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Die Abduktion in der Forschung — Ansprüche und Hoffnungen

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Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung

Part of the book series: Qualitative Sozialforschung ((QUALSOZFO,volume 13))

  • 214 Accesses

Zusammenfassung

In einer Besprechung der ersten sieben Bände der Buchreihe ‚Qualitative Sozialforschung ‘, in der auch dieser Band erscheint, kommt die durchaus wohlwollende Kritikerin Regina Gildemeister zu dem Befund, dass innerhalb der qualitativen Sozialforschung offensichtlich vieles durcheinander geht. Methoden und Methodologien würden je nach Bedarf für sich reklamiert ebenso Konzepte und Begrifflichkeiten. „Generell ist der unterschiedliche Gebrauch von Konzepten in den Büchern beachtlich — was jeweils mit ‚Grounded Theory’ gemeint ist und welche Auslegung die methodologischen Grundbegriffe der Induktion, Deduktion und Abduktion erhalten, ist erstaunlich vielfältig. Ob daran freilich ein explizit diesen Grundbegriffe gewidmeter Band etwas ändern könnte, darf bezweifelt werden” (Gildemeister 2001: 219). Gewiss kann man für diese Zweifel manch guten Grund anführen, doch nichts spricht gegen den Versuch, es trotz des geäußerten Zweifels erneut zu versuchen.

Können wir mit Hilfe irgendeines Schlußverfahrens2 aus dem, was wir wissen, auf etwas Neues schließen, das in dem Gewußten nicht schon enthalten ist? Ein solches Schlußverfahren wäre offenbar Zauberei. Mir scheint, das müssen wir ablehnen. Rudolf Carnap

Wenn wir etwas Neues denken oder sagen wollen, dann müssen wir all unsere fertigen Vorstellungen aufbrechen und die Teile mischen. Gregory Bateson

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Literatur

  1. Ich danke Robert Zvošec für seine Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts. Mit großer Sorgfalt hat er nach Fehlern, Unklarheiten und Schwächen gesucht. Vieles konnte so verbessert werden. Dafür noch einmal mein Dank.

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  2. Diese Arbeit richtet sich nach der neuen Rechtschreibung. Zitate aus Texten, die vor 1998 veröffentlicht wurden, sind in der alten Rechtschreibung übernommen worden.

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  3. Bei dem Versuch der Bestimmung des Abduktionsbegriffs werde ich auf Überlegungen zurückgreifen, die bereits in Reichertz 1991a, 1993 und 1999 publiziert wurden.

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  4. Allerdings wurde für diesen Band der neueste Forschungsstand aufgearbeitet und berücksichtigt, was zu teils erheblichen Veränderungen, Ergänzungen und Neubewertungen führte.

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  5. Einen guten Einblick in die Vielfältigkeit der Rezeption des Abduktionsbegriffes erhält man bei der Lektüre der Sammelbände von Pape 1994a und Wirth 2000a.

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  6. ‚Analytische Induktion ’ ist nicht (wie man vermuten könnte) ein syllogistischer Schluss, sondern eher eine Forschungsstrategie, eine Technik vieler Vertreter der Chicago School, die darauf abzielt, aus unerwarteter Erfahrung mit Hilfe der Verschränkung von Induktion und Deduktion neue Theorien zu gewinnen (vgl. auch Kelle 1994).

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  7. Innerhalb der qualitativen Sozialforschung wird jedoch nicht ohne Polemik diskutiert, ob jeweilige Konkurrenzverfahren zu Recht die Abduktion als grundlegende Operation ihres Ansatzes reklamieren können. Insbesondere die objektive Hermeneutik ist ins Feuer der Kritik geraten: ihr wird von mehreren Seiten vorgehalten, dass mit der Behauptung, die objektivhermeneutischen Interpreten würden über die Regeln der Bedeutungskonstitution sicher verfügen, wesentliche Bestimmungen abduktiven Vorgehens verletzt werden (Bohnsack 1999, Flick 2000, Kelle 1994 und ausdrücklich in 2002 und Reichertz 1986 und 1993). Dazu weiter unten mehr.

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  8. Auf eine solche unklare Verwendung einer seiner Ausdrücke hätte Peirce wahrscheinlich nicht nur mit Verärgerung reagiert, sondern er hätte zudem einen neuen, sprachlich noch unhandlicheren Begriff geschaffen, um sich von den anderen Gebrauchsweisen abzugrenzen. So hat er sich z. B., als der Begriff ‚Pragmatismus’ in aller Munde war und aus seiner Sicht Vieles zu Unrecht damit bezeichnet wurde, den neuen Begriff ‚Pragmatizismus ’ geprägt, in der Hoffnung, dass an einem solch hässlichen Entlein niemand Gefallen fände, und der Begriff somit vom Missbrauch geschützt sei. Wie die Geschichte zeigt, war Peirce erfolglos und erfolgreich zugleich: erfolgreich war sein Versuch, mit der Verwendung des Begriffes ‚Pragmatizismus’ alleine zu bleiben, erfolglos war jedoch sein Versuch, die Konsequenzen dieses Begriffes genau und eindeutig zu bestimmen.

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  9. Auf einen weiteren Grund für die rasante Karriere der Peirceschen Abduktion, nämlich der Neuformulierung logischer Begriffe in sozialwissenschaftlich verwertbare Termini, macht Schulz aufmerksam: „Von Abduktion zu sprechen ist nicht nur verführerisch, weil lat. abductio eben auch Verführung bedeutet. Es ist, gerade in Hinblick auf die Vermittlung von Regel und Fall, in der Sache suggestiv, weil Peirce es war, der die Terminologie für den Syllogismus — Obersatz, Untersatz, Folgerung änderte in ‚Regel’ ‚Fall ’ und ‚Ergebnis ’. Der Schluss auf den Fall ist dann eben abduktiv” (Schulz 2002: 5).

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  10. Die Frage nach der logischen Form der Abduktion kann auch reformuliert werden in die Frage, ob Emergenz mittels logischer, insbesondere deduktiver Operationen herbeigeführt werden kann. Emergent ist ein Ereignis jedoch nur dann, wenn es aus den Systemeigenschaften, denen es entstammt, nicht abgeleitet und nicht vorhergesagt werden kann. Legt man die Bestimmung zugrunde, schließen sich Logik und Emergenz aus.

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  11. Kelle unterscheidet in ähnlicher Weise, wenn er formuliert: „Bezogen auf den Forschungsprozess muss nun eine wichtige Fallunterscheidung getroffen werden: es kann sich bei der allgemeinen Regel, auf die der Forscher zu Erklärung des Phänomens zurückgreift, um eine bereits bekannte Regel handeln, oder um eine Regel, die der Forscher erst durch den oder während des Vorgangs der Schlussfolgerung entdeckt bzw. entwickelt: im letzteren Fall wird der Forscher durch das unvermittelte Auftauchen eines unerwarteten Phänomens dazu angeregt, eine neue Regel zu konstruieren, die ihm hilft, das Phänomen zu erklären“ (Kelle 2002: 3).

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© 2003 Springer Fachmedien Wiesbaden

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Reichertz, J. (2003). Die Abduktion in der Forschung — Ansprüche und Hoffnungen. In: Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Qualitative Sozialforschung, vol 13. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09669-6_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09669-6_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-3595-0

  • Online ISBN: 978-3-663-09669-6

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