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Kommunikabilien: Sinnbewegungen und Sinnfestlegungen

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Operativität und Typik
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Zusammenfassung

In diesem Kapitel geht es um Forschungen im Schnittfeld von Organisations-, Gesellschafts-, Kommunikations- und Wissenstheorie, an denen das Verhältnis von operativen Sinnbewegungen und typisierenden Sinnfestlegungen diskutiert werden kann. Dabei werden einschlägige Theoriebegriffe und -argumentationen aus den ersten beiden Kapiteln aufgegriffen und thematisch angewendet. Als thematischer Bezugspunkt dient der Diskurs über Management als semantisches und strukturelles Phänomen, wobei Managerialismus als ein „diskursives Ereignis“ (vgl. Link 1997, S. 15) und „semantisches Feld“ (vgl. Berger und Luckmann 1980, S. 42f.) bestimmt wird, in dem diskurstragende Kategorien und Klassifizierungen sowie „ganze semantische Komplexe einschließlich ihrer Praxisbezüge“ (Link 1997, S. 15) kognitive und normative Effekte entwickeln, die durch Managementisierung als Ebene der praktischen Umsetzung und strukturellen Durchsetzung realisiert und konkretisiert werden. Aus dieser wissenssoziologischen Diskussion ergeben sich sinn-, kommunikations- und medientheoretische Analysen zu Organisations- und Managementstandards, Texten, Übersetzung und identitätsbezogenen Selbstverkörperungen, in denen der Begriff der „Kommunikabilien“ (Fuchs 1993, S. 149ff.) als Leitbegriff fungiert.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Drepper (2005a, 2006b) zu ersten Vorarbeiten zu diesem Thema. Wenn im Folgenden von „Managern“ die Rede ist, ist das geschlechterneutral gemeint, denn um eine bessere Lesbarkeit des Textes herstellen zu können, verwende ich das generische Maskulinum. Auf Gender-Aspekte der Thematik weise ich dann gesondert hin.

  2. 2.

    Für den neuen Managementtrend des „Design Thinkings“ (vgl. Brown 2016) ist nicht Scheitern das Problem, sondern Nicht-Scheitern. Schnelles und häufiges Scheitern als Denkstil und Problemlösungshabitus wird als der angemessene Lern- und Innovationsmodus in der digitalen Welt verstanden: Binären Flüchtigkeiten wird mit individuellem und kollektivem Temposcheitern begegnet: Viel und schnell fallen – viel und schnell wieder aufstehen – und immer so weiter! Man wird sicher nicht direkt zum Ideologiekritiker, wenn man annimmt, dass das nicht so sehr nach einer neuen pädagogischen Kultur der Fehlerfreundlichkeit klingt, sondern eher nach einem selbstreparierenden Beschäftigungsfähigkeits-Algorithmus als nächster Steigerungsstufe des selbstmanagenden Individuums als Potentialmaximierer im Rahmen des Konzepts des plastischen Organisationsmenschen in der ability culture (vgl. Drepper 2008a, S. 3200 ff.).

  3. 3.

    Ortmann weißt auf den Unterschied von Vagheit und Ambiguität hin, der in den Organisationswissenschaften oftmals nicht beachtet wird. Vagheit meint Diffusität, Unklarheit und Verschwommenheit von Sinnofferten, während Ambiguität Doppel- und Mehrdeutigkeiten von Sinnofferten bezeichnet. Das macht dann wesentliche Unterschiede als Signal für mögliche kommunikative Anschlüsse, ob man interpretativ auf der Suche nach potenziell gemeinter Bedeutung im Fall von Unklarheit ist oder aber im Fall von Ambiguität an eine Offerte unter mehreren anschließen kann. Es handelt sich also um zwei verschiedene Sinnformen mit unterschiedlicher Auslöseselektivität für Anschlusskommunikationen. Vagheit motiviert zu Interpretationskommunikation auf der Suche nach Bedeutung(en) (Was ist hier gemeint? Wie ist das überhaupt zu verstehen?) und Ambiguität zur Entscheidung für eine Sinnofferte unter mehreren möglichen (Für welche Bedeutungsmöglichkeit entscheide ich mich und schließe daran an?). In der englischen Sprache ist die Unterscheidung allerdings etwas unklarer, da dort „ambiguity“ auch als Synonym für Unklarheit, Uneindeutigkeit und Ungewissheit verwendet werden kann. Vgl. Ortmann (2012, S. 77 ff.) zu Vagheit in Organisationen und Keefe und Smith (1999) allgemein zu Vagheit. Für den Hinweis bedanke ich mich bei Günther Ortmann.

