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Staatsbürgerschaft als Modus sozialer Schließung

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Kampf um Zugehörigkeit

Zusammenfassung

Historische Analysen haben mit Nachdruck auf die Bedeutung von Klassenkämpfen und politischen Konflikten zwischen gesellschaftlichen Gruppen für die Durchsetzung moderner Staatsbürgerschaft hingewiesen.l Die Herausbildung des allgemeinen, universalistischen Status der Staatsbürgerschaft, die bei Marshall als evolutionärer Entwicklungsprozeß erscheint, wird nämlich bei genauer Betrachtung als Resultat permanenter Kämpfe gesellschaftlicher Gruppen um den Zugang zu Staatsbürgerrechten erkennbar. Diese Einsicht ist in historischer Perspektive inzwischen unbestritten. Trotz einer Vielzahl von Veröffentlichungen, die sich mit den Rechten von Migranten in ihren Aufnahmegesellschaften auseinandersetzen2, muß für die aktuelle Diskussion jedoch festgestellt werden, daß eine solche konflikttheoretische Perspektive bisher nicht entwickelt wurde. Daß die zunehmende ethnische Heterogenisierung westlicher liberal-demokratischer Gesellschaften den Aspekt interner Exklusion nationaler Staatsbürgerschaft immer stärker hervortreten läßt, kann jedoch nicht bezweifelt werden, und die in allen diesen Gesellschaften zu beobachtende interne Schließung macht unmißverständlich deutlich, daß Immigration und die Ansprüche von Migranten auf Inklusion in Staatsbürgerrechte dazu geführt haben, daß der „Definitionskampf um die Staatsbürgerschaft zu einer der wichtigsten politischen Konfliktlinien“ (Neckel 1995: 217) in demokratischen Gemeinwesen geworden ist.

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Literatur

  1. Bendix (1977); Mann (1987); Turner (1990); Somers (1995a; 1995b); Tilly (1975).

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  2. Layton-Henry (1990); Wihtol de Wenden (1990); Vranken (1990); Hammar (1990).

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  3. Damit wird natürlich der Annahme einer problemlosen und weit fortgeschrittenen Integration von Migranten in ihre Aufnahmeländer widersprochen. Vgl. Soysal (1994; 1996a) zur Idee der Inkorporation in institutionentheoretischer Perspektive.

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  4. Anthony Giddens (1980) hat in seiner Kritik an Parkins Modell den angeblichen Voluntarismus der Handelnden kritisiert. Angesichts der Determiniertheit, die in Parkins Modell das Handeln sozialer Akteure charakterisiert und die Handlungsmöglichkeiten der Subjekte begrenzt, geht diese Kritik am Ziel vorbei. Sie dient Giddens ganz offensichtlich dazu, seine eigene Position zu verdeutlichen.

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  5. Zum Begriff des ‘orthodoxen Konsensus’ in den Sozialwissenschaften siehe Giddens (1984a).

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  6. Vgl. dazu aktuell Alexander (1992b); Mayntz/Scharpf (1995a).

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  7. Margaret Archer (1982) hat diese Dualismen herausgearbeitet: den Dualismus zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Erklären und Verstehen, zwischen Voluntarismus und Determinismus und den Dualismus von Statik und Dynamik; Siehe dazu Müller (1992b: 160).

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  8. Ich beziehe mich im folgenden stark auf Giddens (1982). Der Aufsatz ‘Power, the dialectic of control and class structuration’ hat als erklärtes Ziel, aufzuzeigen, welchen Nutzen sozialtheoretische Überlegungen für die konkrete Analyse sozialer Probleme bieten. Siehe auch Giddens (1990).9 Zur Unterscheidung zwischen praktischem und diskursivem Bewußtsein vgl. Giddens (1984a: 7 ).

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  9. Zur praxeologischen Perspektive siehe Joas (1988); Müller (1992b); kritisch dazu Habermas (1984).

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  10. Giddens (1979b: 56).

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  11. Macht selbst ist bei Giddens keine Ressource. Siehe Giddens (1988: 67).

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  12. Zum Verständnis und Begründung der begrenzten Rationalität sozialer Akteure siehe Giddens (1982: 30).

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  13. Zu Giddens’ Begriff von Struktur als Regeln und Ressourcen siehe ausführlich Giddens (1979b; 1981; 1984a); Kießling (1988); Müller (1992b); Outhwaite (1990); Sigmund (1997). “Interaktion wird von und im Verhalten von Subjekten konstituiert; Strukturierung als Reproduktion von Handlungsweisen bezieht sich abstrakt auf dynamische Prozesse, durch die Strukturen erzeugt werden. Unter Dualität von Struktur verstehe ich, daß gesellschaftliche Strukturen sowohl durch das menschliche Handeln konstituiert werden, als auch, zur gleichen Zeit das Medium dieser Konstitution sind” (Giddens 1984b: 148 ).

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  14. Gleiches gilt für Murphys Interpretation des Schließungsansatzes im Kontext der Weberschen Rationalisierungstheorie. “Anyone who participates in a social relationship, forming part of a social system produced and reproduced by its constituent actors over time, necessarily sustains some control over the character of that relationship or system. Power relations in social systems can be regarded as relations of autonomy and dependence; but no matter how imbalanced they may be in terms of power, actors in subordinate positions are never wholly dependent, and are often very adept at converting whatever resources they possess into some degree of control over the conditions of reproduction of the system. In all systems there is a dialectic of control, such that there are normally continually shifting balances of resources altering the overall distribution of power. ( Giddens 1982: 32 )

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  15. Siehe Kap. 6.3.4.

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  16. Siehe Giddens (1985); Müller (1992b).

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  17. Ausführlich hierzu Giddens (1985).

