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Die „Natur-da-draußen“ als Gegenstand soziologischer Theorien

  • Chapter
„Natur“

Part of the book series: Reihe „Soziologie und Ökologie“ ((SUÖ,volume 9))

  • 192 Accesses

Zusammenfassung

Wenngleich spät, so hat sich die Soziologie doch — und zwar explizit und originell — mit ‚Natur‘ und der ökologischen Krise beschäftigt. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe soziologischer Auseinandersetzungen, die sich mal programmatisch und mit Blick auf die anstehende Theorieentwicklung, mal thematisch oder fallorientiert diesen schwierigen Gegenstand zur Herausforderung nehmen. Schon ein flüchtiger Überblick vermittelt den Eindruck, dass jede der theoretisch-konzeptuellen Anstrengungen, ‚Natur‘ in die Soziologie zu integrieren, in eine tiefschürfende begriffstheoretische Reflexion mündet und mit sehr grundsätzlichen Fragen zu tun hat. Die bis heute entstandene Vielfalt an erarbeiteten Naturbegriffen und präzisierten Konzeptualisierungen des Natur-Gesellschafts-Verhältnisses kann auch deshalb selbst nach einer ausführlichen Diskussion nicht zugunsten eines theoretischen Entwurfs entschieden werden. Sie spiegelt jedenfalls den Umstand, dass „die Natur“ der Soziologie und der Gesellschaftstheorie problematisch geworden ist, so wie auch gesellschaftliche Naturverhältnisse selbst. Der (gewissermaßen) revolutionäre Gehalt dieser Problematisierung ist zunächst darin zu sehen, dass Naturkonzepte und Naturverhältnisse also nicht länger als „naturbedingt“ betrachtet werden, sondern als Gegenstand heftiger Kontroversen. Als Ursache der Problematisierung kann vor allem die „ökologische Frage“ (vgl. Beck 1991) gelten. Unauflöslich damit verbunden gerät nun jedoch die Konzeption moderner Gesellschaften insgesamt und insbesondere das industriegesellschaftliche Modernisierungsparadigma in Zweifel. Mit dem Naturbegriff steht auch der Gesellschaftsbegriff zur Disposition, der, wie wir sehen werden (vgl. Kap. 2.2 und 4.1), in einem antithetischen Verhältnis zu ersterem gebildet ist.

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Literatur

  • Die Begriffe „naturalistisch“ und „soziozentrisch” sind seit dem Aufsatz von Christoph Görg und Michael Scharping (1994) in der deutschen Debatte fest verankert. Sie bieten sich aufgrund ihrer raschen Verständlichkeit an. Scharping und Görg ist in ihrem außerordentlich klaren Essay ein hervorragender Vergleich der beiden konkurrierenden Theoriestränge und ihrer jeweiligen Fehlschliisse gelungen. Bei ihnen, wie auch an anderen Stellen (etwa Grundmann 1997) zeigt sich allerdings, dass die polarisierenden Etiketten mitunter der Intention der bezeichneten Autoren widersprechen oder die jeweiligen Haltungen stark überzeichnet darstellen. Die Bezeichnung „vermittlungstheoretisch“ bietet sich für Ansätze der „dritten Option” (Grundmann 1997) an. Sie bezeichnet etwas konkreter, was Karl-Werner Brand (1998) noch als „theoretische Suchbewegungen“ fasst.

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  • Dieses doppelte und widersprüchliche Naturverständnis, in dem Natur einerseits als äußervielleicht am deutlichsten in Erich Fromms (1973: 203) Rede vom „Existentiellen Grundwiderspruch“ aus, d.h. der Mensch bleibt Teil der Natur und ist dennoch getrennt von ihr und damit zur Freiheit verurteilt. Ein konsequenter ontologischer Dualismus von Natur und Mensch als grundsätzlich verschiedenem lässt sich in der soziologischen Theoriebildung nicht finden. lich, dem Menschen gegenübergestellt konzeptualisiert wird, und andererseits als universell, d.h. auch den (homogenisierten) Menschen als Teil der Natur inkludierend, kritisiert Smith (1984) als „bürgerliche Ideologie”, die erst die rückhaltlose Ausbeutung ohne Verantwortungsübernahme ermögliche.

