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Das Scheitern der älteren Kritischen Theorie

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Zu einer Kritischen Gesellschaftstheorie der Kommunikation
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Zusammenfassung

Das Kapitel dient der Rekonstruktion zentraler Begriffe und grundlegender Annahmen der älteren Kritischen Theorie. Deren Auseinandersetzung mit der instrumentellen Vernunft und Verdinglichungsprozessen, mit begrifflichem Denken sowie dem Freiheitsverlust des Einzelnen und dem Versiegen utopischer Potentiale innerhalb der Kulturindustrie wird ebenso dargestellt wie Habermas’ überzeugende, von dieser Arbeit geteilte Replik, sodass die Theorie des kommunikativen Handelns als begründete Weiterentwicklung der Kritischen Theorie verständlich wird.

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Notes

  1. 1.

    Auch Wellmer deutet die Theorie des kommunikativen Handelns als konsequente Fortführung der Kritischen Theorie (vgl. Wellmer 1986: 175-221).

  2. 2.

    Dass ökonomische Verelendung nicht zu einer revolutionären Praxis führt, wie im Marxismus der damaligen Zeit oftmals angenommen (vgl. Michels 1928), zeigt ebenfalls die 1933 erhobene Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (Jahoda et al. 1975) deutlich auf.

  3. 3.

    Die Theorie des Faschismus, die eine Herrschaft der Eliten beschreibt, die die individuellen Widerstände gegen deren Herrschaft in Zustimmung umzuwandeln vermag (vgl. Habermas 1981b: 492), steht nicht im Fokus dieses Kapitels. Für die Diskussion zum Scheitern der älteren Kritischen Theorie sind andere Themenfelder wie das Identitätsdenken, die Kulturindustrie und die instrumentelle Vernunft zentraler. Vgl. für die Diskussion der Faschismustheorie die gesammelten Aufsätze in Dubiel/Söllner 1981. König 2016 hingegen rückt die Diskussion des Antisemitismus ins Zentrum der Frage, wieso die ältere Kritische Theorie scheitert.

  4. 4.

    Vgl. auch Dubiel 1978: 125ff. Der Grund für diese Abkehr von sozialwissenschaftlichen Methoden wird im Folgenden ausführlicher dargestellt. Knapp formuliert, erkennen Horkheimer und Adorno in diesen Methoden dieselbe Erkenntnisstruktur, der der Zivilisationsprozess insgesamt seine unheilvolle Prägung verdankt: das identifizierende Denken.

  5. 5.

    So auch Habermas in Habermas 1981c: 555-575 und ausführlich in Habermas 1981b: 455-534. Sicherlich sind Horkheimer und Adorno ebenfalls von anderen Einflüssen stark geprägt. Hegel, Freud und Nietzsche können als Gewährsmänner des begrifflichen Rahmens der älteren Kritischen Theorie gelten. Um zu verstehen, wieso die ältere Kritische Theorie scheitert, beschränkt sich diese Arbeit auf die Einflüsse Webers und Lukács’, weil die Ausweglosigkeit, in die sich Horkheimer und Adorno begeben, von deren Theorien her sehr deutlich überblickt werden kann.

  6. 6.

    Wie bereits dargestellt, verwendet auch die ältere Kritische Theorie den Totalitätsbegriff, um auszurücken, dass jedes Teil des Ganzen – jedes einzeln betrachtete Phänomen – Ausdruck einer ihm zugrundeliegenden, die gesamte Gesellschaft bestimmenden Struktur ist.

  7. 7.

    Weber geht in seiner Schrift „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ (Weber 2006) der Frage nach, wieso die moderne Form der Rationalität ausschließlich im Okzident entstanden ist und beantwortet sie mit einer Analyse der territorial praktizierten Religionen und deren Lebensführungen. Eine „Wahlverwandtschaft“ erkennt er zwischen der asketischen Ethik des Protestantismus und des kapitalistischen Geistes. Webers Ausgangsfrage wird jedoch selbst zum Gegenstand kritischer Auseinandersetzungen. So wird in Diskussionen zu den multiple modernities darauf hingewiesen, dass es nicht sinnvoll ist von nur einer Form der Modernität auszugehen und damit nur eine Gesellschaft als rational zu bestimmen (vgl. grundlegend Eisenstadt 2000).

  8. 8.

    Genealogie ist Adorno zufolge die „Denunziation des Schlechten gerade im Guten und damit auch die Kritik der Verkörperung des Schlechten in der gesellschaftlichen Positivität“ (Adorno 2010: 255). Er bekennt selbst: „[W]enn ich aufrichtig sein soll, am meisten von allen sogenannten großen Philosophen verdanke [ich Nietzsche, M.B] – in Wahrheit vielleicht mehr noch als Hegel“ (ebd.). Vgl. weiterführend zum Begriff der Genealogie Schaub 2001.