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  18. Vgl. zur USA: Judith Shklar (1991); zu Australien: Castles (1990; 1992; 1994); zu Kanada: Kymlicka (1995); Carens (1994); zu Deutschland: Grawert (1984; 1987); Hailbronner (1989); Rittstieg (1994); zu Frankreich: Wihtol de Wenden (1994b); zu Großbritannien: Dummett (1994).

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  19. Zu unterschiedlichen Traditionen und Politiken siehe die Beiträge in Brubaker (1989).

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  20. Siehe Giesen (1996) für eine Kritik an der gängigen Kontrastierung zwischen Deutschland als Kulturnation und Frankreich als politischer Nation.

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  21. Zur Zuordnung gesellschaftlicher Institutionen zu staatsbürgerlichen Rechten vgl. bereits Marshall (1981a).

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  22. Zur Bedeutung von Zugehörigkeit (’belonging’) siehe Wiener (1996b).

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  23. Vgl. hierzu Honneth (1994); Walzer (1997)

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  24. Vgl. Somers (1996).

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  25. Siehe hierzu ausführlich Kap. 7

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  26. Ein systemtheoretischer Zugang Luhmannscher Prägung könnte aufgrund der angenommenen Eigenlogik funktionaler Subsysteme diesen Schritt nicht mitgehen. Siehe Luhmann (1994); Stichweh (1995); Nassehi (1997). Inwiefern die Annahme der Interpenetration zwischen den einzelnen Subsystemen der Idee der Theorie sozialer Schließung nahe kommt, kann hier nicht geklärt werden. Vgl. aber Brock/Junge (1995); Mönch (1984; 1995; 1996); Schwinn ( 1995; 1996 ).

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  27. Siehe Kapitel 6.3.4.

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  28. Zu berücksichtigen ist im Falle Deutschlands hierbei, daß Kultus-und Bildungsministerien unter Hoheit der Länder stehen.

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  29. Die Vielzahl kollektiver Akteure auf staatlicher Seite macht deutlich, daß man es mit einem Geflecht unterschiedlicher Interessen und Positionen zu tun hat, wie allein schon die verschiedenen Positionen zur Ausländerpolitik innerhalb und zwischen politischen Parteien verdeutlichen. Einfluß erhalten beispielsweise auch die, wenn auch gezwungenermaßen eingesetzten, Ausländerbeauftragten von Bund und Ländern, die zumindest teilweise als Regulativ wirken können. Die Exklusionsstrategien selbst müssen daher als bereits in sozialen Prozessen ausgehandelte und vielfach modifizierte begriffen werden. Daß ferner der Einfluß einer Vielzahl von Interessengruppen auf diese Akteure und die Formulierung ihrer ausländerrechtlichen und - politischen Positionen und den entsprechenden Gesetzen groß ist, kann historisch schon an den Auswirkungen der Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften in Zeiten rasanten ökonomischen Wachstums gezeigt werden. Die genaue Analyse der Einflußnahme von Interessengruppen auf Entscheidungsfindungen bei der Formulierung und Durchsetzung spezifischer Exklusionsstrategien ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden Analyse. Es geht zunächst vielmehr darum, diejenigen Akteure und ihre Strategien zu bestimmen, die in die Auseinandersetzungen um die Zulassung zu staatsbürgerlichen Rechten direkt involviert sind.

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  30. Vgl. dazu Soysal (1994).

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  31. Zu einer ähnlichen Differenzierung siehe Martiniello (1994); vgl. ferner Hammar (1990); Illegale werden als Ergebnis immer restriktiverer Regelungen in Zukunft eine der größten Problemgruppen in Nationalstaaten darstellen. Zu illegaler Einwanderung siehe Miller, M.J. (1995).

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  32. Parteien können entsprechend ihrer Position hinsichtlich interner Schließung auf beiden Seiten der Schließungsgleichung aktiv werden.

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  33. Gewerkschaften können natürlich selbst äußerst exklusiv verfahren.

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  34. Die Auseinandersetzungen um kulturelle Rechte zeigen bereits diese Tendenz. Es steht zu vermuten, daß man sich damit nicht mehr auf der Ebene der Auseinandersetzung um den Zugang zu nationaler Staatsbürgerschaft befindet, sondern innerhalb der Kämpfe um ein neues Modell von Zugehörigkeit.

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  35. Indem sie sich jedoch in dieser Weise auf die institutionelle Ordnung berufen - und es gibt keine andere Weise für die Interaktionsteilnehmer, ein verständliches und kohärentes Handeln auszuführen -, tragen sie dazu bei, sie zu reproduzieren. Zudem gilt es zu beachten, daß sie, indem sie die institutionelle Ordnung reproduzieren, auch ihre ‘Faktizität’ als eine Quelle strukturellen Zwanges (auf sich und andere) reproduzieren. Sie behandeln das Rechtssystem als eine ’reale’ Ordnung von Beziehungen, in der ihre eigene Interaktion situiert ist und durch die sie zum Ausdruck gebracht wird. Sie ist eine ’reale’ (d.h. strukturell stabile) Ordnung von Beziehungen genau deshalb, weil sie, und andere in verwandten und ähnlichen Kontexten ebenso, diese als solche anerkennen - und zwar nicht notwendig in ihrem diskursiven Bewußtsein, sondern vielmehr im praktischen Bewußtsein, das in ihr Handeln eingelassen ist“ (Giddens 1988: 388 ).

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  36. Siehe dazu Bommes/Scherr (1991).

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  37. Die Vernachlässigung des öffentlichen Diskurses im Kontext der strukturellen Regeln der Signifikation ist zweifellos ein Problem der Giddensschen Theorie.

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Mackert, J. (1999). Staatsbürgerschaft als Modus sozialer Schließung. In: Kampf um Zugehörigkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-07982-8_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-07982-8_7

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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