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  • Diese Annahme wurde durch die frühe „British School“ der Sozialanthropologie in der Soziologie disziplinprägend niedergelegt. Sie griff damit einerseits auf Durkheim als Vorläufer funktionalistischer Überlegungen zurück, verdichtete dessen Annahmen jedoch andererseits durch ausgiebige Feldforschungen und die Ausarbeitung eines theoretischen Kategoriensystems. Gesellschaften werden als das organisierende Ganze verstanden, die als „social systems” oder prozesshafte Gesamtzusammenhänge zwar die Aufgabe haben, biologische Bedürfnisse zu befriedigen, dieses aber in erster Linie durch kulturelle Leistungen und technische Entwicklung gewährleisten (vgl. Malinowski 1975 und Radcliffe-Brown 1952: 1–14 u.178–187).

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  • Die Kritik an einer objektivistischen Erkenntnistheorie bzw. am Rekurs auf eine „gegebene Natur“ als transzendente Begründung hat in der Philosophie eine lange Geschichte, die spätestens mit Immanuel Kant beginnt und über die wesentlichen Stationenen bei Johann Gottlieb Fichte, Ludwig Wittgenstein und Martin Heidegger in den postmodernen „anti-representationalism” etwa bei Gilles Deleuze oder Richard Rorty mündet. Für Sozialwissenschaftlertnnen verständlich zusammengefaßt, findet sich eine Darstellung dieser wichtigen „Wende in der abendländischen Philosophie“ bei Wolfgang Welsch (1996) und Jürgen Ritsert (1998).

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  • Viele andere tendenziell naturalistische Ansätze wären ebenfalls diskussionswürdig gewesen, fallen hier aber einer Konzentration auf jene Herangehensweisen zum Opfer, die sich für die weitere Diskussion am fruchtbarsten erwiesen: bspw. versucht Bühl (1986) die Ökologie auf grundlagentheoretischer Ebene zu integrieren, in dem er Soziologie in die Nähe einer biologisch fundierten Verhaltenswissenschaft bringt, um dann an die gehirnphysiologischen Modelle der System-Kybernetik anknüpfen zu können. Einen anderen bis heute viel diskutierten Entwurf liefert die Humanökologie (vgl. Glaeser/ Teherani-Krönner 1992), die Umwelt, Bevölkerung, Sozialstruktur und Technik als ökologischen Komplex einer systemtheoretischen Betrachtung unterwerfen. Schlüsselkonzepte sind hier Anpassungs-und Tragfähigkeit sowie Selbstregulation. Dazu sei auf die späteren Ausführungen zu Boydens humanökologischem Konzept im Zusammenhang mit dem Wiener Team für soziale Ökologie (vgl. Kap. 2.1.2) verwiesen.

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  • Häufig wird jedoch in diesen ökozentrischen Ansätzen der menschliche Zweck nolens volens über ästhetische oder phänomenologische Belange wieder eingeführt (vgl. Grundmann 1989: 109ff.).

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  • vgl. die ökologische Programmatik Ernst-Friedrich Schumachers „Small is Beautiful“ (1973), Illich’s Rufe nach Konvivialität (1975) oder Arne Naess’ (1989) Tiefenökologie; vgl. zur Diskussion: Rucht (1996), Saretzki (1989).

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  • Es gibt allerdings auch progressive Bezüge auf Naturrecht, bspw. in der Französischen Revolution (vgl. Dewey 2001: 84).

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  • Es ist erwähnenswert, dass Marina Fischer-Kowalski nicht nur theoretisch an einer Vision zur Konzeptualisierung nachhaltiger und nicht-nachhaltiger Naturverhältnisse arbeitet, sondern als Österreichs Vorsitzende von Greenpeace International auch eine starke Anwendungsorientierung hat. der Humanökologie — Kultur und Gesellschaft vorgängig ist. Kultur ist hier weit mehr und wesentlich variabler als das humanökologische „Anpassungsinstrument“. Zudem werden in marxistischer Tradition die geschichtlich variablen und folgenreichen Rückwirkungen der gesellschaftlichen Naturaneignung sowohl auf die Gesellschaft(sorganisation) als auch auf die Natur mitberücksichtigt, und zwar im Sinne einer „koevolutiven Dynamik gesellschaftlicher und natürlicher Verhältnisse” (Fischer-Kowalski/ Weisz 1998: 150 bzw. 1999:220). Die Entwicklung der NaturGesellschaft-Beziehung sieht Godelier als Motor des sozialen Wandels. Auch in Godeliers prozessualer Perspektive verwischt daher die bereits mehrfach problematisierte Unterscheidung von Gesellschaft und Natur, denn Geschichte schreibt sich hier gleichermaßen in Gesellschaft und Natur ein.

