Zusammenfassung
Das Rückgrat jeder Story ist das Streben des Protagonisten nach seinem persönlichen Glück oder einer Lösung für sein Problem. Die „Suche“ danach erweist sich auch als roter Faden in Patientengeschichten. Vorgestellt wird meist ein idealer Zustand, den ich vereinfachend als „Paradies“ beschreibe, der aber meist nicht erreicht wird. Dennoch erweist sich die Suche danach insofern als therapeutisch hilfreich, weil sie dem Patienten hilft, sich aus seiner problematischen Lebenssituation aufzumachen. Auf seinem Weg wird er etwas anderes finden, als das, was er gesucht hat, und er kann dieses Andere nur deshalb erkennen, weil er sich auf seinem Weg transformiert. Die entscheidenden Lernschritte ereignen sich dabei an den „Klüften“ seines Weges, wobei diese als ein Auseinanderklaffen von Erwartung und Ergebnis seiner Handlungen vorgestellt werden können. Immer wieder führt ihn sein Weg in Situationen, von denen er vermeintlich glaubt, zu wissen, wie sie beschaffen sind und was zu tun sei. Durch die Realität wird er aber eines Besseren belehrt.
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Notes
- 1.
Watzlawik spricht von einem „Utopie-Syndrom“, um diesen Patienten-Typus zu charakterisieren (Watzlawick 2013, S. 79 ff.).
- 2.
Meiner Erfahrung nach handelt es sich dabei v. a. um narzisstisch strukturierte Persönlichkeiten. Sie glauben, sie hätten einen Anspruch auf eine „ideale Beziehung“, auf Bewunderung und Macht etc. und unternehmen auch erhebliche Anstrengungen, diese Dinge zu erlangen. Weil ihre Wünsche aber nie in dem von ihnen erwartetem Ausmaß erfüllt werden, bleiben sie oft lebenslang auf der Suche nach diesem paradiesischem Zustand oder reagieren mit (narzisstischer) Wut, weil er ihnen vermeintlich von anderen vorenthalten wird.
- 3.
Vgl. auch das Verleugnungsstadium in den Trauerphasen von Verena Kast (1994).
- 4.
Interessanterweise wird in der Werbung häufig explizit mit dem Begriff der „Verführung“ gearbeitet, etwa in der Eis- oder Zigarettenwerbung. Dabei wird in Umkehrung des biblischen Paradiesmythos der Eindruck erweckt, „dass die Verführung in diesem Zusammenhang nicht die Vertreibung aus dem Paradies, sondern im Gegenteil, den Weg zu einem paradiesischen Zustand bedeutet“ (Grasnick 2005, S. 22).
- 5.
Wie wir in Kap. 4.4 sehen werden, zeigt das Bild eine Ordnungsverletzung vom Typ 2, in der der Protagonist in einen neuen Raum berufen wird, weil er Eigenschaften entwickelt, die gegen den Ordnungszustand des früheren Paradieses verstoßen.
- 6.
Bei diesen Grundbedürfnissen handelt es sich laut Klaus Grawe (Grawe 2004) um das Bedürfnis nach Bindung und Autonomie, nach Orientierung und Kontrolle, Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz und um das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung.
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Mayer, C. (2017). Das Paradies als Anfang und Ende der Reise. In: Wie in der Psychotherapie Lösungen entstehen. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-13865-3_4
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