Zusammenfassung
Die ruhige Phase der Krise hielt in den ersten Monaten des Jahres 1961 an. Wenig deutete darauf hin, daß sich die Sowjets bereits zu einer größeren Kraftprobe entschlossen hätten. Sie schienen vielmehr die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit der neuen amerikanischen Regierung zu testen, und eine Reihe von Gesten guten Willens wurden auf beiden Seiten gemacht. Es ergab sich jedoch kein Fortschritt von der Stufe der atmosphärischen Gesten zur Stufe ernsthafter Verhandlungen. Die Sowjets reagierten nicht zustimmend auf die amerikanischen Versuche, die Schwierigkeiten beim Teststop zu überbrücken, sondern warfen die Frage eines »Troika«-Prinzips beim Kontrollsystem auf. Die amerikanische Regierung mußte einen gewissen Verlust an Prestige in Laos und eine ernsthafte Schlappe bei der Invasion in der Schweinebucht hinnehmen. Letztere muß die Hoffnung der Sowjets bestärkt haben, durch Druck auf Berlin Erfolge erzielen zu können.
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Referenzen
Windsor City on Leave S. 221–223.
Christian am Ende »Von Mai zu Mai« in FAZ 3. 6. 1961.
Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland von 1961 S. 27 (Zahlen für 1956 bis 1960).
s. Seite 106 f.
Documents on Germany S. 645.
Documents on Germany S. 672. Ein auszugsweiser Text der Chruschtschow-Reden findet sich auf S. 660–666. Den vollen Text enthält N. S. Khrushchev The Soviet Stand on Germany: Nine Key Documents (New York: Cross Currents Press, 1961).
Dies war die Rede, in der er versicherte, daß die USA notfalls kämpfen werden: »Man sagt, West-Berlin sei militärisch unhaltbar. Bastogne war es auch — und ebenso Stalingrad. Jeder gefährdete Platz ist aber haltbar, wenn tapfere Männer ihn halten wollen«. Den Text der Note und der Kennedy-Rede enthält Documents on Germany S. 681–687, 694–701).
Documents on Germany S. 782–784.
s. oben S. 117 f.
New York Times 3. 8. 1961. In einer wenig bemerkten späteren Zusatzerklärung sagte Senator Fulbright, er habe Berlin nicht einschließen wollen: Die »DDR« habe ein Recht, den Reiseverkehr außerhalb Berlins zu beschränken, aber nicht die freie Bewegung innerhalb Berlins zu stören. Congressional Record 1. Sess. Vol. CV II Nr. 133, 4. 8. 1961 S. 13 659.
Die Mauer als solche war wahrscheinlich nicht vorher geplant; daher bestand wahrscheinlich keine Notstandsplanung für speziell diesen Fall (Hugh Sidey John F. Kennedy: Portrait of a President, London: Deutsch, 1964 S. 234, erklärt, es habe keine gegeben). Man hatte erwartet, daß die Sowjets irgendeinen Weg finden müßten, den Flüchtlingsstrom zu stoppen; die Zonenregierung versuchte es durch eine Behinderung des Zugangs nach Berlin, und der Westen hatte beschlossen, diese Maßnahmen nicht zu stören. Man weiß noch nicht, ob es einen ausdrücklichen Beschluß gab, für die Bewegungsfreiheit in Berlin nicht zu kämpfen; aber dies ließ sich aus vielen Äußerungen westlicher Führer herauslesen.
Wäre die Mauer in erster Linie ein offensiver Test gewesen, dann wären ihr sicher noch aggressivere sowjetische Schritte gefolgt, da die westliche Reaktion vom sowjetischen Standpunkt aus kaum günstiger hätte sein können.