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  • Mit der Integration von Rolf-Peter Sieferle’s systemtheoretischer Sichtweise der kulturellen Evolution bemüht sich das Wiener Team um Geschichtlichkeit und Evolution in der Natur-Gesellschafts-Interaktion. Sieferle interessiert sich insbesondere dafür, wie menschliche Gesellschaften und Kulturen in ihrer Evolution so große funktionale Unabhängigkeit erringen, dass sie möglicherweise ihre eigenen natürlichen Grundlagen zerstören. Zur Untersuchung dieser Frage versucht er die humanökologische und die luhmannianische Systemtheorie miteinander zu verbinden. Boyden’s Modell aufgreifend, ist Natur hier sozusagen die materielle Umwelt der sozialen Systeme. Der Überschneidungsbereich wird nun als jener der menschlichen Population („Amphibien der materiellen und symbolischen Wirklichkeit“) modelliert und Gesellschaft mehr oder weniger als das gewohnte autopoietische Prozessieren von Sinn verstanden, also als Kommunikation bzw. als das „Ensemble derjenigen Informationen, die im menschlichen Nervensystem und anderen Informationsträgern gespeichert sind” (Sieferle zitiert nach Fischer-Kowalski/ Weisz 1998:152). Analytisch unterscheidet Sieferle dann in das „soziale System” (menschliche Populationen und die symbolische Kultur) mit Natur als „Umwelt“ und das „human-ökologische System” (menschliche Populationen und die Elemente der materiellen Wirklichkeit).

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  • Die Bedeutung fossiler Energieträger für die Entwicklung der Industrialisierung und Kapitalisierung westlicher Gesellschaften ist bspw. bei Herbert Spencer, Max Weber und Leslie Whyte ein Thema. t Interessant ist an dieser Stelle ein Vergleich mit den Überlegungen des Teams um Gernot Böhme, das bereits 1985 eine sehr ähnliche Idee formuliert hat: Hier wird kritisiert, dass mit den — hinsichtlich der quantitativen Stoffströme — immer weitreichenderen Eingriffen der Menschen in die Natur der Aufwand für die „Reproduktion der Natur“ ständig steigt und Natur damit an Fragilität gewinnt. Bei Böhme und Mitarbeitern führt diese Einsicht allerdings 1992 in die Aufgabe der apriorischen Natur-Gesellschaft-Unterscheidung, die das Wiener Team weitgehend beibehält. Das „Kolonisierungskonzept” gehorcht der Vorstellung, eine „erste, gesunde, natürliche Natur“ (wie auch immer bestimmt) zum Maßstab aktueller Natur machen zu können. In meinen Interviews mit Akteuren in Naturkonflikten (bspw. um die „Renaturierung” der Isar) zeigt sich, dass ein solcher Maßstab unmöglich gesetzt werden kann. Da auch Natur „historisch“ ist (vgl. Kap. 2.2 und 3.1), unterliegt jeglicher Maßstab der menschlichen, und im Idealfall der politischen Definition: soll bspw. die Isar des Holozän, der ausgehenden Eiszeit, der vorindustriellen Zeit oder des Jahrhundertanfangs als Bezugspunkt der Renaturierung dienen?

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  • Fischer-Kowalski und Weisz erkennen durchaus an, dass bestimmte Zuordnungsregeln zwischen Elementen der materiellen Welt und Elementen des kulturellen Systems kulturell hergestellt werden (vgl. 1998: 171).

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  • Kant hat in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ den erkenntnistheoretischen Dualismus begründet. Er darf letztlich als Vorbote des heutigen Konstruktivismus-Realismus-Problems betrachtet werden. Kant spricht von einer „Natur-für-uns” aus der Welt der Erscheinungen, der wir unsere Gesetzmäßigkeiten bzw. Naturgesetze unterstellen, die somit in der erkennenden Vernunft und nicht in der Natur fußen („Umkehrung der Denkungsart“). Damit ist die erkannte Natur immer schon eine nach subjektiven (d.h. aber nicht individuellen oder situativen) Kategorien zu Objektiven synthetisierte Natur. Von dieser Natur-für-uns (Phainomenon) unterscheidet er eine Natur-an-sich bzw. „Welt der Dinge an sich” (Noumenon), über die wir auch mit den Mitteln des Verstandes nichts sagen können. Durch diesen erkenntnistheoretischen Dualismus von „Ding-an-sich” und „Erscheinung-für-uns“ kann er zwar die Geltung der Naturgesetze als von uns erfolgreich auf die Welt der Erscheinungen projiziert erklären, rückt aber die „Natur da draußen” ganz aus unserem, d.h. allgemein menschlichem, Erkenntnishorizont. Die Frage nun, in welchem Verhältnis Natur-an-sich und Natur-für-uns zueinander stehen, ist eben jene Gretchenfrage, die unter dem Etikett des Realismus-Konstruktivismus-Dilemmas derzeit einen Großteil der Umweltsoziologie lähmt (vgl.a. Kap. 2.2).

