Zusammenfassung
Wenn wir das Fazit aus unseren bisherigen Untersuchungen ziehen, so läßt sich etwa folgendes feststellen: Historisch bildet der einzelne Deliktstatbestand, also im ganzen der sog. Besondere Teil des Strafrechts, den Ausgangspunkt der Entwicklung. Die Herausbildung des Allgemeinen Teiles ist erst das Werkdes gemeinen Rechts und der ihm folgenden Perioden der deutschen Strafrechtswissenschaft. Dennoch gebührt dem Allgemeinen Teil dogmatisch die erste Stelle, und seiner Anlage nach strebt er sogar zu einer möglichst vollständigen Aufsaugung der einzelnen Deliktstatbestände, mithin zu einer Vernichtung des Besonderen Teiles.
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Referenzen
Vgl. oben S. 244. Wegen Feuerbach: Revision I S. 63, 109, 146, 203, 342; II S. 14, 33.
Vgl. Merkel: Kriminalistische Abhandlungen Bd. II — Zur Lehre vom strafbaren Betruge S. 75: „Welche Bedeutung den besonderen Thatbeständen im Übrigen zukommt, lehrt ein Blick in unsere Kodifikationen. Sie sind die eigentlichen Träger des Systems der praktischen Bestimmungen, welche die richterliche Thätigkeit regeln sollen.
Hierzu sind sie aber nur qualifiziert, sofern sie die richtige Mitte halten zwischen prinziploser Spezialisierung und unpraktischer Generalisierung. Weder mit dieser noch mit jener werden wir die Vollständigkeit und innere Harmonie erreichen können, um die sich unsere Gesetzgeber bemühten.”
Wie im Allgemeinen Teil; vgl. Zimmerl: Aufbau des Strafrechtssystems (1930), passim.
Über Sinn und Grenze der Legalordnung für die wissenschaftliche Erfassung des Systems vgl. die schönen Ausführungen bei Binding: Bes. Teil Bd. I S.4.
Wolf, Erik: Vom Wesen des Täters (Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart Nr. 87) 1932.
Schärfer urteilt Binding: Lehrbuch, Bes. Teil Bd. I S. 5 ‚Ihre Teilung durch STGB § 1 in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen stellt die Karikatur eines Systems dar”.
Vgl. oben S. 272.
Daß der Verbrechensbegriff im Prinzip stets den Ausgangspunkt des Systems zu bilden hat, ist zutreffend hervorgehoben bei Hegler: Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie Bd. IX S.153: Er liefere als‚ Gattungsbegriff “die Artmerkmale für die Unterabteilungen. Aber Hegler unterschätzt m. E. die Ergiebigkeit jenes Prinzips, wenn er fortfährt: ‚Also müssen die verschiedene Art des Rechtsgutes oder die verschiedene Art des Angriffes darauf den Einteilungsgesichtspunkt abgeben.”
Die Frage, ob der Handlungsbegriff selbständiges Verbrechenselement oder Bestandteil der Rechtswidrigkeit ist, kann hier auf sich beruhen bleiben. Zur Grundlage des systematischen Aufbaus ist jedenfalls der Gegensatz von Handlung und Unterlassung an keiner Stelle gemacht worden. Ebenso Binding: Lehrb. Bes. Teil Bd. I S. 5.
M. E. auch in einem auf den Prinzipien der Einzeltat und der Schuld aufgebauten System. Dagegen würde eine Systematisierung nach Verbrecherpersönlichkeiten einen Bruch mit den Grundlagen dieses Systems bedeuten.
Ausnahmsweise Strafbarkeit bloßer Sachentziehung als ‚Beiseiteschaffung” oder „Unterdrückung“ §§133,274 StGB. u. a. (vgl. Binding: Bes. Teil Bd. I S. 246 II); VO gegen unbefugten Gebrauch von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern vom 20. X. 1932.
Zur Geschichte der Klassifikation im allgemeinen und zu der Theorie der sog. Dreiteilung im besonderen ist zu vergleichen Philippsborn, Alexander : Die Klassifikation der einzelnen strafbaren Handlungen (Abhandlungen aus dem kriminalistischen Seminar an der Universität Berlin. N. F. Bd. V Heft 2 – 1906 —) bes. S. 129.
