Zusammenfassung
Über das deutsche Judentum ist um 1988 in der Bundesrepublik eine Vielzahl historisch-sozialwissenschaftlicher Darstellungen erschienen. Äußerer Anlaß dafür war der 50. Jahrestag des Novemberpogroms von 1938. Ein tieferliegendes Motiv als das der moralischen Verpflichtung zur Erinnerung scheint aber eher die wachsende Erkenntnis gewesen zu sein, daß eine kulturell wichtige und wertvolle Gruppe aus Deutschland verschwunden ist und dies speziell in liberalen gebildeten Kreisen als ein nicht mehr zu kompensierender Verlust registriert wird.
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Literatur
Alle in dieser Arbeit zitierten Quellen befinden sich als Abschriften, Kopien und Reproduktionen (Fotos) im Projektarchiv der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg und können dort eingesehen werden.
Fallstudien sind in der erziehungswissenschaftlichen Forschung häufiger zu finden, u.a. auch als Institutions-und Organisationsanalysen von Erziehungseinrichtungen (insbesondere Schulen) sowie als Studien über die Entwicklung und Wirkung von pädagogischen Programmen (z.B. Richtlinien, Curricula). (Einen Überblick über die verschiedenen Arten von Fallstudien gibt Dietlind Fischer 1982, S. 14 f. und 241 ff.) Beide Varianten sind in dieser Arbeit enthalten. Eine verbindliche Medodik existiert bei Fallstudien offensichtlich nicht; auch die methodische Präzision scheint extrem unterschiedlich zu sein. Von Bedeutung ist bei den Fallstudien auch noch die Frage, inwieweit sie repräsentativ sind. In unserem Fall können wir davon ausgehen, daß eine weitgehende Repräsentativität existiert. Dies gilt für die Fallgruppe im sozialgeschichtlichen und soziokulturellen Bereich, für die Schule als Erziehungseinrichtung des liberalen großstädtischen Mittelschichtsjudentums und auch für wichtige Teile des Lehrplans, da er sich an den allgemeinen Richtlinien der Reichsvertretung der deutschen Juden orientierte. Glücklicherweise hat die PriWaKi aber auch noch viele unverwechselbare Merkmale besessen, so daß sie auch noch als Unikat von wissenschaftlichem Interesse ist.
Peter Pulzer in Paucker 1986, S. 14
Eva Reichmann, die schon in den 20er und 30er Jahren eine öffentliche Vertreterin des liberalen Judentums war, beklagte schon 1932 unzulässig verallgemeinernde Aussagen: „Den abstrakten,Juden an sich’ gibt (es) in Wirklichkeit nicht…“ und „eine Summierung so ungleicher Größen, wie es die,konkreten Juden’ sind, zu dem einheitlichen Begriff,die deutschen Juden’ (ist) nur nach Vornahme höchst fragwürdiger soziologischer Manipulationen möglich.” (Reichmann 1974, S. 18)
Zur „Oral History“ vgl. Lutz Niethammer 1985. Von Relevanz für das methodische Vorgehen in dieser Arbeit ist besonders der Zusammenhang von Lebenslauf, Sozialisation und erinnerter Geschichte sowie auch eine etwas weniger strenge Form der biographischen Methode. Vgl. dazu auch Jan Szczepanski 1967. Die niedergeschriebenen Interviews und die Fragebogen-Antworten, aber auch Briefe und andere Quellen biographischen Inhalts sind in dieser Arbeit als „persönliche Dokumente” verstanden und interpretiert worden.
Von einem Konzept kultureller Identität zu sprechen, ist eine Vereinfachung, die im Rahmen dieser Arbeit allerdings notwendig ist, da angesichts der Vielfalt der Kon-zepte der Identität (bzw. des Self oder Selbst), aber auch der Kultur (vgl. Krewer, Eckensberger 1991), sonst eine differenzierte methodologische Diskussion geführt werden müßte, die den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ihren Charakter als historisch-empirische Schul-und Sozialisationsforschung verändern würde. Wie seinerzeit Erikson, möchten wir lieber „metapsychologische Fragen denen überlassen (.), die in dieser Art zu denken zu Hause sind.“(1971, S.9) Die Diskussion auf einer Metaebene bleibt gleichwohl notwendig, um z. B. vor Verengungen und ideologischen Instrumentalisierungen des Identitätskonzepts zu warnen. Letzteres wäre der Fall, wenn unter Bezug auf „kulturelle Identität” Konformismus und Einheit statt Differenz und Vielfalt gefordert oder gar hergestellt würden. (Vgl. Wieseltier 1995)
Das hat Peter Gay überzeugend nachgewiesen. (Vgl. Gay 1989; vgl. auch Gay und Pulzer in Paucker 1986) Von einer „deutsch jüdischen Symbiose“ (Buber 1939; zit. in Bein 1980, S. 329) kann vielleicht dann gesprochen werden, wenn die Amalgamierung deutscher und jüdischer Kultur gemeint ist. Weit weniger angebracht scheint dieser Begriff zu sein, wenn damit die vorbehaltlose soziale Anerkennung durch die nichtjüdische Mehrheit der Deutschen festgestellt werden soll. ( Vgl. Scholem 1987 )
unbewußt integriert der Außenseiter die Tatsache, daß er abgelehnt wird, in sein Selbstbild… Selbsthaß entsteht, wenn die Trugbilder der Stereotypen mit der Wirklichkeit verwechselt werden, wenn der Wunsch, akzeptiert zu werden, die,Einsicht` in die eigene,Andersartigkeit` erzwingt.“ (Gilman 1993, S. 14f) Gay spricht von einer „Identifizierung mit dem Aggressor”. (1989, S. 221)
Dies zeigt Gay (1989) am Beispiel von Freud und prominenten Juden in der Weimarer Republik.
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Fölling, W. (1995). Einleitung. In: Zwischen deutscher und jüdischer Identität. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-01395-2_1
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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