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  • Es wird nun höchste Zeit, sich über die theoretischen Konzepte der „Naturkonzeptualisierung“ zu verständigen: Es herrscht hier eine Vielfalt, die nicht ohne weiteres aufgeräumt werden kann. Manche Begriffe gehören zu bestimmten Theorien, wie etwa das Konzept der,Naturmythen’ sofort mit der Cultural Theory in Verbindung gebracht wird. Andere werden nahezu synonym verwendet, wie etwa,’Naturbegriff’,,Naturkonzept’ und,Naturverständnis’ oder,Naturverhältnis’,,Naturbezug’ und,Naturumgang’. Ich möchte folgende Unterscheidung einführen, werde aber in der Darstellung der Ansätze jeweils die dort benutzte Terminologie verwenden. Unter,Naturbegriffe’ bzw.,Naturkonzepte’ verstehe ich die jeweiligen Konzepte, Verständnisse und Vorstellungen „rund um den Phänomenzusammenhang Natur”, also bspw. im Rahmen welcher Entgegensetzungen und mit welchen Konnotationen der Begriff,Natur’ jeweils vorreflexiv belegt ist.,Naturbegriffe’ stehen in einer wechselseitigen Abhängigkeit zu,Naturverhältnissen’ als generellem Naturbezug, etwa anthropozentrische, technizistische Naturverhältnisse usf.. Die Bezeichnung,Naturumgang’ setzt demgegenüber am konkreteren Einzelfall des Naturbezugs an. Im Vergleich zum,Naturbegriff’ verweist der Terminus,Naturverständnis’ bereits auf die Reflexion des,Naturbegriffs’, d.h. hier wurde sich über seine Bedeutung bereits „verständigt“ bzw. es geht um die Naturbegriffe von Experten, die sich auch professionell mit Naturkonzepten befassen.,Naturdiskurse’ werden über ihre jeweiligen Naturbegriffe und die damit verbundenen „storylines” (vgl. Hajer 1995) charakterisiert; sie legen nicht nur fest, was unter,natürlich’ verstanden wird, sondern auch, wie der Umgang mit Natur aussehen sollte oder wie der Zustand der Umwelt einzuschätzen ist (vgl. Kap. 2.23). Die Begriffe,Naturbild’ und,Naturanschauung’ ordne ich stärker phänomenologisch orientierten Zugängen zu, und hier wiederum die Begriffe,Naturerlebnis’ und,Naturerfahrung’ der phänomenologisch-lebensweltlichen Beschreibung von Alltagskonzepten zu Natur.,Naturerkenntnis’ schließlich bezeichnet in meiner Arbeit naturwissenschaftliche Konzeptualisierungen und Beschreibungen von beobachtbaren Zusammenhängen. Zu einer, wenn auch knappen, Diskussion dieser Vielfalt an terminologischen Versuchen, den Phänomenzusammenhang,Natur’ konzeptuell einzufangen, bietet sich in der Literatur m.W. nur die Arbeit von Karen Gloy (1995) an.

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  • Unter „situiert“ verstehe ich hier und im folgenden, dass Interaktionen oder Darstellungenaus einer bestimmten Perspektive erfolgen, die von der historischen, gesellschaftlichen, technischen und jeweiligen individuellen Situation geprägt ist (vgl. tiefergehend dazu Haraway 1996, Harding 1990, Scheich 1996 bzw. Kap. 3.2).

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  • Aus diesem Grund gilt der eher theoretisch ambitionierte Ansatz als „empirisch gesättigt“, obwohl diese Einschätzung nicht zutreffend ist (vgl.a. Keller/ Poferl 1998: 126).