  9. 9.

    Neben dem narrativen Verfahren der Genealogie orientieren sich Horkheimer und Adorno auch inhaltlich an Nietzsche: „Alle Instinkte, welche sich nicht nach Aussen entladen, wenden sich nach Innen — dies ist das, was ich die Verinnerlichung des Menschen nenne: damit wächst erst das an den Menschen heran, was man später seine „Seele“ nennt. Die ganze innere Welt, ursprünglich dünn wie zwischen zwei Häute eingespannt, ist in dem Maasse aus einander- und aufgegangen, hat Tiefe, Breite, Höhe bekommen, als die Entladung des Menschen nach Aussen gehemmt worden ist. Jene furchtbaren Bollwerke, mit denen sich die staatliche Organisation gegen die alten Instinkte der Freiheit schützte — die Strafen gehören vor Allem zu diesen Bollwerken — brachten zu Wege, dass alle jene Instinkte des wilden freien schweifenden Menschen sich rückwärts, sich gegen den Menschen“ (Nietzsche 1999a: 322).

  10. 10.

    Dieses Grundmotiv der „Dialektik der Aufklärung“ greift die hier bereits von Weber zitierte Figur der Rückkehr der alten Gottheiten auf.

  11. 11.

    In den Worten Habermas’: Der „Zerfall der in der Religion und Metaphysik noch verkörperten substantiellen Vernunft entmächtigt die isolierten, ihres Zusammenhalts beraubten Vernunftmomente so sehr, daß diese zu Rationalität im Dienste wildgewordener Selbsterhaltung regredieren“ (Habermas 1988: 137).

  12. 12.

    Die Intention, Ästhetisches als ernstzunehmende Quelle der Kritik zu begreifen, versucht die vorliegenden Arbeit – entgegen der Skepsis Habermas’ gegenüber der Rationalität des Ästhetischen – aufzugreifen (vgl. hier Kapitel 7).

  13. 13.

    Die „Negative Dialektik“ widmet sich dem Identitätsdenken ausführlich durch die intensive Auseinandersetzung mit der Ontologie Heideggers und dem Positivismus des kritischen Rationalismus. In unterschiedlichen Wiederholungen und Verschiebungen reflektiert Adorno Abstraktion und Rationalität sowie Herrschaft und Unterdrückung als nicht durchschaute Momente des Denkens.

  14. 14.

    Habermas’ Kritik an Marx folgt derselben Argumentationslogik (vgl. Habermas 1976: 35).

  15. 15.

    Die Rackettheorie geht zurück auf Pollocks und Horkheimers Studien zum Staatskapitalismus des NS-Faschismus (vgl. Horkheimer 1981, Pollock 1981b und Pollock 1981a).

  16. 16.

    Horkheimer und Adorno legen durch diese Gedanken ihren diskutablen normativen Bezugspunkt klar offen. Im frühen Liberalismus und dessen Wirtschaftssystem erkennen sie die Möglichkeit des je einzelnen Individuums, frei seinen Interessen nachzugehen. Es ist fraglich, ob Horkheimers und Adornos idealisiertes Bild des Frühliberalismus einer empirischen Prüfung standhält. Zudem reduzieren sie (zumindest an dieser Stelle) Freiheit auf das Verfolgen von Interessen.

  17. 17.

    In dem siebten Element des Antisemitismus, das erst in der Ausgabe der „Dialektik der Aufklärung“ von 1947 abgedruckt wird, beziehen Horkheimer und Adorno die Reklame ebenfalls auf den Antisemitismus der Nachkriegsgesellschaft. In einem 1962 gehaltenen Vortrag „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“ urteilt Adorno: „Der Antisemitismus, könnte man sagen, ist so etwas wie die Ontologie der Reklame“ (Adorno 2003j: 367, vgl. dazu König 2016: 175-195).

  18. 18.

    Horkheimer und Adorno greifen hier Kracauers Analyse der sogenannten Tiller Girls auf, einer Tanzgruppe, deren gleichartige Bewegungen Kracauer auf identische maschinelle Bewegungsabläufe innerhalb der Massenproduktion bezieht (vgl. Kracauer 1977: 50-63).

  19. 19.