  4. 4.

    Bemerkt werden muss, dass sich die disziplinär orientierte Betriebswirtschaftslehre mittlerweile selbst in starker Konkurrenz zu Managementberatungslehren und Managementratgebern sieht. Vgl. Kieser (2002) zum Streit um Definitions- und Beratungsmonopole zwischen disziplinär orientierten Managementwissenschaften und am Beratungsmarkt ausgerichteten Managementlehren. Vgl. auch Faust (2002) zum Boom der Managementberatung.

  5. 5.

    Vgl. Pfeffer (1997, S. 9) zur wissenssoziologischen Frage der historischen Entwicklung und Differenzierungen der Trägergruppen (Ingenieure, Betriebswirte, Juristen, Psychologen, Soziologen, Manager) und organisationalen Kontexte (Refa-Institute, Business Schools, Soziologie-Departments etc.) der Produktion und Reflexion des Denkens, Redens und Schreibens über Organisationen.

  6. 6.

    Auf die wesentliche Rolle der populären Managementliteratur als Textgattung kommen wir später in diesem Kapitel zurück.

  7. 7.

    Vgl. Luhmann (1997, S. 1121 ff.) zu Wertekommunikation. Dieses anspielungshafte Voraussetzen der Geltung von Werten lässt sich als „allusive Kommunikation“ bezeichnen (vgl. Drepper 1998, S. 80; Drepper 2008a, S. 3206).

  8. 8.

    Wir werden diesen Aspekt später in diesem Kapitel anhand einer differenzierten Textgattungsanalyse von Managementliteratur (Furusten 1999) wieder aufgreifen.

  9. 9.

    Vgl. Luhmann (1997, S. 1117 ff.) zu einer beobachtungstheoretischen Rekonstruktion des Kritikbegriffes:

    Es liegt nahe, in dieser Situation, gleichsam als Weiterentwicklung der kritischen Soziologie, die mit ‚Kritik‘ bezeichnete Unterscheidung durch die Unterscheidung von Beobachtern zu ersetzen. Das wiederum setzt die Einsicht voraus, dass es sich bei allem Beobachten und Beschreiben (auch bei dem zweiter und dritter Ordnung) um kontextabhängige Realoperationen handelt. Auch ein Beobachter zweiter Ordnung ist immer ein Beobachter erster Ordnung insofern, als er einen anderen Beobachter als sein Objekt herausgreifen muß, um durch ihn (wie immer kritisch) die Welt zu sehen. Das zwingt ihn zum autologischen Schluß, das heißt: zur Anwendung des Begriffs der Beobachtung auf sich selber. (…) Denn jede Weltbeobachtung findet in der Welt statt, jede Gesellschaftsbeobachtung, wenn sie als Kommunikation vollzogen wird, in der Gesellschaft.

    Eine theoretische Seitenbeobachtung ist außerdem, dass Boltanski und Chiapello ebenfalls mit dem Begriff der Operation arbeiten, dass allerdings spezifisch und nicht allgemeintheoretisch. Sie sprechen in Bezug auf bestimmte wirtschaftliche Umwandlungen, Übersetzungen bzw. Transformationen „von Nichtkapital in Kapital“ (Boltanski und Chiapello 2003, S. 479) von „einer Reihe von Operationen, die man als Produktionsoperationen bezeichnen kann“ und in denen es um die „Verwandlung des Authentischen in ein Marktprodukt“ (ebd.) geht. Letztendlich sind damit kommunikative Ökonomisierungsoperationen der Umwandlung, Übersetzung und Transformation von Nichtwirtschaftlichem in die Wirtschaftssphäre gemeint.

  10. 10.

    Das mag mit dem semantischen Erbe des Begriffes zusammenhängen, denn „institutio“ als „altehrwürdige“ Semantik wird immer dann aufgerufen, wenn es um Bedeutendes, Bewahrenswertes, Überzeitliches, Überpersönliches und Überräumliches mit besonderer Symbolträchtigkeit und Symbolmächtigkeit geht. Das gilt sowohl für gesellschaftlich wertgeschätzte Personen, Rollen, Ämter und Kollektivgebilde als auch für Materialitäten und Artefakte (z. B. heilige und kanonische Texte, Verfassungen, sakrale Gebäude, Statuen etc.). So bezeichnet der Institutionenbegriff in diesem Doppelsinne sowohl überdauernde Erwartungsstrukturen als auch als herausgehobene Symboladressen (Personen, Rollen, Ämter, Texte, Kollektivgebilde).