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  • Zuerst gelang es Mary Douglas noch nicht, eine Verbindung zwischen den Tabus der untersuchten Ethnien und bestimmten Abneigungen der westlich-industrialisierten Welt herzustellen, mit der die These einer vergleichbaren Logik untermauert werden könnte. Nur durch einen Zufall (vgl. Douglas 1992: 4) wird ihr Jahre später bewusst, dass diese Verbindung z.B. im engl. Wort „pollution“ angelegt ist, das gleichermaßen im religiös-rituellen und im umweltpolitischen Bereich Verwendung findet (s.a. weiter unten).

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  • Vgl.: „Are dangers really increasing or are we more afraid?“ (Douglas/ Wildaysky: 1982: 1).

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  • Interessanterweise formuliert Mary Douglas diese Idee bereits 1966 in dem frühen Buch „Purity and Danger“: „Whatever objective danger may exist in the world, social organizations will emphasize those that reinforce the moral, political, or religious order that holds the group together” (1966:87).

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  • Die Naturvorstellungen bzw. „Naturmythen“ selbst entnehmen sie den Beschreibungen der beiden Ökologen Crawford S. Rolling und Peter Timmermann (vgl. Schwarz/ Thompson 1990: 4). Diese hatten unterschiedliche Steuerungsstrategien im Management von Ökosystemen beobachtet und auf die vier verschiedenen Stabilitätsannahmen zurückgeführt.

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  • Vgl. „Die Differenz Gesellschaft/ Natur wird in Richtung Gesellschaft aufgelöst, bei der die Natur als gesellschaftlich erzeugt verstanden wird“ (Bechmann/ Japp 1997: 553).

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  • Diesen Dualismus der Erkenntnistheorie hat Barbara Adam (1998) anhand zentraler Begriffe der qualitativen Umweltlehre Jakob von Uexkülls (vgl. dazu Sehrer 1998) in die wahrnehmungs-und folgenkonzentrierten Dimensionen einer „Merkwelt“ und einer „Wirkwelt” unterschieden: Die kulturelle Merkwelt ist immer lokal und kontextuell konstituiert, die meist unsichtbare Wirkwelt hingegen räumlich und zeitlich offen. Sie gelangt erst nach (naturwissenschaftlichen) Problembeschreibungen in den Horizont der Merkwelt. Das Verhältnis von Merk-und Wirkwelt hat großen Einfluss auf die grundsätzlichen Befindlichkeiten der Individuen und ihre subjektiven Sinnrelevanzen (Adam 1998: 34f.).

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  • Auf den folgenden Abschnitt vorgreifend möchte ich anmerken, dass auch für Niklas Luhmann das Wissenschaftssystem keinen privilegierten Durchgriff in die natürliche Umwelt hat, sondern ebenfalls nur „Abtastinstrumente für etwas, was unbekannt bleibt“ (Luhmann 1992: 261), entwickeln kann.

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  • Den blinden Fleck der systeminternen Beobachtung könnte allerdings ein beobachtendes System auf der nächst höheren Ebene im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung „sehen“, das selbst jedoch wiederum nicht sieht, was es nicht sieht.

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  • Wobei es doch interessant wäre, mehr über diese Ausnahmefälle zu erfahren! Aber hierüber schweigt der Autor.

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  • Das politische System und seine Reaktionsmodi sieht Luhmann besonders problematisch, denn als prädestinierte Anlaufstelle kann es leicht als „Durchlauferhitzer fungieren“ (Luhmann 1986: 226) und so erhöht sich die „Wahrscheinlichkeit, daß es aus Anlaß ökologischer Gefährdungen zu einer gesellschaftsinternen Resonanzverstärkung kommt, die politisch leichte und willkommene Lösungen mit Funktionsstörungen in anderen Systemen verbindet” (ebd.). Und so mahnt Luhmann, die Probleme im politischen System klein zu kochen („loose talk” (ebd. 225)), um so andere Systeme vor „den Rückwirkungen der Auswirkungen von Politik“ — und besonders symbolischer Politik — zu bewahren.

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  • Damit beansprucht die Selbstbeobachtung moderner Gesellschaften durch die Neuen sozialen Bewegungen als Teil der Gesellschaft die Repräsentation des Ganzen zu leisten, eine Operation, die Luhmann für funktional differenzierte Gesellschaften als anmaßend und ideologisch heißt.