    Seit jeher hängt das Individuum laut Horkheimer und Adorno von gesellschaftlichen Prozessen und Tendenzen ab, die das Individuum – verstanden als gesellschaftstheoretische Kategorie und Begriff der Selbstbeschreibung einer Gesellschaft – erst in der Neuzeit hervorbringen: Durch den Wegfall der Beschränkungen feudaler Ordnung wird das Individuum zu einer historischen Entität (vgl. Schweppenhäuser 2003: 81f.). Die Mentalität des bürgerlichen Zeitalters proklamiert es als selbstständig und frei, obwohl es doch Resultat gesellschaftlicher Dynamiken ist. Daher muss es als sich selbst setzend und gesetzt werdend verstanden werden. Weil sich das Individuum also nie ganz von seiner gesellschaftlichen Umgebung lösen kann, gelingt die vollständige Integration in die Gesellschaft (vgl. Horkheimer/Adorno 2004: 164).

  20. 20.

    So auch Schnädelbach in seinem Aufsatz „Adorno und die Geschichte“ (Schnädelbach 2004: 150-178). García Düttmann deutete Adornos Konstruktion einer Universalgeschichte als Reaktion auf das Ereignis, das Adorno als Auschwitz bezeichnet – die Menschheitsverbrechen der Shoa und des Nationalsozialismus. In deren Licht verdichtet sich Geschichte für Adorno zur totalen Herrschaft (vgl. García Düttmann 1991: 120-124).

  21. 21.

    Barthes Studien zu den Mythen des Alltags können als Grundlegung der Cultural Studies gelten, in der selbst Werbespots als unterschiedlich zu interpretierende Texte verstanden werden (Barthes 2003).

  22. 22.

    „I think those technology platform constantly put the government on trial. And every event, every policy they make, people will laugh about it or make fun about it. This is amazing for younger generation“ (Ai Weiwei zitiert nach Khazan 2012).

  23. 23.

    In seiner früheren Schrift zum „Strukturwandeln der Öffentlichkeit“ (Habermas 1990) gibt sich Habermas pessimistischer. Dort konstatiert er, dass die bürgerliche Idee der Öffentlichkeit die strikte Trennung von Staat und privaten Interessen voraussetzt. Durch die politische Formierung der Arbeiter/innenschaft drängt jedoch die soziale Frage in die Öffentlichkeit. Die Folge davon ist laut Habermas eine Zersplitterung der Öffentlichkeit in Interessengruppen (vgl. Fraser 2009: 149). An die Stelle rationaler Debatten über das Gemeinwohl treten Hinterzimmer-Kompromisse und mediale Inszenierungen sozialstaatlicher Wirtschaftspolitik, so Habermas.

    Der von Habermas skizzierte Prozess kulminiert in der Privatisierung der gesamten Öffentlichkeit. „Von einer Refeudalisierung der Öffentlichkeit muss noch in einem anderen, genaueren Sinne die Rede sein. Jene Integration von Massenunterhaltung und Werbung, die in Gestalt der public relations bereits ‚politischen‘ Charakter annimmt, unterwirft ihrem Kodex nämlich auch noch den Staat selber. Weil die privaten Unternehmen ihren Kunden bei Verbraucherentscheidungen das Bewußtsein von Staatsbürgern suggerieren, muss der Staat seine Bürger wie Verbraucher ‚ansprechen‘. So wirbt auch die öffentliche Gewalt um publicity“ (Habermas 1990: 292). Der Begriff der Refeudalisierung betont hier die Entdifferenzierung von privater und öffentlicher Sphäre. Habermas’ Analysen zum problematischen Charakter öffentlicher, massenmedialer Kommunikation fallen einst dahingehend pessimistischer aus, dass die Form und Inhalte sehr wohl reklamespezifisch strukturiert sind, weil sie laut Habermas in einer eigenen, mittlerweile jedoch überwundenen kulturpessimistischen Perspektive gründen, in der er die Entwicklung der Öffentlichkeit als einen Verfallsprozess darstellt (vgl. Habermas 1990: 20f.).

    Negt und Kluge erwidern Habermas mit ihrer Schrift „Öffentlichkeit und Erfahrung“ (Negt/Kluge 1976), dass die Artikulationen der arbeitenden Klasse nicht als ein Eindringen in eine neutrale Öffentlichkeit, die dadurch privatisiert wird, zu verstehen ist. Vielmehr existieren verschiedenen Formen der Öffentlichkeit nebeneinander, in denen unterschiedliche Vorstellungen des Gemeinwohls in Hinblick auf klassenspezifische Erfahrungen thematisiert werden.

  24. 24.

    Adornos Verständnis des Ästhetischen wird hier in Kapitel 7 erneut aufgriffen, um es für eine zeitgemäße Form der Gesellschaftskritik zu aktualisieren.

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Baum, M. (2018). Das Scheitern der älteren Kritischen Theorie. In: Zu einer Kritischen Gesellschaftstheorie der Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20694-9_2

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