  11. 11.

    Insgesamt ist dieses Rekursivitätsprinzip sehr vergleichbar mit dem Giddensschen Dualitätstheorem, das wir bereits vorgestellt haben.

  12. 12.

    Hauser (2005, S. 57 ff.) macht deutlich, wie facettenreich und komplex die ideengeschichtliche Diskussion eines allgemeinen Mythosbegriffes ist. Die Unterscheidung von „Mythos und Logos“ (ebd., S. 66 ff.) kann nur eine erste Richtung angeben, eine Differenz „zwischen einer argumentativen Beweisführung und einer Erzählung“ (ebd., S. 67 f.) zu beschreiben und zu bezeichnen.

  13. 13.

    Mit dem wenn möchte ich einrechnen, dass das Homogenisierungsargument mittlerweile durch eine Diversitäts- und Differenzierungsdebatte (Stichwort z. B.: „varieties of capitalism“) erweitert wurde.

  14. 14.

    Vgl. Toqueville (1985), Etzioni (1975, 1998) und Bellah (1985) zum Begriff der association in der amerikanischen Gemeinwohltradition.

  15. 15.

    Vgl. zum Integrationsbegriff Luhmann (1997, S. 314 und 601 ff.).

  16. 16.

    Im systemtheoretischen Sinne sind Konkurrenz und Wettbewerb als Strukturen und Knappheit als generalisierte Situationsdefinition und Kontingenzformel (vgl. Luhmann 1997, S. 347 f., 470) die Rahmenbedingungen dafür, dass immer mehr Organisationen sich als autonome Akteure beschreiben und verhalten. Die Wertschätzung marktvermittelter Koordination und die Deutungsmacht von Knappheitsargumenten färben dabei auch auf andere gesellschaftliche Bereiche ab.

  17. 17.

    Vgl. zu den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten die Tabelle in Erlingsdöttir und Lindberg (2005, S. 69).

  18. 18.

    Auf die Semantik des „Stellens“ und der „Aufstellung im Feld“ habe ich bereits hingewiesen.

  19. 19.

    Brunsson unterscheidet zwischen „formaler Organisation“, „Markt“ und „Standardisierung“ als Koordinations- und Kontrollformen innerhalb der modernen Gesellschaft. Formale Organisation basiert auf Hierarchie und Entscheidung, Markt auf der freiwilligen wechselseitigen Bindung der Teilnehmer (Verkäufer/Käufer) durch Preise. Mir ist der grundbegriffliche Status dieser Unterscheidung nicht ganz klar. Nicht gerade schärfer wird die grundbegriffliche Lage m. E. durch den Vorschlag, die drei Formen könnten auch als Institutionen beschrieben werden. Damit handelt man sich die begriffliche Unschärfe des Institutionenbegriffes ein, die wir zuvor thematisiert haben (Abschn. 3.2).

  20. 20.

    Das stimmt z. B. für Schulen möglicherweise insoweit nicht, als dass sie sich zur Freiheit gedrängt und gezwungen sehen. Die Externalisierungsadressen, an die der Unmut über Reformen gerichtet werden kann, bleiben weiterhin die Schulbehörden und die Bildungspolitik. Die tatsächliche Autonomie der Schule als „selbstständiger Akteur“ scheint vielmehr eine Scheinautonomie zu sein (vgl. Drepper und Tacke 2012).

  21. 21.

    Brunsson unterschätzt m. E. den Zwangscharakter von Standards und überschätzt deren Freiwilligkeit. Das liegt daran, dass Brunsson mit der Unterscheidung Standard/Direktive respektive Standard/Gesetz operiert und sich der Freiwilligkeitsbegriff aus der Differenz zu politischer Normierung und Regulierung bestimmt.

  22. 22.

    Die Arbeiten von Fuchs (1992, S. 43 ff., 1994a, b, 2002, 2004, 2005); Fuchs und Mahler (2000) sind sowohl für den Zusammenhang von Polykontexturalität (als zur funktionalen Differenzierungstypik korrespondierender Sinnmodalitätstypik) und Beratung (als operativer Kommunikationsform) als auch für das Verständnis des Zusammenhangs von Operation, Typik und Form grundlegend und richtungsweisend.

  23. 23.