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  • „Über strukturelle Koppelungen kann ein System an hochkomplexe Umweltbedingungen angeschlossen werden, ohne deren Komplexität erarbeiten oder rekonstruieren zu müssen. Wie man an der physikalischen Schmalspurigkeit von Augen und Ohren erkennen kann, erfassen strukturelle Koppelungen immer nur einen extrem beschränkten Ausschnitt der Umwelt. (…) Die Komplexität der gekoppelten Umweltsysteme bleibt für das System intransparent,….“ (1997: 107)

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  • Zur Erinnerung: Die Geschlossenheit autopoietischer Gesellschaftssysteme garantiert nach Luhmann ihre Umweltoffenheit, indem das Umweltverhältnis nicht von der Umwelt, sondern von der geschlossenen Organisationsweise des Systems bestimmt wird.

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  • Interessanterweise kommt auch Georg Lohmann in seiner Untersuchung von Luhmanns erkenntnistheoretischer Basis zu der Einschätzung, dass dieser seinen Konstruktivismus nicht konsistent durchhalten kann, sondern eine Wirklichkeit als externe Wirklichkeit in der Form eines Postulats seiner Theorie voraussetzen muss (Lohmann 1994: insbes. 206f.).

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  • Es ist der Begriff der „strukturellen Koppelung“, mittels dessen der Soziozentrismus in Luhmanns Theorie überwunden werden könnte, indem hierin (angelegt ebenfalls bei Maturana und Varela) auf die Kovariation von System und Umwelt verwiesen wird bzw. die strukturelle Plastizität der internen Operationen eines Systems in wenn auch diffuser bzw. „pertubierter” Reaktion auf äußere Zustandsveränderungen in den Blick gerät (vgl.a. Luhmann 1997: 92ff., insbes. S.I00).

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  • So geht Peter Weingart — trotz wechselseitiger Verwissenschaftlichung der Politik und Politisierung der Wissenschaft („Verlust der sozialen Distanz“) und damit „enger werdender Koppelung” von Wissenschaft und Politik — heute nach wie vor von fortgesetzter funktionaler Differenzierung der beiden Bereiche aus (Weingart 2001: 30, 127ff.).

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  • Selbst, wenn,Natur’ als Vorlage und Normierungsgrundlage herangezogen wird, wie dies nach Bernhard Gill (2001) im „identitätstheoretischen Diskurs“ der Fall ist (siehe weiter unten), lebt diese Vorstellung von einer antithetischen Architektur, in der das natürlichen Sein dem menschlichen Sollen entgegengesetzt wird.

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  • Christoph Görg spricht von einer „konstitutionellen Verwiesenheit“ (Görg 1999: 9f.)

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  • In gewisser Weise ist die Dekonstruktion das Nachvollziehen der Konstruktion einer Konstruktion, ihrer inneren Logik und sich selbst generierenden Differenz.

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  • Genau besehen haben diesen Zusammenhang ja auch die beiden vorhergehenden Abschnitte deutlich gemacht, bspw. die Behauptung einer enge Abhängigkeit von Naturbegriffen und gesellschaftlichen Vorstellungen in der Cultural Theory.

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  • Philip Descola (1996) kann demgegenüber zeigen, dass die dualistische Gegenüberstellung von Natur und Kultur keine anthropologische Universalie ist. Vielmehr kennen einige Völker diese Unterscheidung überhaupt nicht und verwenden ganz andere Taxinomien.

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  • Soper insistiert über das ganze Buch hinweg auf der Notwendigkeit eines auch realistischen Naturbegriffs, in dem Natur als Materie, Energie und Grundstoff betrachtet werde. „Such a concept of nature as the permanent ground of environmental action is clearly indispensable to the coherence of ecological discourses about the,changing face of nature’ and the need to revise the forms of its exploitation.“ (Soper 1995:133).

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  • Die jüngeren Bemühungen der Stadtökologie, die genau diese Kontrastierung auflösen und auf Natur in den Städten verweisen wollen, muten wohl deshalb so paradox an. Zur bürgerlichen Gegenüberstellung von industriegesellschaftlicher Stadt und „natürlicher Natur“ vgl.a. Böhme (1989).

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  • Sowie Naturbegriffe von Praktiken strukturiert sind, sind demgemäss selbstverständlich auch die Vorstellungen, was „zerstörte Natur“ und „Umweltschäden” sind, von den jeweiligen sozialen Praktiken abhängig.