Windsor City on Leave S. 239 ff. Der Gedanke der Mauer scheint bei Ulbricht im Juni aufgetaucht zu sein. Als er auf einer Pressekonferenz am 15. Juni von einem westdeutschen Journalisten gefragt wurde, ob der Vorschlag einer Freien Stadt bedeute, daß die Staatsgrenze am Brandenburger Tor verlaufe, antwortet er: »Die Bedeutung Ihrer Frage, wie ich sie sehe, ist, daß es in Westdeutschland Leute gibt, die gerne sehen würden, wenn wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR zur Errichtung einer Mauer mobilisieren. Mir ist aber keine solche Absicht bekannt... Niemand beabsichtigt eine Mauer aufzurichten.« (Documents on Germany) S. 652.
Wenige Berliner zogen aus der Stadt nach Westdeutschland um, bis Ende des Jahres gab es keinen Netto-Wanderungsverlust. In Westdeutschland selbst zeigten die Meinungsumfragen, daß das Vertrauen in die NATO im November 1961 größer war als im Sommer 1960 (73% gegenüber 67%), im Dezember 1958 war die Zahl noch 52°/o gewesen (Divo Pressedienst, 1. 4. 1962). Vergleichszahlen für die Zeit unmittelbar vor dem August 1961 sind nicht verfügbar.
FAZ, 24. 8. 1961. Smith Defense of Berlin S. 267–304 gibt eine detaillierte Schilderung dieses Vorganges.
New York Times, 18. 10. 1961.
Zu diesem Zeitpunkt fanden beispielsweise Störungen der Eisenbahnverbindungen zwischen Berlin und Westdeutschland durch die Zonenregierung statt. S. Windsor City on Leave S. 250.
Windsor deutet die lokalen Maßnahmen gegen Berlin in den Jahren 1960 und 1961 als Initiativen der Zonenregierung, die mit der sowjetischen Politik kollidierten. Es scheint aber ebenso möglich, daß die »Daumenschrauben« für Berlin eine von den Sowjets gewählte Taktik darstellten, mit dem Ziel, die Westmächte zu überzeugen, daß ihre Position in Berlin unhaltbar sei.
Smith Defense of Berlin enthält eine Fülle von Material, das die Art illustriert, wie General Clay und die früheren amerikanischen Kommandanten in den Jahren 1958–1961 auf die jeweilige lokale Situation zu reagieren verstanden, während Washington dazu nicht imstande war. Smith ist oft bei seiner Schilderung der politischen Strategie Washingtons sehr unvollständig, aber seine Kritik an den Mängeln einer zu weit entfernten Kontrolle über taktische Schritte erscheint durchaus gerechtfertigt. Natürlich kann Washington für sich in Anspruch nehmen, daß eine lokale Initiative zu einem Zwischenfall führen könnte: man glaubte daher, es sei unverantwortlich, so wichtige Entscheidungen untergeordneten Instanzen zu überlassen. Dies übertrieb wahrscheinlich die Gefahren eines »Zwischenfalles«, und die Vorstellung, im Ernstfall müsse die Verantwortung bei einem möglichst hochgestellten Beamten liegen, würde bedeuten, daß alle Initiativen an Ort und Stelle von oben gelenkt und letztlich unter der unmittelbaren Kontrolle des Präsidenten stehen müßten.
Wolfgang Wagner »Die sowjetische Drohung mit dem Separat vertrag« (Europa-Archiv, 25. 10. 1962, S. 696–702) vergleicht den Separatvertrag mit einem Speer: eine wertvolle Waffe in der Hand, wird er wertlos, sobald er abgeworfen wird und sein Ziel verfehlt. Die Drohung mit einem Vertrag könnte den Westen zu Zugeständnissen veranlassen; der Vertrag selbst aber würde den Westen kaum zwingen, in neue Beziehungen zur Zonenregierung einzutreten. Wagner argumentiert überzeugend, daß die Sowjets von der tatsächlichen Unterzeichnung des Vertrages wenig zu gewinnen hatten.
New York Times, 23. und 24. 9. 1961.
Smith Defense of Berlin S. 305–341, stellt die Ansichten eines Flügels innerhalb der amerikanischen Regierung — die der Befürworter von Zugeständnissen — als die erklärte Politik der gesamten Regierung dar.
New York Times, 24. 9., 29. 9., 5. 10. 1961.
