Exkurs: Die Logik des Mißlingens — eine ‚andere‘ sexuelle Karriere

Zusammenfassung

Die bisherige Darstellung der empirischen Befunde könnte zu der Annahme verleiten, daß die befragten Frauen, welchem Sexualmuster auch immer sie folgen, über sexuelle Karrieren berichten könnten, die — bei allen Detailproblemen — als mehr oder weniger gelungen angesehen werden müßten. Dies ist subjektiv richtig. Es ist offensichtlich nicht vom jeweiligen Sexualmuster abhängig, ob die eigene Sexualität und die bisherigen Beziehungserfahrungen als passabel oder gar als erfüllend empfunden werden. Individuelles sexuelles Glück kann in jedem der fünf vorgestellten Sexualmuster erfahren werden — muß es aber nicht. Der Eindruck der ‚Stimmigkeit‘, den die Darstellung der Sexualkarrieren in den fünf Kapiteln vielleicht erzeugt hat, repräsentiert nur partiell die subjektive Zufriedenheit der interviewten Frauen. Er ist zum anderen Teil auf den gewählten Darstellungsmodus zurückzuführen, der entsprechend der Typisierung die sexuellen Karrieren (mit den dazugehörigen Handlungs- und Einstellungsmustern) in eine gewisse Eigenlogik zwingt, die stäker wisstÿnsçhaftlich rekonstruiert als authentisch ist. Es scheint mir deshalb unverzichtbar, wenigstens an einem Beispiel systematisch nachzuzeichnen, wie brüchig, problematisch und letztlich auch im Selbstverständnis ‚mißlungen‘ sexuelle Karrieren von Frauen ebenfalls sein können. Zur deutlichen Kontrastierung habe ich dafür mit Bedacht einen,Extremfall‘ ausgewählt — die eine oder andere traumatisierende Erfahrung, der eine oder andere ‚Mechanismus des Mißlingens‘ findet sich aber auch in vielen anderen Sexualbiographien. Dort sind sie allerdings nicht zum Leitthema des sexuellen Leben geworden.