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  • Die gesellschaftlich immer bedeutsamer werdende Alltagspraxis des (auch globalen) Reisens hat auf die Naturbegriffe und -vorstellungen einen m.E. bislang unterschätzten Einfluss. Reisen in weniger industrialisierte Gebiete schärft das Naturempfinden, befördert den Vergleich und wertet das industriell marginalisierte Naturerlebnis auf (vgl.a. Macnaghten/ Urry 1998: 104ff.).

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  • Vgl. Phil Macnaghten and John Urry selbst: „We also have shown that how people value nature is often highly ambiguous and contradictory; that values only appear to inhere in nature in particular and context-specific ways. In many contexts people’s attitudes to nature, science, the countryside and various spatial practices are ambivalent and there is no clear and unambiguous sense of what values can be said to inhere within nature. By contrast, we have shown how values, attitudes and concerns about nature are dissoluble bound up with wider dimensions of living in late modernity. Values are thus not free-floating but intertwined with senses of insecurity, globalisation, anxiety, individualisation, mounting mistrust with politics and scientific expertise, the enhanced role of the media, and so on.“ (1998: 250f.).

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  • Die Befund von Dieter Rink und Georg Kneer (Kneer/ Rink 1999), dass Naturbegriffe innerhalb eines Milieus wenig homogen sind und allenfalls fur das hedonistisch-jugendlichsubkulturelle Milieu ein eigenständiger Typ herausgearbeitet werden kann — und zwar auf der Basis des jeweiligen praktischen Naturbezugs — ist aus dieser Perspektive leicht zu erklären.

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  • Nash (1983) stellt diesbezüglich die allgemeine These auf, dass sich ab einem bestimmten Industrialisierungsgrad die Wertschätzung von Natur und Zivilisation umdrehe. War Wildnis zuerst bedrohlich und musste bekämpft werden, so gilt sie dann, post mortem, als erhaltenswürdig und „sublime“.

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  • Vgl. die großen Brände in Yellowstone, aber auch die Konflikte um den Borkenkäfer im Bayerischen Wald.

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  • Das deutsche Wort „Umweltschutz“ wurde 1969 im Bundesinnenministerium erfunden, als man nach einem Wortäquivalent für das amerikanische „environment protection” suchte, um auch national eine entsprechende politische Handlungsebene zu gründen (Kösters 1997: 11).

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  • Landschaftsplaner sprechen in diesem Zusammenhang von „Besucherlenkung“ und meinen damit, dass durch das Parkplatzangebot und das Aufstellen von Toilettenhäuschen der individuelle Wanderer auf der Suche nach dem besonderen Naturerlebnis „wie von unsichtbarer Hand” auf die vorgesehenen Pfade und Spuren geleitet werde.

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  • Auch Hannigan kann als „wirkweltbewusster Gefahrenrealist“ mit konstruktivistischer Überzeugung bezeichnet werden: „I am not by any means attracted to an extreme constructionist position which insists that the global ensemble of problems is purely a creation of the media (or science or ecological activists) with little basis in objective conditions. On contrary, perhaps as a result of having witnessed hardcore urban pollution early in life, I fully recognise the mess which we have created in the atmosphere, the soil and the waterways.” (Hannigan 1995: 3).

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  • Foucault hat uns gelehrt, dass die Postulierung eines objektivierbaren „Anderen“ ein inhärentes Moment der Konsolidierung und Bildung kultureller Systeme ist. So kann man annehmen, dass gesellschaftliche wie individuelle Souveränitätsansprüche durch die beschriebene Vielfalt konkurrierender Naturbegriffe ins Wanken gebracht werden. Die ungewiss und plural werdenden Naturbegriffe, in denen sozial umkämpft jeweils ein anderes Anderes als projektive Grundlage der Selbst-und Gesellschaftsidentifikation gebildet wird, verdeutlichen allemal, dass die Kultur weder so homogen noch so monolithisch ist, wie Soziologen einst dachten und wie der industriemoderne Anspruch eines stiftenden Herrschersubjekts voraussetzen würde. Darüber hinaus steht zu befürchten, dass mit dem Auflösen eines klaren Gegenüber durch die Erosion und Splitterung des gesellschaftlichen Naturbegriffs einige Institutionen vor erhebliche Probleme bezüglich der Schuldzuweisung und Verantwortungszurechnung gestellt werden (vgl. a. Keller/ Lau 2001).