    In einer systemtheoretischen Rekonstruktion ist der Standardisierungsbegriff im Kontext des Programmbegriffes zu diskutieren, der in der soziologischen Systemtheorie für die Erklärung der Erwartungsbildung verschiedener Systemtypen herangezogen wird, sowohl für Funktionssysteme als auch für Organisationssysteme (vgl. Drepper 2003a, S. 55 ff. und 83 ff.).

  24. 24.

    Um Popularität und Mode als Sinnselektoren wird es im folgenden Unterkapitel ausführlicher gehen.

  25. 25.

    Brunsson macht das am Beispiel von Wertkonflikten in der Reform des öffentlichen Gesundheitssystems in Schweden deutlich, in der neue Organisations- und Managementstandards auf Professionswerte und -normen prallen (vgl. Brunsson 2000a, S. 31).

  26. 26.

    Vgl. zu diesem Thema auch die Analysen von Hendrik Vollmer (2003, 2004), in denen es um „Accounting konkret“ im Sinne von Funktionen und Folgen organisierten Rechnens geht. Dass Accounting eine so relevante Funktion in modernen Organisationen einnehmen kann, hängt mit der hohen strukturellen Plausibilität und Autorität von Zahlen und darauf basierenden Rechenoperationen zusammen. Zahlen übernehmen dabei eine wesentliche symbolische Funktion. Die Macht der Zahlen liegt im Messen, Rechnen und Skalieren. Es geht um Formalisierung. Und wie ließe sich besser als über Zahlen und Zahlenrelationen formalisieren?

  27. 27.

    Die Analyse von Furusten ist mittlerweile schon etwas älter, zeigt aber sehr genau die Anschlussstellen für kommunikations-, wissens- und differenzierungstheoretische Überlegungen in der Organisationsforschung. Mittlerweile wird man die mediale Analyse auf die Beobachtung digitaler Formate (Blogs, Foren, themenspezifische soziale Netzwerke und Portale) ausweiten und spezifizieren müssen. Mir geht er hier um die systematischen Argumente.

  28. 28.

    Vgl. Luhmann (1984, S. 213 ff.) zur kommunikationstheoretischen Unterscheidung von Beitrag und Thema.

  29. 29.

    Vgl. Jan Assmann (1992, S. 93 ff.) zur Funktion von „Kanonisierung“ und „kanonischer Texte“ in Bezug auf Kommunikation, Identitätsbildung und kollektives Gedächtnis. In der Organisationskulturdebatte der 1980er Jahre war das etwa Peters und Watermans „In Search of Excellence“, während die Organisationslernen-Debatte von den Argyris und Schön-Arbeiten und die Wissensmanagement-Diskussion von Nonaka und Takeuchi „inspiriert“ wurden.

  30. 30.

    Bei analogisierender Kommunikation geht es um das Aufzeigen und Herstellen von Verbindungen und Konvergenzen, während digitalisierende Kommunikation Trennungen und Differenzen erzeugt und darauf beruht. Aus diesem Grund korrespondiert Analogisierung auch mit Interdependenzen und Digitalisierung mit Interdependenzunterbrechung. Komplexitätssteigerung beruht in der Regel auf der Gleichzeitigkeit von Interdependenzherstellung und Interdependenzunterbrechung, möglicherweise damit auch auf der Gleichzeitigkeit von analoger und digitaler Sinnproduktion und Informationsprozessierung. Und hier liegt noch einmal ein musiktheoretischer Anschluss nahe, wenn man das Verhältnis von Note/Pause und Klang/Stille betrachtet, denn Melodielinien basieren nicht auf der Aneinanderreihung (Interdependenz) von Tönen, sondern auf der Gleichzeitigkeit von aneinandergereihten Tönen (Interdependenz) und Pausen (Interdependenzunterbrechung). Die Magie der Melodie liegt also in spezifischen Differenzverhältnissen.

  31. 31.

    Furusten arbeitet mit der sehr gängigen Unterscheidung von Elementen in globalen Organisationsumwelten und lokalen Prozessen in den Organisationen, also mit der analytischen Unterscheidung von global/lokal, bzw. von general discourse/local organization.

  32. 32.

    Vgl. Scott (1994, 1995) sowie Scott und Christensen (1995) zum Verhältnis von „altem“ und „neuem“ Institutionalismus.

  33. 33.

    Powell et al. (2005) analysieren in ihrer Studie das Rezeptionsverhalten von verschiedenen Nonprofit-Organisationen in der San Francisco Bay Area.

  34. 34.