New York Times, 3. 10. 1961 (James Reston) und 12. 10. 1961; FAZ, 16.10. 1961.
Die gemeinsame Erklärung Adenauers und Kennedys s. New York Times, 23. 11. 1961, Berichte und Kommentare s. New York Times, 23. und 24. 11. 1961.
Es war nicht klar, ob ein sowjetisches Angebot vorlag oder ob die Berichte nur das Produkt der Initiative des deutschen Botschafters in Moskau, Hans Kroll, waren. Dieser hatte bei den Sowjets wegen eines Drei-Punkte-Plans vorgefühlt: Einigung der vier Mächte auf ein neues Berlin-Statut, ein sowjetisches Abkommen mit der »DDR« im Rahmen dieses Statuts, das bestimmte Funktionen dieser übertrug, aber direkte westliche Verhandlungen mit Ost-Berlin umging, schließlich eine westliche Verpflichtung, in irgendeiner Form die Souveränität des Zonenstaates zu respektieren (s. New York Times, 9. 11. und 14. 11. 1961).
Iswestija, 2. 12., Rede Menschikows vom 11. 12. 1961, s. auch New York Times, 3. 12. und 12. 12. 1961.
FAZ, 24. 3. 1962.
Der Vorschlag wurde nicht veröffentlicht, aber es gab kein amtliches Dementi der grundsätzlichen Richtigkeit der Zeitungsmeldungen (s. New York Times, 15. und 21. 4. 1962). Es erfolgte aber ein klares Dementi von Meldungen, daß die USA eine Verringerung ihrer Berliner Garnison vorschlagen würden, (s. Washington Post, 17. 4. 1962).
New York Herald Tribune, 8. 5. 1962.
New York Times, 10. 5. 1962.
Grewe war ein hochgestellter Diplomat, der nacheinander die Rechtsabteilung und die Politische Abteilung des Bonner Auswärtigen Amtes geleitet und in führender Stellung an den Verhandlungen von 1952 und 1954 über die Beendigung des Besatzungsstatuts und die Regelung von Deutschlands Beziehungen zu seinen Alliierten teilgenommen hatte. Seine juristische Denkweise kontrastierte scharf zu dem »pragmatischen« Stil der Kennedy-Regierung. Es hieß, Clay habe Adenauer über Grewes Schwierigkeiten beim Umgang mit der neuen Regierung ins Bild gesetzt (s. J. Alsop in Washington Post, 11. 5. 1962).
s. Jürgen Tern »Zum Kanzler nach Cadenabbia« in FAZ, 27. 4. 1962.
New York Times, 23. 5. 1962; FAZ, 25. 5.1962.
Dies war die Ansicht einiger europäischer Beamter, die aber zu dem Zeitpunkt nicht von den Amerikanern geteilt wurde (New York Times, 14. und 23. 7. 1962).
New York Times, 11. und 23. 10. 1962.
In Deutschland z. B. wurde festgestellt, daß der Friedensvertrag in der Liste der außenpolitischen Ziele Moskaus auf den vierten Platz gesunken war (FAZ, 16. 10. 1962).
N. S. Khrushchev The New Content of Peaceful Co-existence in the Nuclear Age (New York: Cross-Currents Press 1963) S. 14, 16 (Rede auf dem 6. Kongreß der SED vom 16. 1. 1963).
N. S. Khrushchev Peaceful Co-existence S. 17–19.
N. S. Khrushchev The Present International Situation and the Foreign Policy of the Soviet Union (New York: Cross-Currents Press 1963) S. 37 (Rede vor dem Obersten Sowjet vom 2. 12. 1962).
Der Text des Vertrages und ein kurzer Kommentar findet sich bei Curt Gasteyger (Hrsg.) Einigung und Spaltung Europas 1942–1965 (Frankfurt a. M., Fischer-Bücherei, S. 396 bis 397, 404–412.
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© 1967 James L. Richardson
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Richardson, J.L. (1967). Die Krise hält an 1961–1962. In: Deutschland und die NATO. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-16293-3_15
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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