Texten vor einem Erwartungshorizont einer präziseren Definition; und zumindest Lakoff (2008) hat die Pseudokonkretheit neurologischer Definitionen gesucht. Vor dem Hintergrund eines szientistischen Selbstmissverständnisses mag diese Erwartung gerechtfertigt sein; interpretiere ich die kognitive Metapherntheorie jedoch als Hermeneutik, sind Begriffe wie der des metaphorischen Konzepts keine naturwissenschaftlichen Konstanten (mit präziser Definition), sondern offene Begriffe zur Ordnung von Gemeinsamkeiten (vgl. Abschn. 2.1).

  35. 35.

    Eine Tendenz, die umso unverständlicher ist, wenn man Lakoffs Anmerkungen zu einer Sprache der australischen Ureinwohner, des Dyirbal (Lakoff 1987, S. 92–104) und zur Gebrauchsweise eines japanischen Adjektivs (ebd., S. 104–110) sowie seine partiell zustimmende Diskussion der als „linguistische Relativitätstheorie“ bekannten Überlegungen von Whorf liest (ebd., S. 304–337).

  36. 36.

    Ähnlich Forceville (2006), der jedoch die Idee des metaphorischen Konzepts nicht in seine Kritik einbezieht.

  37. 37.

    Vorstufen des Abschn. 2.2.1 siehe in Schmitt (2011e).

  38. 38.

    Weitere Metaphern, die den Metaphernanalytiker als Naturwissenschaftler inszenieren, fehlen nicht: „Primary metaphors are like atoms that can be put together to form molecules“ (Lakoff und Johnson 1999, S. 60).

  39. 39.

    Blumenberg (1960, 1988) oder Kuhn (1993) mögen als Beispiele eines entwickelten Problembewusstseins dienen.

  40. 40.

    Die Veränderung des ursprünglichen, stärker die Erfahrung betonenden „experientialism“ (Lakoff und Johnson 1980, S. 226 ff.) zu einem „embodied realism“ als körperlicher Verortung von Schemata erscheint als Verkürzung, welche das Ausmaß kulturell divergenter Metaphern für komplexere Gegenstände unterschätzen lässt (vgl. Johnson und Lakoff 2002).

  41. 41.

    Damit sollen die umfangreichen Anregungen des Werks von Lakoff und Johnson für die experimentell vorgehende Sprach- und Kognitionsforschung (z. B. Gibbs und Colston 2006; Gibbs und Matlock 2008) nicht in Abrede gestellt, sondern die Produktivität ihres Ansatzes für eine Sinn verstehende Sozialforschung entfaltet werden.

  42. 42.

    Später sieht Geeraerts (2006) nur in quantitativer Forschung mit großen Korpora eine Möglichkeit, die Linguistik als Wissenschaft auf zeitgemäßem Stand zu behaupten. Geeraerts (2010, S. 280 f.) relativiert dies wiederum, allerdings gibt er nicht zu erkennen, dass er sich als Linguist mit qualitativer Forschung, ihren Prämissen, Methoden und Grenzen auseinandergesetzt hätte. Die hier wieder eingeräumte Möglichkeit, „qualitativ“ zu forschen, meint den Terminus offenbar in sehr unbestimmter Weise: Seine Verwendungsweise der Termini „qualitativ“ und „quantitativ“ sei „… far from perfect, but they may do for our purposes“ (ebd., S. 280).

  43. 43.

    Dieser Gedankengang bereitet die noch zu diskutierenden Vorbehalte gegenüber einer quantitativ operierenden Korpusanalyse vor: Sie zwingt zur Nutzung von Algorithmen, die nur bereits bekannte metaphorische Formulierungen klassifizieren können, und ist daher für eine Sinn rekonstruierende Metaphernanalyse nicht geeignet (vgl. Abschn. 5.7.10 und 5.11.10). Stichworte für die Anschlussfähigkeit von qualitativer und quantitativer Metaphernanalyse sind „mixed methods designs“ und „Triangulation“, auf die ich in diesem Kontext nicht eingehen kann, weil sie für jede konkrete Studie spezifisch realisiert werden müssten (vgl. Flick 2012b). In dem hier vorgelegten Entwurf der Metaphernanalyse wird der Forschungsfrage eine zentrale Rolle im Forschungsgeschehen eingeräumt, um einer oft zu beobachtenden Fixierung auf die den Interpreten bekannten Forschungsmethoden zuvorzukommen (Abschn. 5.3); als Konsequenz daraus sind je nach Forschungsfrage Verbindungen mit weiteren qualitativen oder quantitativen Methoden zuweilen zwingend (vgl. Abschn. 5.8.9).

  44. 44.