    Übersetzung lässt sich als Form-Umwandlung verstehen, die nicht eine Ausnahme-, sondern eine regelmäßige Operation ist. Ähnlich wie in der neurophysiologischen Kognitionsforschung heute davon ausgegangen wird, dass Wahrnehmungsdaten im Gehirn „nochmals in eine andere Form umgewandelt (werden – von mir, T. D.). Es handelt sich dabei um eine Transformation in die Sprache der Emotionen, denn jedes Datenelement erhält durch Übersetzung zusätzlich eine bestimmte Qualität, wird intensiv erlebt und gefühlt“ (Trappmann-Korr 2010, S. 287).

  35. 35.

    Der Begriff des „Editierens“ ist spannend und spannungsreich zugleich, zumal er in der englischen Sprache wenigstens doppeldeutig ist. Einerseits kann man ihn durchaus im Sinne eines eher klassischen Verständnisses als Text- und Textkompositionspraxis (Herausgeberschaft: Editor) verstehen, dann verweist er auf das Edieren von textuellem Sinn. Oder man schließt an die moderne Daten- und Informationssemantik (vgl. Munro 2001) an, dann verweist er auf das Hervorbringen, Bearbeiten und Verändern von Daten. In beiden Fällen geht es um das Manipulieren von Sinn.

  36. 36.

    Vgl. Tyulenev (2012) zu einer umfassenden Diskussion des Übersetzungsbegriffes im Rahmen der soziologischen Systemtheorie.

  37. 37.

    Die Gegenthese gegen das Respezifizierungsargument ist das Gewohnheitsargument. Wird ein Begriff nur lange genug regelmäßig verwendet, wird er zum selbstverständlichen Gebrauch und gewinnt selbstverständliche Bedeutung. Er wird sozusagen in den semantischen Haushalt inkorporiert.

  38. 38.

    Vgl. Drepper (2003b) zum „Raum der Organisation“. Einige Ideen daraus sind in überarbeiteter Form in dieses Unterkapitel eingegangen.

  39. 39.

    Position ist der englischsprachige Begriff für Stelle (vgl. Achterbergh und Vriens 2009, S. 149). Dadurch wird sehr deutlich die raumimplikative Konnotation betont, dass (Organisations-)Stellen Positionen in einem relationalen Gefüge (Struktur, Feld, Figuration etc.) sind. Eine Stelle zu besetzen bedeutet, eine Position an- und einzunehmen und einen Posten zu besetzen. Hierarchie ist damit immer eine Stellen-, Positions- und Postenordnung, die aus Unter- und Überordnungsrelationierungen gewonnen wird.

  40. 40.

    Rehberg spricht von der „geistigen Atmosphäre von Orten“ („genius loci“), die Einfluss auf Vorstellungen, Lebensgefühle, und Lebensstile entwickeln kann. Als Beispiele nennt Rehberg Sportarenen, Chefbüros, Paläste und Parlamente (vgl. Rehberg 1994, S. 60). Vgl. Rehfeld (1999) zum Zusammenhang von Strategie und Räumlichkeit.

  41. 41.

    Zu denken wäre hier z. B. an die Gestaltungsmacht von Branchen für gesamte Regionen. Ein populäres Beispiel hierzu ist das Silicon Valley.

  42. 42.

    Der Designbegriff führt zum Modebegriff, da Design eine Bedeutungsfeld aufspannt, in dem Unterscheidungen wie modisch/unmodisch, modern/traditionell, avantgardistisch/konventionell und innovativ/konservativ zur Anwendung kommen und Präferenzen vorgeben. Und es lassen sich Wiedereintritte von Unterscheidungen beobachten wie im Fall von trendsetzenden Retro-Stilen, in denen altmodisch und traditionsbewusst als vintage und legendär gelten und damit höchst attraktiv werden.

  43. 43.

    Vgl. Günter (1994, S. 209 ff.) zum Zusammenhang von organisationaler Macht, Repräsentationsarchitektur und Industrieästhetik. Die territorial-architektonische Ausdruckssprache der klassischen Großindustrie ist die flächige Ausdehnung und ökologische Überformung.

  44. 44.

    Populäre Beispiele für Campus-Standorte und smartes Gebäudedesign sind Microsoft (Redmond-Campus, Campus Mountain View), Apple (Apple-Campus 2, Cupertino), Google (Googleplex, Mountain View), Facebook (Facebook-Campus, Menlo Park) und Novartis (Novartis-Campus, Basel). Andere und eher schmucklose Beispiele aus der Internet- und Dienstleistungswirtschaft sind Hochregallager, Großraumbüros (vgl. Go und Fenema 2006) und Callcenter-Standorte in Peripherien und strukturschwachen Regionen mit guter logistischer Anbindung und hohem Potenzial an gering qualifizierten Arbeitskräften.

