Zusammenfassung
Von besonderer Wichtigkeit für das Anlernen von Verletzten zum Arbeiten unter Benutzung von Ersatzgliedern ist, daß ihnen so schnell wie nur möglich ein Ersatz des verlorenen Gliedes gegeben wird; denn es hat einen ganz außerordentlich großen Einfluß auf die weitere seelische Entwicklung und die Arbeitsleistung des Beschädigten, wenn er sich so schnell wie möglich wieder als ganzer Mensch fühlt. Daß sich der Amputierte oder anderweitig Schwerverletzte erst wieder als gleichwertiger Teil der Allgemeinheit fühlt, wenn ihm der Gebrauch des verletzten Gliedes wieder möglich ist, das habe ich täglich von vielen Kriegsbeschädigten erfahren. Aber auch für die Arbeitsleistung ist es durchaus nötig, daß das verloren gegangene oder beschädigte Glied ersetzt oder gestützt wird. Gewiß kann ein Arbeiter einzelne Arbeiten ausführen, wenn er einen Arm verloren hat und um so leichter, je größer der Rest des verbliebenen Armes ist, aber wirkliche dauernde und schwere Arbeit kann er nur leisten, wenn er mit beiden Armen oder beiden Händen zugreifen kann. Wie soll z.B. ein im Schultergelenk Amputierter mähen ohne Behelfsarm oder wie stakt ein Oberarmamputierter Getreide oder drischt mit dem Flegel ohne Ersatz des Armes? Durch das Behelfsglied müß die durchaus notwendige Verbindung zwischen dem Arbeitsgerät und dem verbliebenen Stumpf hergestellt werden, und wenn dann der Wille zur Arbeit vorhanden ist, kann auch jede schwere Arbeit dauernd verrichtet werden. Die richtige Verwendung des Ersatzgliedes oder der Stützapparate muß durch den Willen zur Arbeit unterstützt werden. Eine große Aufgabe ist deshalb, den Willen zur Arbeit anzuregen. Gebe ich dem Amputierten das beste Kunstglied, und hat er nicht auch den ernsten Willen, damit etwas zu schaffen, so ist alle Mühe vergebens. Bei meinen Erfolgen mit landwirtschaftlichen Arbeitern ist es erreicht, den mitunter nicht vorhandenen Willen anzuregen und zu stärken durch den Hinweis auf den schönen Beruf. Auch der Vergleich des Lebens auf dem Lande in der schönen gesunden freien Gottesnatur mit dem Leben in der Stadt in engen Wohnungen und verstaubten Fabrikräumen oder dumpfen Büros hat manchmal überzeugend gewirkt. Bei anderen genügte der Hinweis auf die Erhaltung des in Aussicht stehenden Landbesitzes mit der Begründung, daß sich ein jeder auch mit dem Rest seines Könnens den ererbten Besitz selber erwerben muß. Also, Behelfsglied und Wille, beides vereint läßt alles überwinden, eins ist ohne das andere nichts nütze!
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Salchert, L. (1919). Anlernen der Arbeiter mit Ersatzgliedern und Arbeitshilfen im landwirtschaftlichen Betriebe. In: Borchardt, M., Hartmann, K., Leymann, Radike, R., Schlesinger, Schwiening (eds) Ersatzglieder und Arbeitshilfen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-33009-8_31
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