Richtig: Binding: Bes. Teil Bd. I S. 5 II; Mezger: Strafrecht S. 189 bes. Anm. 13. Nur auf die Vermögensdelikte bezieht sich die Bemerkung von Hegler (a. a. O. S. 157): ‚Als Einteilungsprinzip kann demnach nur das andere wesentliche Moment des materiellen Verbrechensbegriffes in Betracht kommen, das Moment des yerletzenden Angriffes.”
Vgl. Binding: Bes. Teil I S. 5 III: „Das Objekt des Schutzes durch die Normen, zugleich das Objekt des Angriffs ihrer Übertretungen, ist als Centrum aller Gruppenbildung anzuerkennen.“ Ähnlich Hälschner: Das gemeine deutsche Strafrecht Bd. II 1 (1884) S. 9: „Man war endlich zu der Einsicht gelangt, daß nicht das Unrecht, das an sich Begrifflose und Irrationale, sondern nur das Recht Gegenstand eines wissenschaftlichen Systems sein könne, daß für den Thatbestand der einzelnen Verbrechensart nicht die Gestalt der verbrecherischen Thätigkeit, sondern das Rechtsgut, welches Gegenstand des Angriffes ist, das entscheidende Kriterium bildet, daß das System des Straf rechts, insofern ein jedes rechtliche Gut auch mögliches Objekt eines Verbrechens ist, seiner Natur nach nur Abbild des gesamten Rechtssystems sein kann.“ Vgl. ferner Mezger: Strafrecht S. 189.
Doch unterscheidet Binding Normen I (3. Aufl.) §§49–51 selbst zwischen „Rechtsgütern“ und „Interessen“ als möglichen „Angriffsobjekten“.
Erst bei solcher systematischen Betrachtungsweise gewinnt auch der mit BINDINGschem Temperament geführte Streit zwischen Binding (Handbuch I S. 169; Normen I (2. Aufl.) S. 338, (3. Aufl.) S. 353 A. 30], v. Liszt (ZStrW 6 S. 663–698) und Kessler (Ger. Saal Bd. 39 S. 94–126, Bd. 40 S. 580–603) dogmatische Bedeutung. Es ging bekanntlich darum, ob Gegenstand des Rechtsschutzes das Rechtsgut oder das rechtliche geschützte Interesse sei.
Auf die systematischen Zusammenhänge weisen hin: Köhler: Die Grenzlinien zwischen Idealkonkurrenz und Gesetzeskonkurrenz (1900) S. 65 und Binding: Normen I [3. Aufl.] S. 351 A. 26.
Bei Grünhut (RG Festgabe Bd. V S. 116) kommt dieser systematische Gegensatz zu kurz; dort heißt es: „Alles staatliche Straf recht dient dem Schutz bestimmter Rechtsgüter. Die Güter können von der verschiedensten Art sein: Sachguter oder immaterielle Werte oder Beziehungen und Verhältnisse zwischen Personen und Gütern in allen nur denkbaren Formen, wie sie das Leben bringt — Interessen in dem Sinn dieses Wortes, in dem man es von der ursprünglichen Bedeutung als eines subjektiven Wertgefühles auf den Gegenstand dieser Bewertung überträgt. Lediglich die gleiche Form des Schutzes verleiht diesen verschiedenartigen Sachgütern und Interessen die gemeinsame Eigenschaft des Rechtsgutes/’
Weitere Literatur zum Begriff des Rechtsgutes u.a.: Finger: Ger. Saal Bd. 40 S. 139–157; Frank: Komm. § 1 IV; Honig: Die Einwilligung des Verletzten S. 85ff.; Sauer: Grundlagen S. 223; Mayer, M.E.: Rechtsnormen und Kulturnormen S. 62
— 68; Schwinge, E.: Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht. Ein Beitrag zur strafrechtlichen Methodenlehre. Bonner rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Heft 14 (1930) S. 21–33. Der Begründer der Lehre vom ‚Rechtsgut” ist bekanntlich Birnbaum [Über das Erfordernis einer Rechtsverletzung zum Begriff des Verbrechens — Archiv für Kriminalrecht N.F. Bd. 1 (1834) S. 149–194].