  45. 45.

    Etwas genauer gefasst, handelt es sich um eine dreiteilige Relation: convenience (materiell-funktionale Ebene der technischen Infrastruktur) – Comfort (Emotionale Ebene des erlebenden Individuums) – community (sozial-kollektive Ebene der Kommunikationsgemeinschaft).

  46. 46.

    Das klingt etwas überdreht, bezieht sich aber auf das aktuelle Beispiel des Facebook-Headquarters (Campus Menlo-Park), bei dem alles auf einer Ebene angeordnet ist und es sich um ein großes offenes Einzelbüro handelt. Ein Raum für alle Mitarbeiter, flach und einfach, unfertig und ständig in Bewegung, unprätentiös und gleichzeitig ambitioniert. Die Architekturästhetik versteht sich als Übersetzung der konnektionistischen Weltanschauung der unbegrenzten Durchlässigkeit und der uneingeschränkten wechselseitigen Erreichbarkeit, Vernetzung und des sozialen Austausches. Die „unendlichen Weiten“ spielen natürlich auf Science Fiction an, wobei diese Assoziation nicht einmal zu weit hergeholt ist, schaut man sich das Design des Apple-Campus 2 in Kalifornien an, bei dem der Vergleich mit einem Raumschiff sehr nahe liegt.

  47. 47.

    Für Türk et al. beginnt der Prozess der Virtualisierung allerdings bereits viel früher und wird durch die Rechtsfigur der juristischen Person ausgelöst:

    In der Gebildedimension der Organisationen setzt sich der im 19. Jh. begonnene Prozess der ‚Virtualisierung‘ des sozialen Orts- oder Raumkonzepts der Organisation fort. Zeigten zunächst Mauern und Gebäude den Ort der Ordnung an und erfolgte die reelle Subsumtion auch durch räumliche Konzentration, so führte das Konzept der ‚juristischen Person’ bereits zu einem allein rechtlich definierten Ortskonzept der Zurechnung von Aufwendungen, Erträgen und Verantwortlichkeiten (Türk et al. 2002, S. 263).

  48. 48.

    Ich verweise hier auf den Dokumentarfilm „Work Hard – Play Hard“ (Regie: Carmen Losmann, Deutschland 2011), in dem die Programmatik eines umfassenden Designs von Körper, Geist und Seele des modernen Organisationsmenschen vorgeführt wird.

  49. 49.

    Darin liegt mitunter eine moderne archäologische Aufgabe, sich auf die Suche nach analogen Relikten zu begeben. In der Bürowelt sind das vielleicht gelbe Klebezettel an Bürotüren („Bin zu Tisch“, „Gleich wieder da!“, „Bin weg – für immer!“), Vorzimmer, Filterkaffeemaschinen, Aktenwagen und Postverteilung. Sehr instruktiv und anschauungsreich liest sich in diesem Zusammenhang die theoretisch reflektierte Insiderliteratur von Bartmann (2012) zum Wandel von Bürokratie und Büro im Zeitalter des modernen Managerialismus und neuer Steuerungslehren. Hier findet sich auch ein plakativer Gegenslogan zur positiven Psychologie und Kreativitätseuphorie: „Burnout. Kreativität macht krank“ (Bartmann 2012, S. 244 ff.) So wird das „Lob der Routine“ (Luhmann 1971b) rehabilitiert und schon fast zum gesundheitsprophylaktischen Programm.

  50. 50.

    Paris (2001) analysiert die Einflüsse von Raumkonfiguration auf Strukturen, Funktionen und Interaktionen und wie der Raum in unterschiedlichen Arbeitsabläufen und Interaktionssituationen unterschiedlichen Sinn annimmt. Der Flur wird zum Indikator verschiedener Sequenzen des Arbeitsalltages. Mal fungiert er als Warteraum, mal als Kommunikationsraum, mal als Durchgangsraum und mal als Ausgang, und das in jeweiliger Abhängigkeit davon, ob sich der Sinn auf die Publikums- oder Leistungsrollen bezieht.

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Drepper, T. (2017). Kommunikabilien: Sinnbewegungen und Sinnfestlegungen. In: Operativität und Typik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17649-5_3

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