Art. 35 Abs. 1 HV und die berufsständischen Versorgungswerke

Zusammenfassung

Eine Norm zur Sozialversicherung enthalten alle vorgrundgesetzlichen Landesverfassungen.¹ Mit dem Grundgesetz und der Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Nr. 12 (seit 1994 Art. 74 Abs. 1 Nr. 12), 72 GG durch den Bund wurden diese landesverfassungsrechtlichen Normen jedenfalls für die „klassische“ Sozialversicherung der abhängig Beschäftigten gegenstandslos. Die Frage ist, ob „Sozialversicherung“ sich darin erschöpft oder ob daneben noch ein landesrechtlicher Anwendungsbereich geblieben ist; sie läuft praktisch darauf hinaus, ob und mit welchen verfassungsrechtlichen Folgen der Begriff „Sozialversicherung“ des Art. 35 Abs. 1 HV auch berufsspezifische Pflichtversicherungen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung der freien Berufe (oder Dienstleistungsberufe höherer Art) einschließt, in Hessen heute also die auf landesrechtlicher Grundlage errichteten Versorgungswerke der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Rechtsanwälte. Diese Frage wurde jüngst noch dem Hessischen Staatsgerichtshof vorgelegt, von ihm aber nicht beantwortet.² In Ansätzen und mit zeitbedingter Undeutlichkeit hat sie schon die Entstehung des Art. 35 Abs. 1 HV begleitet.