Den Begriff des Angriffobjekts hat Oppenheim (Die Objekte des Verbrechens, Basel 1894 S. 153, 201 ff.) in die Wissenschaft eingeführt. O. nennt es im Gegensatz zum sog. Verbrechensobjekt = Objekt der äußeren Handlung auch ‚Schutzobjekt”. Den zuletzt genannten Ausdruck möchte ich lieber vermeiden; denn ob das Angriffsobjekt dasjenige ist, dem letzlich der Schutz des Strafrechts gilt, oder nicht vielmehr das in ihm sich verkörpernde Interesse, erscheint zweifelhaft.
Außerdem kennt O. noch eine dritte Gruppe, die der sog. Handlungsobjekte. Doch kommt dieser Unterscheidung — vielleicht mit Ausnahme der sog. gemeingefährlichen Delikte (darüber unten S. 359) — im geltenden Recht keine systembildende Bedeutung zu.
Genauer: „nur immateriellen Interessen“ [vgl. im übrigen oben S. 54].
Vgl. dazu Olshausen-Gutjahr (ii. Aufl.) § 242 N. 12, § 303 N. 1; RGK (4. Aufl.) § 242 Vorbem. N 1, § 303 N 1; Frank (18. Aufl.) § 242 I, § 303 I.
RGSt Bd. 3 S. 349; Bd. 44 S. 207 (anders Doerr: a. a. O. S. 30 u. a.); doch weist die Beschränkung der sog. Werttheorie (bei der Zueignung der Sachsubstanz an einen Dritten) auf den wirtschaftlichen Wert der entwendeten Sache in die entgegengesetzte Richtung.
Für § 246: RGSt Bd. 5 S. 7; Rspr. Bd. 10 S. 481. — A.A. Zimmerl: Zur Lehre vom Tatbestand [1928] S. 72.
RGSt. Bd. 10 S. 120ff. gegen RGSt. Bd. 1 S. 640. Ebenso Rotering: Ger. Saal Bd. 47 S. 204.
Bes. Teil I S. 248 Anm. 4; ebenso: Brauweiler: a.a.O. S.28; Rotering: Goltd. Arch. Bd. 47 S. 423.
Zustimmend: Gross: Der Raritätenbetrug S. 97; Brauweiler: a.a.O. S. 70 (für das Privatrecht).
v. Tuhr: Besprechung von Fischer, Der Schaden nach dem BGB, Krit. Vierteljahrsschrift Bd. 47 S. 67; Fischer, H.A.: Der Schaden nach dem BGB f. d. D. R. (1903) S. 32 (und die dort Zitierten), S. 260/1 u. 265; Mommsen: Die Lehre vom Interesse S. 130. Anders: Brauweiler: a.a.O. S. 146.
So für die Sachbeschädigung RGSt Bd. 33 S. 17711”.
v. Bar: Magazin f. deutsch. Recht Bd. IV S. 5 Anm. 1.
Vgl. oben Kapitel 4.
Vgl. oben S. 3 Anm.; für §266 n.F. Schwinge-Siebert: Das neue Untreuestrafrecht (1933) S.51; Peschke: DJZ 1933 Sp. 1098.
Immerhin kommt er vor; man denke an den Fall, daß der Wucherer statt Zinsen von seinem Opfer die Gewährung seiner Gunst verlangt; mit dem Dirnenlohn kann man einen solchen Fall nicht gut abtun. Man denke ferner gerade in dieser Hinsicht an geschlechtlich-perverse Zumutungen!
Es ist dies ein methodologisches Problem, dem die Wissenschaft bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, obwohl es gerade für die Lehre vom Versuche auch dogmatisch bedeutsam wird.
Zur Parallele Betrug — Erpressung Zutreffendes bei Eckstein: Strafrechtliche Studien, Ger. Saal Bd. 78 S. 169ff., 191 ff.
