Zusammenfassung
Soziale Innovation bedeutet in einer stark verkürzten Formel, dass Viele etwas anders machen und daraus eine neue gelebte Praxis entspringt. Ursachen für ein über Individualhandeln hinausgehend beobachtbar neues Verhalten gibt es mannigfaltige. In der Hauptsache liegen sie in einer Unzufriedenheit mit bestehenden Praktiken oder Lebensumständen – in einigen Fällen jedoch entsteht innovatives Handeln aus einem Leidensdruck.
Eine solche Ursache ist in den immer stärker wahrnehmbaren Folgen des demografischen Wandels zu suchen, welcher insbesondere für die Älteren zu einer individuell stark identifizierbaren Belastung wird. Aufgrund des Strukturwandels familialer Bande und individueller Lebensentwürfe, die mithin Ursache, aber auch Wirkung des demografischen Wandels sind, sind Phänomene prägnant eruierbar, welche im Kern eine Vereinsamung älterer, zunehmend weniger mobiler und auf Hilfe angewiesener Menschen bedeuten.
An diesem Punkt möchte der Beitrag anknüpfen: dieser Leidensdruck erschafft neue Phänomene sozialer Interaktionen. Der Mangel an zwischenmenschlichem Kontakt (oder in diesem Zusammenhang empfundene Hemmnisse) führen dazu, dass sich Roboter auf dem Vormarsch befinden, die älteren Damen und Herren als vollwertig akzeptierte Interaktionspartner dienen. So konnte in einer Untersuchung niederländischer Forscher analysiert werden, wie sich Ältere mit dem Pflegeroboter Alice in ihrem Alltag arrangieren. Die Ergebnisse sind erstaunlich: der Roboter Alice wird als Kommunikations- und Interaktionspartner im Alltag eingebunden, akzeptiert und als bereichernd empfunden. Neben dem Aspekt, Einsamkeit abzumildern und soziale Interaktion zu ermöglichen, bietet der Einsatz von Pflegerobotern auch für Pflegefachkräfte In Betreuungseinrichtungen vielfältige Benefits: Roboter in Gestalt von Robben-Babies bieten die Möglichkeit, Kontakt zu Demenzkranken in Pflegeeinrichtungen herzustellen.
Der Beitrag befasst sich mit der emotionalen Hinwendung zu technischen Objekten mit dem Ziel, emotionale Bedürfnisse auszugleichen und Einsamkeit zu reduzieren. Die Akzeptanz, technische Objekte als soziale Interaktionspartner anzusehen, um Bedürfnisse nach menschlicher Gesellschaft zu kompensieren, scheint sich als neue soziale Praktik zu etablieren, die insbesondere vor dem Hintergrund der vielfältigen Folgen des demografischen Wandels eine notwendige Konsequenz zu sein scheint, um den vielfach entstehenden Mangel auszugleichen, welcher sich auf Seiten der Senior_innen zeigt, aber auch die Pflegekräfte (Stichwort: Fachkräftemangel) betrifft.
Zentral wird der Aspekt sein, anhand der Beispiele des Pflegeroboters Alice und den Roboter- Robben zu zeigen, welchen Beitrag diese Technologien auf der emotionalen Ebene leisten. Daran anschließend wird dezidiert untermauert, wie hier eine soziale Innovation aus einer Mangelsituation heraus entsteht, so dass Robotertechnik mit Emotionen besetzt und als sozialer Interaktionsadressat anerkannt wird. Als leitende Fragestellung des Beitrags lässt sich die Folgende extrahieren:
Wie lässt sich am Beispiel der Akzeptanz von Robotern als Interaktionspartner im Alltag Älterer der Prozess einer sozialen Innovation nachzeichnen?
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Obermeier, C. (2018). Wege aus der Einsamkeit, soziale Interaktion innovativ denken. In: Franz, HW., Kaletka, C. (eds) Soziale Innovationen lokal gestalten. Sozialwissenschaften und Berufspraxis . Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18532-9_9
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