    Die Wissenssoziologische Diskursanalyse „… insistiert darauf, dass Diskursforschung unweigerlich und unvermeidlich eine Form der Interpretationsarbeit darstellt […]. Sie ist, wie alle Diskursforschung, ein Diskurs über Diskurse und bedarf (ebenso wie alle Diskursforschung) einer Hermeneutik, d. h. einer Theorie der Auslegung, die sich darüber im Klaren ist, dass Daten (und damit eben auch Texte) nicht von sich heraus sprechen, sondern Antworten auf Fragen liefern, die man an sie stellt. Dazu schließt die WDA an grundlegende Theorien des Sinnverstehens und des menschlichen Symbolgebrauchs an“ (Keller 2012, S. 43, vgl. auch Keller 2004, S. 72–74).

  45. 45.

    Walter diskutiert die Geschichte der Hermeneutik (2008, S. 101–106) im Hinblick auf Anschlussmöglichkeiten für seine Variante der Metaphernanalyse, integriert Luhmann und diskursanalytische Annahmen. Er geht jedoch auf Kernelemente des Ansatzes von Lakoff und Johnson wie z. B. Konzept und Schemata nicht ein, obschon er sie als wichtige Referenten wählt (vgl. ebd., S. 116–120).

  46. 46.

    Vgl. die ausführlichere Auseinandersetzung mit Gadamer in Schmitt (1995, S. 35–43). Umfassender wird das Potenzial von Gadamer für die sozialwissenschaftliche Forschung von Straub (1999, S. 250–280) entfaltet; meine Darstellung konzentriert sich auf die für eine Metaphernanalyse anschlussfähigen Elemente des gadamerschen Ansatzes.

  47. 47.

    Schneider betont gegen die Orientierung des Verstehens am subjektiven Sinn die „realhistorische Erweiterung des Textsinns“ bei Gadamer (Schneider 2006, S. 138). Dieser Hinweis richtet sich gegen Verkürzungen der Hermeneutik auf subjektiven Sinn.

  48. 48.

    Ähnlich argumentiert im Kontext der hermeneutischen Wissenssoziologie im Anschluss an Schütz z. B. Soeffner (2004e, S. 114 f.), der die dem Forschen vorausgehenden gesellschaftlichen Wissensbestände und Orientierungssysteme als „soziohistorisches Apriori“ fasst (ebd., S. 114). Wie mit den gesellschaftlichen Vorstrukturierungen des Forschens umgegangen wird, unterscheidet sich jedoch in der hermeneutischen Wissenssoziologie deutlich von Gadamers Vorschlag (siehe nächster Punkt).

  49. 49.

    Diese Metapher bereitet vor, dass die hier vorgeschlagene Metaphernanalyse nicht in die Gleise eines methodologischen Individualismus der Soziologie gerät (vgl. Kurt 2004, S. 189). Vor allem Abschn. 5.10 über die bisher realisierten Designs von Metaphernanalysen von der Fallstudie bis zu Korpusanalysen von Pressetexten wird verdeutlichen, dass Metaphernanalysen nicht auf die Rekonstruktion subjektiven Sinns zu reduzieren sind.

  50. 50.

    Positiver formuliert: Die (sprachliche, intellektuelle, praktische) „Welthaltigkeit“ eines Subjekts ist die Voraussetzung, Zusammenhänge in der Welt zu entdecken (Schmitt 2003).

  51. 51.

    Der folgende Abschnitt entwickelt den Text Schmitt (2011e) weiter.

  52. 52.

    Straub (1999, S. 254–259) kritisiert, dass Habermas zwar ein Defizit der gadamerschen Theorie nachvollziehbar moniere, aber auch, dass diese Elemente einer Methodik beinhalte. Der Vergleich mit der genauen Rekonstruktion der Debatte durch Nassen (1982) verdeutlicht allerdings, dass Gadamer hier nicht frei von Widersprüchen im Hinblick auf die Entwicklung einer Methode ist.

  53. 53.

    Auch Gesten sind einer kognitiv-linguistischen Analyse zugänglich, vgl. Schmidt (2007), Cienki und Müller (2008). Allerdings wird auch hier dem Problem des Verstehens von Gesten wenig Aufmerksamkeit geschenkt, es dominiert die Rhetorik der „Klassifikation“ (z. B. Schmidt 2007), ohne deren verstehende Voraussetzungen zu bedenken. Soeffner (2004d, S. 80 f.) verweist darauf, dass auch bei Gadamer Schriftlichkeit als Voraussetzung der Interpretation eine prominente Rolle einnehme, aber die Einschränkung auf Sprache als Gegenstand der Hermeneutik sei zu überwinden im Hinblick auf „die sprachliche Explikation sozialer Interaktionen als Ganzes“ (ders. 2004e, S. 135; vgl. seinen Ausblick auf Milieuanalysen ebd., S. 144). Im Abschn. 5.6.1.2.5 werden redebegleitende Gesten in die Untersuchung einbezogen, im Abschn. 5.6.2.3.5 wird die metaphernanalytische Interpretation komplexer Praxen diskutiert.

  54. 54.