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  • Zur doppelseitigen Konstruktion der gleichzeitigen Strukturierung und Strukturiertheit vgl. die theoretische Formulierung des Habituskonzepts bei Bourdieu (Bourdieu 1992, 1994) und Giddens Strukurationstheorie (Giddens 1988). In diesem Sinne können auch Diskurse sowohl als Objekt bestehender Definitionsverhältnisse als auch als begrenzende und zugleich ermöglichende aktive Strukturierungen verstanden werden, die Handlungssinn im Rahmen gewisser Selektivitäten generieren.

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  • Diese Problematik gilt für alle soziozentrischen Herangehensweisen. Bspw. konnte eine norwegische Studie auch für die in Großgruppen denkende Cultural Theory zeigen, dass ein und dasselbe Individuum, u.U. je nach sozialem Kontext, flexibel unterschiedliche Naturmythen mit den jeweils zugehörigen Rationalitäten aktualisieren kann (vgl. 011i 1999: 59).

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  • Vgl. die Diskussionen zur „Erlebnisgesellschaft“ und zur „postmaterialistischen Gesell- schaft” (Schulze 1993, Inglehart 1979).

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  • Zur allgemeinen Konzeptualisierung eines solchen Zusammenhangs vgl. Berger/ Berger/ Kellner 1957.

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  • Ich verlasse im folgenden den Duktus der strengen Abhandlung und wage mich mit noch weitgehend vorläufigen Gedanken in eher essayistischeres Gewässer, um eine Entwicklung aufzuspüren, die vermutlich erst in den kommenden Jahren schärfere Konturen annimmt.

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  • Hier muss wahrscheinlich differenziert werden: in der modernen Gesellschaft existieren, wie Kapitel 2.2. ausführt, verschiedene Naturbegriffe und -diskurse nebeneinander. Einige davon werden mit der Bildung kollektiver Identitäten (bspw. der Neuen sozialen Bewegungen, vgl. Douglas/ Wildavsky 1982) oder der Stilisierung eines gegenkulturellen Projekts (vgl. bspw. van den Daele 1992, Schama 1996) verbunden. Während diese durchaus als kulturelle Konstruktionen diskutiert werden, behandelt das gesellschaftliche Selbstverständnis den institutionalisierten, wissenschaftlich-technisch fundierten Naturbegriff als „objektives Naturverständnis“ jenseits kultureller Prägungen.

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  • Vgl. Sennett (1998) für die Aktualität dieser These.

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  • Immerhin erhielten Legehennen zuerst einen rechtlich garantierten Anspruch auf eine bestimmte Mindestquadratzentimeterzahl Platz, die notfalls nicht sie selbst, aber Tierschützer an ihrer Stelle einfordern konnten. Legehennen wurden somit gewissermaßen Rechtsträger, dürfen heute gar auf ein Stück garantierte Freiheit hoffen. Gefordert werden aber auch andere Eigenrechte für Natur (vgl. Bosselmann 1995). So wird bspw. diskutiert, Eigenrechte der Natur ins Rechtssystem einzubauen, die Landschaften mit Rechtspersönlichkeit und treuhänderischen Naturanwaltschaften ausstatten (vgl. ebd. 203), um so den Schutz tierischer und pflanzlicher Bewohner sicherzustellen.

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  • Dabei sind dramatische Thematisierungen dieses Problems keineswegs neu, vgl. bspw. Cockbum (1996).

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  • o Vgl. hierzu bspw. die von Bundesland zu Bundesland variierenden Höchstwerte für die Ozonbelastung.

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  • Dieses Problem greifen Fischer und Hajer (1999) auf (vgl.a. Kap. 4.2).

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  • Bemerke, es geht hier nicht um eine Re-Etablierung von,Natur’ als essentiell anderes Gegenüber, sondern um die prinzipielle Möglichkeit projektiver und operativer Unterscheidungen.

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  • Allenfalls der Sammelband von Adam/ Beck/ van Loon (1999) eröffnet hier neue Wege.

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  • Haraway’s ursprünglich englische Aussage ist semiotisch m.E. noch sauberer: „Nature cannot pre-exist its construction“ (Haraway 1992: 296).

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  • Vgl. Balzer/ Wächter (2002) für eine erste Sondierung einer solchermaßen programmierten „sozial-ökologischen Forschung“.

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Kropp, C. (2002). Die „Natur-da-draußen“ als Gegenstand soziologischer Theorien. In: „Natur“. Reihe „Soziologie und Ökologie“, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09181-3_3

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