Den oben angedeuteten Schluß zieht neuestens RGSt Bd. 67 S. 200 (s. u. S. 343 Anm.7). Doch kommt man zum gleichen Ergebnis schon aus systematischen und rechtspolitischen Erwägungen (vgl. oben S. 3 Anm.6).
Vgl. etwa Hellmuth Mayer: Die Untreue im Zusammenhang der Vermögensverbrechen S. 183 Anm. 60 und die dort Zitierten, auch Anm. 61 – 63. Über die Bedeutung des §2 ausführlich: Beling: Die Lehre vom Verbrechen (1906) S.21ff. Zweifel gegen die Berechtigung dieses Prinzips neuerdings bei Dahm-Schaffstein: Autoritäres oder liberales Strafrecht S. 8ff.; Anossow: Mon. Krimpsych. Bd. 42 S. 321 ff.; Exner: Gesetz und Richteramt S. 50 (dazu Peters: JW 1933 S. 1563 A. 5).
RGSt Bd. 32 S. 165.
RG-Festgabe Bd. V S. 44–71.
Vgl. Wolf: a.a.O. S.56: „Denn jene, Wirklichkeit“, welcher das Recht anangehört, ist nicht die bedeutungsfremde Existenz von Materie, sondern die sinnvolle Existenz von Kulturgütern. Ob diese als körperliche oder unkörperliche Gegenstände erscheinen, ist eine Frage von sekundärer Bedeutung. Nicht die Existenz von Materie, sondern die Relation eines rechtlichen Wertgedankens in der Person eines rechtlichen Wertträgers auf die Materie ist das konstitutive Moment für den Sachbegriff”; dieser Satz könnte ohne Bedenken in einer „Theorie des rechtlichen Interesses“ stehen. Die Unterscheidung zwischen Angriffsobjekt und rechtlich geschütztem Interesse läßt sich dann nicht mehr durchführen. Vgl. dagegen Baumgarten: Die Wissenschaft vom Recht und ihre Methode I (1920) S. 198; als eine Folge der konstruktiven Jurisprudenz erscheint ‚die Transponierung rechtlicher Erscheinungen in die Körperwelt oder, um mit jhering zu reden, die naturhistorische Methode”; vgl. ferner ebenda S. 377ff.
Abgesehen davon, daß m.E. die im „möglichen Wortlaut“ liegende „Grenze der Auslegungshypothesen“ [Schwinge: Teleologische Begriffsbildung im Strafrecht S. 48] nicht eingehalten ist. Hinsichtlich der „Beschädigung“ von Forderungen durch Bevollmächtigte bestehen übrigens auch insoweit Bedenken. M.E. wäre dieser Fall unter § 266 zu subsumieren.
Es handelt sich dabei um verschiedene Formen eigennütziger Forderungsbeschädigung. Über die Verschiedenheit der Begehungsform Näheres unten S. 338ff.
Die Entscheidung ist unabhängig davon, ob man mit der herrschenden Lehre § 249 als lex specialis zu § 253 StGB auffaßt oder gegenseitigen Ausschluß annimmt (vgl. ZStrW Bd. 53 S.44 Anm.21).
Das ist mit dankenswerter Deutlichkeit hervorgehoben bei Hegler : Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie Bd. IX S. 154ff. Hegler spricht an jener Stelle von dem Fehlen der Spezialisiertheit des Angriffsobjektes und erläutert den Sinn dieser Bemerkung durch den Satz: Die letzte Gruppe (scil, der Vermögensverbrechen i.e.S.) „wiederholt den Oberbegriff, den die anderen spezialisieren, und verneint für eine Gruppe von Delikten seine Spezialisierbarkeit“. (Vgl. auch v. Liszt-Schmidt [25. Aufl.] S. 608 und Meyer-Allfeld [7. Aufl.] S. 489).
Vgl. oben S. 3 Anm. 6.
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Hirschberg, R. (1934). Systematische Grundlagen. In: Der Vermögensbegriff im Strafrecht. Abhandlungen aus der Berliner Juristischen Fakultät. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-26397-6_8
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