    Was Schütz unter Konstruktionen versteht, ist freilich etwas anderes als Metaphern und metaphorische Konzepte, sondern sind Typisierungen wie „Postbote“, „Regel der englischen Grammatik“ oder „Gebrauchsgegenstände“ (Schütz 2004d, S. 170). Auch ist die Unterscheidung in „Um-zu-“- und „Weil“-Motive von Handlungen nur ein Teil des Deutungsangebots in Metaphern. Der Rückgriff auf Schütz beschränkt sich also auf die Denkfigur, zwischen alltäglichem und wissenschaftlichem Verstehen eine Gemeinsamkeit des zu Verstehenden wie des Verstehens aufzuweisen, während der Unterschied wissenschaftlichen Verstehens daher rührt, dieses Verstehen aufklären zu wollen.

  55. 55.

    Natürlich hat die Metaphorik, Forschen als „Beobachten“ (und nicht als „Verstehen“) zu deuten, ihre Stärken: Diese visuelle Metaphorik ergibt eine räumliche und einprägsame Ordnung des Phänomens des Verstehens, trennt deutlich zwischen Beobachtetem und Beobachtern. Sie zieht auch Verdunkelungen nach sich: Die unvermeidliche Interaktion zwischen Forschenden und Beforschten ist mit „Beobachten“ unterkomplex beschrieben, Prozesse wechselseitiger (Nicht-)Anerkennung können in ihr nicht gedacht werden. Es würde hier zu weit führen, die Metaphorik der Systemtheorien genauer zu betrachten (vgl. Soentgen 1992; Strub 2009; Villányi und Lübcke 2011), ich will nur hinweisen auf Farzin (2011, S. 68–74), welche die Lichtmetaphorik der Erkenntnis im Kontext der Rede von der „Beobachtung“ bei Luhmann rekonstruiert (vgl. Abschn. 3.5.1). Marquard (1984, S. 118 f.) bleibt – als Kontrast – in seiner Bestimmung der Hermeneutik konsequent im Rahmen der Metaphorik von Frage und Antwort, das heißt einer auditiven Metapher, in der Forschen als Verstehen und damit als sprachliche Interaktion gedeutet wird.

  56. 56.

    Der ontogenetische Erwerb des Verstehens von Metaphern wird in den Abschn. 4.2.1 (Erziehungswissenschaft) und 4.6.2.5 (Entwicklungspsychologie) ausführlicher dargestellt.

  57. 57.

    Weitere wissenssoziologische Anknüpfungen u. a. zu Schemata der Erfahrungen bzw. Typisierungen siehe Abschn. 3.6.2.

  58. 58.

    Lamnek (2005, S. 220–229) bezweifelt angesichts unterschiedlicher Logiken des Verstehens eine Einheit der „sozialwissenschaftlichen Hermeneutik“: Der Begriff „verschleiert in diesem Sinn mehr, als er erhellt“, und der Bezug auf die hermeneutische Tradition sei „irreführend“ (ebd., S. 229). Diese Kritik illustriert den Befund von Kurt (2004, S. 175 f.), dass die Diskurse der philosophischen Hermeneutik und der verstehenden Soziologie weitgehend unverbunden geblieben seien. Diese Lücke füllt der Band von Staudigl (2010a) aus, der das hermeneutische Potenzial von Schütz im Vergleich zu späteren Theorien entwickelt, u. a. Staudigl (2010b); Endreß (2010); Renn (2010); Luckmann (2010).

  59. 59.

    Verwirrenderweise diskutiert u. a. Soeffner immer wieder, dass der Unterschied zwischen alltäglichem und wissenschaftlichem Verstehen gerade in der Entwicklung weiterer Deutungsmöglichkeiten gegenüber den unter Zeitdruck und Reaktionszwang im Alltag verwirklichten Interpretationen bestehe (Soeffner 2004c, S. 28–31; ders. 2004e, S. 130, 153), um dann doch mit einer Sequenzanalyse die Vielfalt zu „falsifizieren“ und zu einer eindeutigen Interpretation zu kommen (vgl. Soeffner 2004d, S. 210–238; ders. 2004 f.; ähnlich Kurt 2004, S. 240–257). Hier drängt sich der Eindruck auf, dass Sequenzanalysen mit einer pluralisierenden Deutung nicht zu vereinbaren sind. Im Rahmen der hier vorgeschlagenen Metaphernanalyse gelten sequentielle Analysen zwar als mögliche Option (vgl. Abschn. 5.7.8, insbesondere zur Analyse von Gesprächen), jedoch ohne Nötigung zu einer Falsifikation bzw. Ausscheidung von möglichen Deutungsmustern, da die Geltung der Aussagen einer Metaphernanalyse anders gesichert wird (vgl. Abschn. 5.8 zu Gütekriterien).

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Schmitt, R. (2017). Die doppelte Verortung der systematischen Metaphernanalyse: kognitive Metapherntheorie und Hermeneutik. In: Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13464-8_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-13464-8_2

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-13463-1

  • Online ISBN: 978-3-658-13464-8

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